Der Charme der Höhle
Hotel in den Höhlensiedlungen in Matera

Von der Frühgeschichte bis in die Gegenwart: Das Hotel La Dimona di Metello im süditalienischen Matera entführt seine Gäste auf eine packende Zeitreise. Die vier Suiten sind in Jahrtausenden alten Höhlen eingerichtet, die nach langem Leerstand zu neuem Leben erweckt werden.
Nicht jedes Kulturerbe stößt auf sofortige Begeisterung. Im süditalienischen Matera hat es lange gedauert, bis die Sensation des Ortes überhaupt gewürdigt wurde. Bereits vor mehreren tausend Jahren sind die steilen Felshänge des Gravina-Flußtals ausgehöhlt worden. Sassi (zu deutsch: Steine) heißen bis heute erhaltenen Siedlungen, die einen Einblick in ein faszinierendes Stück Kultur- und Baugeschichte erlauben.
Historische Entwurzelung
Dass die Siedlungen 1993 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurden, geschah genau im richtigen Moment. Denn Mitte der fünfziger Jahre sahen es Politik und Öffentlichkeit als Schande an, dass Menschen an diesem Ort noch in Höhlen wohnen. Als die Medien die unzureichenden hygienischen Bedingungen in der Felsansiedlung thematisierten, setzte die Lokalregierung ein klares Zeichen: Die Bewohner wurden in gesichtslose Neubauten umgesiedelt und die Höhlen dem Verfall überlassen.
Temporäre Höhlenbewohner
Erst mit dem Weltkulturerbe-Titel hat ein Umdenken eingesetzt. Sowohl von staatlicher als auch von privater Seite ist mit der Sanierung der historischen Tuffsteinhöhlen begonnen worden: ein Prozess, der zurzeit auf vollen Touren läuft. Schließlich wurde Matera zur europäischen Kulturhauptstadt 2019 gewählt und will sich bis dahin von der besten Seite zeigen. Das bedeutet vor allem eines: Den Höhlen so nah wie möglich zu kommen – und zwar nicht nur als Besucher, sondern vielmehr als Bewohner.
Zurückhaltender Auftritt
Wie das gelingt, zeigt das Hotel La Dimona di Metello im Herzen der Sassi. Das Hotel entführt die Gäste auf eine Zeitreise von der Frühgeschichte in die Gegenwart. Damit letzte nicht zu kurz kommt, haben sich die Hoteliers an die vor Ort ansässigen Architekten Marina und Alfredo Manca gewandt. Das Geschwisterpaar wählte eine zurückhaltende, gestalterische Sprache, die eindeutig dem Star dieser Inneneinrichtung den Vortritt lässt: den bis zu fünf Meter hohen Gewölben aus Tuffstein, die mit ihren unregelmäßigen Oberflächen die Blicke auf sich ziehen.
Ton-in-Ton-Effekt
Vier Suiten sind auf einer Fläche von 300 Quadratmetern umgesetzt worden, die jeweils einem anderen Grundriss folgen. Aktuell eingezogene Wände haben die Architekten mit weißem Putz neutralisiert. Für die Böden findet hingegen ein Komposit aus Sand, Kalk und Ziegelsteinfragmenten Verwendung, der mit seiner warmen Farbigkeit und unregelmäßigen Oberflächenstruktur an die Wirkung des Tuffsteins anknüpft. Einen Ton-in-Ton-Effekt erzielen nicht nur die aus Eiche gefertigten Betten, Schränke Schreibtische und Treppen. Auch bei den Vorhängen, der Bettwäsche, den Tagesdecken und Handtüchern wird die sandigwarme Farbpalette fortgeführt, die für eine wohnliche Atmosphäre sorgt.
Im Hier und Jetzt
Natürlich dürfen ein paar Akzente nicht fehlen. Und so reihen sich Klassiker wie die zwischen Boden und Decke eingespannte Parentisi-Leuchte von Achille Castiglioni und Pio Manzù oder ein Plastic Chair von Charles und Ray Eames unter das zurückhaltende Interieur, während auf der Terrasse die filigranen Summerset Stühle von Christophe Pillet zum Entspannen einladen. Marina und Alfredo Manca haben damit genau ins Schwarze getroffen: Das Ergebnis ist keine rustikale Familie-Feuerstein-Inszenierung, sondern ein warmer, atmosphärischer Ort, der klar im Hier und Jetzt steht.
FOTOGRAFIE Pierangelo Laterza
Pierangelo Laterza
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