Das luftige Büro
Studio Aisslingers LOQI Activity Office in Berlin
Die Berliner Firmenzentrale des Taschenherstellers LOQI will Interaktion beflügeln und zugleich die Auflagen des Social Distancings erfüllen. Unerwarteter Nebeneffekt von Studio Aisslingers Transformation: Die räumliche Entzerrung steigert den visuellen Erlebnisfaktor – und macht das Post-Pandemie-Büro noch Instagram-tauglicher als seine Vorgänger.
Das Coronavirus hat die Arbeitswelt verändert. Nicht nur, dass wir nun verstärkt im Homeoffice arbeiten und Meetings und Kundentermine virtuell statt analog vor Ort stattfinden: Auch in der physischen Gestaltung von Büros hinterlässt die Pandemie Spuren. Am nördlichen Berliner S-Bahn-Ring haben Studio Aisslinger die Europazentrale des Taschenlabels LOQI neu eingerichtet. Planung und Umbau der 1.000-Quadratmeter-Arbeitsfläche fanden zwischen Januar und November 2020 statt – und damit mitten in der Corona-Zeit.
Spielplatz mit Distanz
„Neue Büros, die in der nahen Zukunft geplant werden, legen weniger Wert auf Gemeinschaftsarbeitsplätze. Dennoch brauchen wir neue Räume für Interaktion, Ideenfindung und Zusammenarbeit“, erklären Werner Aisslinger und Tina Bunyaprasit von Studio Aisslinger. Will heißen: Die neue Arbeitswelt ist nicht mehr ganz so stark auf Spielplatz ausgerichtet wie in den letzten Jahren. Dennoch hat auch das klassische Großraumbüro mit starren Schreibtischreihen und tristen Farben ausgedient. Das Büro der Stunde schafft Zonen zum Rückzug – bettet sie jedoch in eine lockere, einladende Atmosphäre ein, in der sich Arbeit nicht nach Arbeit anfühlen soll. Das gilt auch für den Berliner Firmensitz von LOQI.
Flexibilität und Autonomie
Die Mitarbeiter können sich aussuchen, wo, wann und wie sie arbeiten möchten. Darum verteilen sich zahlreiche Inseln im Open Space, die für Computerarbeit, für Team-Besprechungen, für vertrauliche Telefonate oder Pausen- und Ruhemomente genutzt werden können. Über alledem schwebt das Paradigma des Social Distancing. Die einzelnen Arbeitsplätze sind auf 1,5 Meter Abstand angelegt. Korridoren und Durchgängen wurde deutlich mehr Weite zugestanden. Besprechungsinseln können mit Vorhängen geschlossen werden, die sich entlang von kreisförmigen Schienen bewegen. Die Stoffe strukturieren den Raum und erlauben Durchlässe und Öffnungen, um stehende Luft zu vermeiden. Die Haustechnik wird berührungslos gesteuert.
Funktionale Brücken
Mitten im Raum zieht ein langgezogenes Möbel die Blicke auf sich. Seine beiden Enden wirken wie dreistufige Treppen, dienen aber als informelle Sitzgelegenheiten. Dazwischen spannt sich ein erhöhter Schreibtisch, der von Barhockern flankiert wird und in eine gepolsterte Sitznische übergeht. An einer Seitenwand lehnt eine gepolsterte, dreistufige Treppe, die als Sitzgelegenheit für Besprechungen oder ein zurückgezogenes Arbeiten dient.
Tanzende Gedanken
Farbe spielt eine wichtige Rolle in diesem Interieur. Etwas weiter in Richtung Eingang steht ein Tresen mit rosafarbenen Fliesen und roten Fugen, um den sich pinke Hocker aus der Serie Circle von Cairo reihen. Monochrom in grün oder blau gehaltene Work Capsules stehen frei im Raum. Die Micro-Architekturen von Studio Aisslinger bilden einen Arbeitsplatz für eine Person mit gepolstertem Sitz und Schreibtisch. Wird eine aufgerollte Stoffbahn nach unten gelassen, schließt sich die Kapsel und tritt allein über ein halbkugelförmiges Plexiglasfenster mit der Umgebung in Kontakt.
Die Besprechungstische werden von Stühlen aus der Serie Chairman von Conmoto umringt, die türkise oder korallenrote Metallrahmen mit hellblauen respektive rosafarbenen Sitzschalen aus Formfleece kombinieren. Farbe zeigt sich auch bei den roten Pendelleuchte aus der Serie Hobo von Wästberg sowie den hell-mittelblauen sowie altrosa-violett-farbenen Leuchten aus der Serie Aspen von B.lux. Die Möbel und Leuchten wurden ebenso von Studio Aisslinger gestaltet wie die Rückwand aus rotem Metallgitter. Sie dient dazu, verschiedene Taschenmodelle einzuhängen und so gut sichtbar zu präsentieren. „Der Raum passt sich den jeweiligen Bedürfnissen an und schafft Platz für verspielte Kreativität. Sie bringt die Gedanken und den Körper zum Tanzen, um neue Ideen zu finden“, so Studio Aisslinger.
Im Rausch der Bilder
Der beherzte Griff in den Farbtop dient keineswegs nur dazu, dem zwischen Isolation und Kommunikation changierenden Raumkonzept eine emphatische Wirkung zu verleihen. „Architekturen und Räume müssen heute kompatibel sein mit den sozialen Medien und die Bedürfnisse einer Generation befriedigen, die ständig online ist“, erklärt Werner Aisslinger. Das Ergebnis ist ein beruflicher Perspektivwechsel. „Designer und Architekten adaptieren die Blickpunkte von Kameramännern: Wie ist es möglich, Räume so in Szene zu setzen, dass interessante Bilder und Sets entstehen?“, gibt der Berliner Gestalter die Richtung vor. Es geht um Identität, um Erkennbarkeit. Doch nicht nur für soziale Medien. Büros müssen auch eine stärkere Attraktivität entfalten, um die Mitarbeiter in Corona- und Post-Corona-Zeiten wieder aus dem Homeoffice zu locken.
Das Unternehmen LOQI – der Name ist eine Kombination aus Locus, dem lateinischen Wort für Ort, und dem chinesischen Qi, das für Energie, Atem oder Luft steht – hat Bekanntheit über Kooperationen mit großen Museen gelegt. Über 300 Kunstwerke aus dem Louvre, der Tate Gallery oder der Guggenheim Collection prangen auf Taschen – und jetzt auch Mund-Nasen-Masken: von Hokusais Großer Welle über Klimts Der Kuss oder Mondrians Komposition mit Rot, Gelb, Blau und Schwarz. Man kann dem Coronavirus vielleicht noch nicht so schnell entfliehen – doch zumindest das Beste daraus machen.
FOTOGRAFIE Nicoló Lanfranchi
Nicoló Lanfranchi
Typologie | Büro, Showroom |
Ort | Berlin Tiergarten |
Adresse | Sickingenstrasse 20 - 28 |
Möbel | Chairman von Conmoto, Work Capsules von Studio Aisslinger, Chair Man Chair von Studio Aisslinger Edition, Circle Barstool von Cairo |
Leuchten | Hobo von Wästberg, Aspen von B.lux. |