Ein Haus wie eine Filmkulisse
Holzhaus in Genf von Daniel Zamarbide

Ein Haus wie eine Filmkulisse, die das Innenleben künftiger Bewohner widerspiegelt, so lautete die Idee des Architekten Daniel Zamarbide für einen Umbau in Genf. Er entwickelte ein komplexes Konzept der Sichtachsen und Kontraste, das Volkstümliches mit Zeitgenössischem vereint. Ein Ansatz, bei dem kein Detail unbedacht bleibt und seine Inspirationen in Kulissenbau und Filmkunst findet. Das Resultat ist eine filmreife Szenerie auf 70 Quadratmetern.
Die Bezeichnung „innere Architektur“ beschriebe den Umbauprozess dieses traditionellen Holzhauses in Genf am besten, sagt Daniel Zamarbide, der Gründer eines Projekts für Architektur, Design und Recherche mit dem schlichten Namen Bureau. Das Gebäude von innen heraus zu denken und zu bauen, folge einer klaren Logik, wenn man davon ausginge, dass Architektur die Aufgabe hat, Rückzugsräume der Intimität, der Privatheit und der Interaktion zu schaffen sowie sich mit der Komplexität menschlicher Beziehungen auseinanderzusetzen.
Vor diesem Hintergrund lehnt er sich an den Film „Der Diener“ von 1963 an. In dem Arthaus-Streifen von Drehbuchautor Harold Pinter und Regisseur Joseph Losey diene ein Apartment als Kulisse für eine Reihe sehr vielschichtiger, intimer menschlicher Beziehungen und deren Dynamiken, erklärt der in Spanien geborene Architekt, der gerne Aspekte aus Philosophie, Kunst und Kino in seine Arbeit einfließen lässt. Mit Spiegelungen und verschiedenen Standpunkten spielte die Architektur eine aktive Rolle in der Handlung. Der Protagonist Mr. Barrett, nach dem der auch Umbau benannt wurde, diente dem Planer folglich als Inspiration und wird in seinem Projekt zum imaginären zukünftigen Bewohner.
Komplexer Charakter
Doch bevor er sich dem Gebäudeinneren zuwenden und ein Zuhause für Mr. Barrett einrichten konnte, ging es an die Substanz. Der 70 Quadratmeter große Bestandsbau umfasste eine Garage im Erdgeschoss und ein Apartment im ersten Stock. Während der Innenraum vollständig entkernt wurde, blieb das Äußere, eine reich verschnörkelte Holzkonstruktion im ersten Stock, weitestgehend erhalten. „Dafür wurde das obere Holzchalet vollständig angehoben, neben dem Gebäude abgestellt, verstärkt und umstrukturiert. Erst nach dieser Operation konnten wir es wieder auf das Untergeschoss platzieren“, berichtet Zamarbide.
„Die beiden Ebenen sind durch eine Reihe von relativ komplexen Abschnitten räumlich miteinander verbunden“, führt er aus. Hier zeichnen sich seine filmischen Ideen ab. Besonders deutlich werden sie in einer erhöhten Ebene in einem der beiden Schlafzimmer. Doch auch innerhalb der zwei Schlafzimmer, des Bades und Flurs in der ersten Etage und des Wohnraums im Erdgeschoss gibt es subtile Verbindungen wie Öffnungen in den Wänden, die verschiedene Perspektiven ermöglichen. Außerdem ging es ihm um „einen Reichtum an Wahrnehmung und ein Gefühl von Raum“ innerhalb des kompakten Volumens.
Bruch mit Tradition
Inzwischen haben Äußeres und Inneres des Gebäudes wenig miteinander gemein. Auf der Fassade dominieren der dunkle Massivholzaufsatz mit seinen volkstümlichen, teils kleinteiligen Dekorationen. Für den Ausbau der Räume wählte Zamarbide eine klare, helle und schnörkellose Gestaltung. Sowohl als Verkleidung für Wände, Decken und Türen als auch für das Einbaumobiliar nutzte er Birkenholz. Dessen Platten erzeugen zwar collagenhafte Oberflächen, lassen die verschiedenen Zimmer aber als Einheit erscheinen. Lediglich in einigen Details findet man kleine Brüche und dezente Bezüge der beiden Gestaltungsansätze.
So gibt es dunkle, verschnörkelte Türgriffe, eine organisch geformte Leiter und zwei kreisrunde Fenster im Erdgeschoss, die die geometrische Strenge brechen. Diese Öffnungen sollen als bewusste Geste auch im Außenraum für eine Spannung zwischen alt und neu sorgen. Geschichte und Wesen eines Gebäudes bestünden aus aufeinanderfolgenden Schichten, deren zeitgenössische Erscheinung allmählich verschwinde und Teil der volkstümlichen Natur der Architektur würde, sagt Daniel Zamarbide. Das wird sich in Zukunft erweisen. In jedem Fall gelang ihm schon jetzt mit diesen kontrastreichen Kombinationen eine charaktervolle Formensprache, die der vielschichtigen Persönlichkeit von Mr. Barrett ganz sicher gerecht wird.
FOTOGRAFIE Dylan Perrenoud
Dylan Perrenoud
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