Projekte

Das geschrumpfte Haus

von Tim Berge, 15.08.2011


Das portugiesische Matosinhos ist bekannt für seine Fischfangindustrie, ein Umstand, der diese Stadt erst vor wenigen Jahrzehnten auf die Landkarte brachte. Doch auch hier gibt es mittlerweile Industrieruinen, und wen verwundert es, dass es die lokale Kreativszene nun hier herzieht? Man ist sich seiner Wurzeln bewusst und nutzt die Ressourcen des Leerstands, so wie fast überall auf der Welt. In diesem Fall wählten das Architekturbüro Nuno Sampaio – das gleichzeitig auch die Gestaltung übernahm – und die Forschungsplattform Estratégia Urbana eine alte Lagerhalle, in der früher der frisch gefangene Fisch verarbeitet und in Dosen abgefüllt wurde, um sie zu einer Bürogemeinschaft umzubauen.


Nuno Sampaio entschloss sich dazu, die Geschichte des Ortes und die beeindruckende Industriearchitektur nicht auszublenden, sondern sie im Gegenteil als Grundlage seiner Gestaltungsidee zu nehmen. Es entstand ein Spiel mit Form und Material des Bestands, ohne dabei auf eine eigenständige Identität und technische Neuerungen zu verzichten. Mit einem geschickten Eingriff wurde der Raum gegliedert und bietet nun die Möglichkeit, flexibel von den beiden ansässigen Agenturen genutzt zu werden.

Positiv-Negativ

Die eigentliche Intervention besteht aus einem in das Gebäude eingeschobenen Volumen, dessen Form sich an der Architektur der Lagerhalle orientiert, und das wie eine geschrumpfte Kopie des Originals wirkt. Zur Straße hin bildet die ehemalige Fabrik eine markante Giebeldachstruktur aus, deren Silhouette – ähnlich einer Bergkette – in Zickzack-Linien auf und ab läuft. Im Innenraum kann man diese Form an der markanten Holzbalken-Konstruktion ablesen, die nun mit dem dunklen Einbau eine Art Positiv-Negativ-Symbiose eingeht. Der so neu entstandene „Innenraum“ beherbergt die akustisch und thermisch sensiblen Räume sowie Rückzugsorte wie Besprechungszimmer, Sekretariat, Küche und Toiletten.

Der eingebaute Körper wurde mit dunkelgrau pulverbeschichteten Metallplatten verkleidet – die Wände bestehen aus vertikal verlaufenden Lamellen, die vor einer getönten Verglasung sitzen. Die Struktur erinnert ein wenig an die Gitterwände von Abstellräumen in Kellern, die ja ebenfalls als Raum-im-Raum funktionieren. Schaut man schräg auf die Seite, ergibt sich eine geschlossene Front, blickt man von vorne löst sich die Struktur auf und wirkt je nach Belichtungssituation im Inneren transparent oder verschlossen. Es ist ein Spiel der Gegensätze: Mal erscheint der Einbau wie ein Findling, um den herum man die Halle gebaut hat – mal wirkt er ausgehöhlt und wie eine Aneinanderreihung einzelner Flächen.

Schwebende Wände

Der „Außenbereich“ besteht aus einem Büroraum und einem Auditorium, beide teilen sich die zwei Agenturen. Diese Bereiche sind voneinander durch einen Ausleger der eingebauten Box getrennt, und trotzdem hat man das Gefühl von Weite – verläuft über dem einen doch die Decke ohne sichtbares Ende über die Einbauten hinweg. Durch umlaufende, versteckt liegende Lichtbänder über- und unterhalb der neu gestellten Außenwände wird der Eindruck von Weite, den man in dieser Halle schnell verspürt, noch verstärkt. Die Wände scheinen zu schweben und den Kontakt zum Bestand vermeiden zu wollen. Wieder ein geschickter Eingriff, der den Respekt der Gestalter vor dem Gebäude verdeutlicht. Hinter den weißen Wänden wurde zudem die gesamte Technik versteckt: Licht, Heizung und Belüftung. Trotzdem gibt es die Möglichkeit einer natürlichen Belüftung und Belichtung: Das oberste – nach Norden ausgerichtete – Deckenfeld ist ein zu öffnendes Fensterband. In die restlichen Deckenfelder wurden Akustikpaneele eingesetzt, die den anfallenden Lärm schlucken sollen.

Das Matrjoschka-Prinzip


Die „Innenräume” sind nicht nur durch die Glaswände akustisch isoliert, sondern wurden auch mit dunklem Teppichboden ausgelegt, der zusätzlich Schall und Licht schluckt. Die Arbeitsatmosphäre könnte keinen größeren Kontrastpunkt zu den außen liegenden Arbeitsplätzen bieten. Es ist, als würde man bei einer Bergbesteigung Unterschlupf in einer Höhle suchen. Doch es geht noch zurückgezogener – von hier führt eine Treppe hinab in den Keller, wo sich der Modellbauraum, das Archiv und ein Lager befinden. Eine Art Architektur gewordenes Matrjoschka-Prinzip.
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Links

Projektarchitekt

Nuno Sampaio

www.nunosampaio.com

Projektfotograf

FG + SG

www.ultimasreportagens.com

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