Echo der Bergwelt
Nina Mair gestaltet die kommunikativen Räume eines Innsbrucker Unternehmens

Die Innsbrucker Architektin und Designerin Nina Mair hat in ihrer Heimatstadt die Büros eines staatlichen Unternehmens umgestaltet: Das Resultat ist eine Mikroarchitektur mit akustisch wirksamen Raumgrenzen, die zum ungestörten Ideenaustausch ebenso animiert wie zu kontemplativen Pausen.
Im Büro wird heute nicht nur gearbeitet – zumindest nicht im Sinne konventioneller Schreibtischtätigkeit. Die gibt es zwar auch noch. Doch sie kann überall passieren: im Büro, im Homeoffice oder unterwegs. Der Hauptgrund für Mitarbeiter, heute in die Firma zu kommen, liegt in der gegenseitigen Kommunikation. Projekte werden besprochen, Ideen ausgetauscht und neue Ansätze entwickelt. Dafür braucht es Räume, die Geselligkeit unterstützen. Sie sollen Sinnlichkeit und Emotion ausstrahlen, statt als neutrale, gesichtslose Hüllen zu dienen. Corona hat diesen räumlichen Wandel verstärkt.
Entspannte Gemeinschaft
„In den letzten Monaten sind die Menschen mit dem Schreibtisch in die digitale Welt abgewandert. Echte Gemeinschaft findet im Homeoffice kaum statt. Die Menschen sehnen sich jedoch danach, auch im beruflichen Kontext. Die Bedeutung von Gemeinschaftsflächen im Büro wird daher zunehmen“, sagt Nina Mair. Die Architektin und Designerin unterhält ihr Studio in ihrer Geburtsstadt Innsbruck. Für ein dort ansässiges Staatsunternehmen hat sie einen Teil der Verwaltungsräume in neue Gemeinschaftsbereiche umgewandelt. Das Bürogebäude aus den Neunzigerjahren liegt direkt am Vorplatz des Innsbrucker Hauptbahnhofs. Es besitzt eine gläserne Vorhangfassade und wird von Betonträgern über den Boden angehoben, damit auf Erdgeschossebene Busse halten können.
Flüsternde Wände
Ein „freundliches Nest“ hat Nina Mair anvisiert: helle, lichtdurchflutete Räume, die von dreißig Mitarbeitern genutzt werden können. Damit sich diese nicht gegenseitig auf die Nerven fallen, wird die Fläche in einzelne Zonen und Rückzugsmöglichkeiten unterteilt. Den Trennwänden fällt hierbei eine doppelte Aufgabe zu. Sie halten Blicke fern und filtern zugleich störende Geräusche und Stimmengewirr heraus. Die Betonwände des Gebäude-Erschließungskerns sind mit Lärchenholzpaneelen verkleidet, deren geschlitzte Oberflächen die Nachhallzeit reduzieren. Eine schallschluckende Wirkung entfalten ebenso holzgerahmte und mit Merinowolle bezogene Paneele von Ydol.
Stilisierte Gipfel
Die Stoffe sind mit unterschiedlich großen, sich gegenseitig überlagernden Dreiecken bedruckt: als Echo auf die Bergwelt, die sich vor den großen Panoramafenstern öffnet. Die hellblaue und lachsfarbene Tonalität der stilisierten Gipfel greift die Corporate-Farben des Unternehmens auf. Damit der Raum durch die Stoffpaneele nicht völlig abgetrennt wird, kommen diagonale Metallgitter zum Einsatz. Sie lassen Licht und Blicke ebenso hindurch wie die Blätter von Zimmerpflanzen, die an ihnen emporranken. Die Gitter sind – wie die Stoffpaneele – mit Lärchenholz gerahmt. Das Naturmaterial wird auch für die Innenverkleidungen der Glasfenster sowie für eine Bank verwendet. Unterhalb der Fenster spannt sich diese durch die gesamte Länge des Raumes und dient als Sitzgelegenheit mit dünnen Wollkissen oder als breitflächige Ablage.
Doppelte Kodierung
Die Verbindung zur Natur verstärkt der Wollteppich Yak von JAB Anstoetz. Er verfügt über eine grobe Maschenstruktur, die Wohnzimmeratmosphäre in die kommunikative Arbeitswelt holt. Ein überaus praktischer Ansatz steckt in der Farbwahl der Teppiche: Die Erschließungsbereiche sind in einem mittleren Grauton gehalten, der auf diskrete und elegante Weise die Fluchtwege markiert. Die Aufenthaltsbereiche sind hingegen mit hellbeigen Böden ausgelegt. Auch die Möblierung zeigt sich betont wohnlich. Der von Nina Mair für LaCividina entworfene Loungesessel Bernard dient in hellblauem Stoffbezug für informelle Gespräche oder zum Entspannen. Ein rosafarbener Sessel mit voluminösen Ohren – das Modell Radar von Claesson Koivisto Rune für Emmegi – wird zum störungsfreien Telefonieren genutzt.
Menschliche Dimension
Im Essbereich können die Mitarbeiter mitgebrachte oder selbst zubereitete Speisen genießen. Die eigens für das Projekt angefertigten Bistrotische warten mit hellgrauen Linoleumoberflächen auf. Sie werden von Stühlen der Serie ST6N-2 – das Gestell aus Massivholz, Sitzfläche und Rücken aus Formsperrholz – umringt, die vom Unternehmen Hussl direkt in Tirol gefertigt werden. Tische und Stühle sind in Konfigurationen für zwei und vier Personen gestellt. Sie lassen sich aber auch in eine lange Reihe positionieren, um Veranstaltungen zu organisieren. Das Ziel ihrer Intervention bringt Nina Mair so auf den Punkt: „Wir brauchen Räume, welche die Kreativität und Interaktion zwischen den Menschen fördern, um das Wohlbefinden zu erhöhen. In liebevoll gestalteten Details soll die Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck kommen.“
FOTOGRAFIE Charly Schwarz
Charly Schwarz
Projektname | Workplace in Office Tower |
Typologie | Gemeinschaftsräume & Gastronomiebereich |
Ort | Innsbruck, Tirol, Österreich |
Interieur | Nina Mair, Insbruck |
Lärchenholz-Paneele | Lignotrend |
Akustik-Stoffe | Ydol |
Teppiche | Yak von JABB Anstoetz |
Sessel | Bernard Lounge von LaCividina |
Stühle | ST6N-2 von Hussl |
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