Projekte

Ein Ort für die Magie des Zufalls

Co-Working im Londoner Design District

Die Isolation im Homeoffice ist keine Lösung: Der Londoner Kollektivarbeitsplatz Bureau zieht ein Resümee aus dem Lockdown und entwirft ein Konzept für die Zukunft der kreativen Arbeit. Gestaltende aller Professionen sollen mitten im Design District ein kreatives Epizentrum finden. Und einen Spielplatz der Möglichkeiten – mit Studios, Infrastruktur und Netzwerk.

von Tanja Pabelick, 18.10.2021

Wie würden sich Kreative selbst einen Arbeitsort gestalten und welchen Ansprüchen muss dieser gerecht werden? Neben ästhetischen und organisatorischen Parametern bestimmt oft vor allem das Budget, wo Freiberufler *innen oder kleine Start-ups ihre Schreibtische aufstellen können. Das neue Bureau, ein Co-Working-Club im frisch eingeweihten Design District auf der Londoner Greenwich-Halbinsel, will ein Treffpunkt und Interaktions-Hub für die Branche sein – und funktioniert deshalb bewusst ohne große finanzielle Hürden. Mit einem Monatsbeitrag von 80 Pfund können die Mitglieder nicht nur einen Arbeitsplatz nutzen, sondern auch am internen Veranstaltungsprogramm teilnehmen und vom Netzwerk profitieren. Das Bureau hat es sich zum Motto gemacht, ein pulsierendes Zentrum im kreativen Ökosystem der Stadt zu sein.  Damit wollen die Initiator*innen auch die Lücke schließen, die Monate des Lockdowns hinterlassen haben. „Wir priorisieren nicht ausschließlich den Raum zum Denken und Handeln, sondern teilen auch Ressourcen, starke Netzwerke und Kollaborationsmöglichkeiten“, sagen sie.

Ein ganzes Viertel für die Kreativen
Sech­zehn Gebäude gehören zum Design District in London. Entworfen wurden sie von insgesamt acht Architekturbüros. Ganz bewusst ohne Rücksicht auf den Kontext: Während der Planungsphase wusste keiner von den Entwürfen der Kolleg*innen, sodass im Rahmen des Entwicklungsprojektes Design District ein zufälliges Patchwork aus ikonischen Solitären entstanden ist. Bureau bezieht gleich zwei von ihnen. In dem weißen, von Wellenstrukturen bestimmten Gebäude von HNNA finden sich gesellige Arbeitslounges und kommunikative Co-Working-Bereiche sowie ein Restaurant. Die Flächen im Haus von Architecture 00 bieten zurückgezogenere und konzentriertere Arbeitsmöglichkeiten hinter raumhohen Fenstern. Dass aus beiden Häusern über eine durchgängige Designsprache des Interiors eine Einheit wurde, verantwortete die Architektin Roz Barr. Ihre Raumlösungen sind dynamisch und flexibel, vermeiden aber generische Stilelemente, die oft andere Co-Working-Orte bestimmen. Barr setzt auf eine Palette von warmen Pastelltönen, ergänzt weiche Materialien wie Linoleum, Holz oder Textil und kontrastiert diese wohnliche Ausrichtung dann mit industriellen Details wie Trockenbaustrukturen, Metallgittern und -möbeln oder der rohen Betondecke.

Enklaven und soziale Hotspots
Barrs fast temporär wirkende Gestaltung kommuniziert maximale Adaptivität. Die Möbel stehen auf grazilen Gestellen dort bereit, wo sie gebraucht werden. Und auch die Räume selbst werden nicht durch Mauern voneinander getrennt, sondern durch ein Ständerwerk mit vorgesetzten Paneelen aus Faserzement oder Gittern. Die unverkleideten Oberlichter bleiben dabei offen und lassen die Luft zirkulieren. So bleibt Transparenz und entsteht Privatheit. Das Interior wirkt seriös, aber nicht ernst, gemütlich, aber aufs Wesentliche und Funktionale reduziert. Verschieden ausgerichtete Flächen erlauben den Nutzer*innen, für jede Aufgabe einen passenden Fleck zu finden. Es gibt stille Enklaven für Besprechungen, Rückzugsboxen für Telefonate und natürlich informelle Plätze, die dazu einladen, sich auszutauschen. Ganz bewusst wird hier – mit Blick auf das letzte Jahr – all das angeboten, was viele Selbstständige im Homeoffice vermisst haben, wie andere Menschen und ihr kreativer Input. „Wir brauchen Orte, an denen wir miteinander in Kontakt treten, gemeinsam Ideen entwickeln und die Magie des Zufalls genießen können“, sagt Roz Barr.

Design aus der Heimat
Barr hat viel Wert darauf gelegt, Möbel und Leuchten aus der Feder britischer Designer*innen oder aus der Produktion nationaler Hersteller einzusetzen. Aber auch die inneren Werte der verwendeten Produkte wurden nicht vergessen. So ist beispielsweise das auf dem Boden verlegte Marmoleum von Forbo zu 97 Prozent aus recycelten Materialien hergestellt und die Arbeitsflächen lieferte das walisische Unternehmen Smile Plastics, das spannend gemusterte Kunststoffplatten aus Abfällen von Industrie und Endverbrauchern herstellt. Und weil das Konzept des Bureau während der Pandemie mit ihren besonderen Sicherheitsvorkehrungen entwickelt wurde, war auch die Integration eines intelligenten Gebäudemanagements selbstverständlich. Jedes Mitglied kann sich von zu Hause aus informieren, wie stark die Büros und die kollektiv nutzbaren Räume, wie Konferenzzimmer, Kino-Lounge oder der Veranstaltungssaal, ausgelastet sind.  So können die Mitglieder entscheiden, ob sie ins Bureau kommen möchten – oder doch einmal zu Hause bleiben. Den Vorteil – und vor allem die Notwendigkeit – des kreativen Co-Workings sehen die Initiator*innen unbedingt. „Es wird häufig und leichtfertig davon ausgegangen, dass die Kreativen zu denjenigen gehören, die am besten in der Lage sind, von zu Hause aus zu arbeiten“, erklären sie. Und: „Der Kreativsektor ist ein komplexer, multidisziplinärer Wirtschaftszweig. Er verdient einen eigenen Raum, der bewusst auf die besonderen Bedürfnisse zugeschnitten ist.“

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Links

Entwurf

Roz Barr

www.rozbarr.com

Projekt

Bureau

bureau.club

Styling

Mihaela Berber

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