Projekte

Ein Riegel vorgeschoben

von Andreas Tölke, 19.09.2012


In Montpellier hat Zaha Hadid mit dem Komplex Pierres Vives eine Ikone geplant. Nach zehn Jahren Bauzeit ist das Gebäude nun eröffnet worden. Modern, stimmig komponiert und mächtig, wirkt er doch wie aus einer anderen Zeit. Unser Gastautor Andreas Tölke kommentiert Vergangenheit und Zukunft eines Gebäudes mit beachtlichen Ausmaßen.

Mitten im Nirgendwo hat die ungekrönte Königin der Architektur ein Multifunktionsgebäude abgestellt. Es trägt den Namen Pierre Vives, liegt am Stadtrand von Montpellier und schafft Platz für drei Behörden. Und für 3500 Quadratmeter öffentlichen Lebens. Auditorium, Bücherei, Konferenzräume, Multimediabereiche. Insgesamt 28.500 Quadratmeter Innenleben bietet das Haus; ein Innenleben, das - wenig überraschend bei der Überarchitektin – organisch verwoben ist.

Was überrascht, ist die Fassade. Zwar ist sie eindeutig als eine „Hadid“ lesbar, wirkt aber doch wie eine Reise in die Vergangenheit. Denn das 195 Meter lange Gebäude erscheint als gestalterische Fortsetzung ihres Leipziger BMW-Werks, das 2005 eröffnet wurde. Kaum erstaunlich, sind von der ersten Entwurfsskizze bis zur Übergabe am 13. September doch zehn Jahre vergangen. Das heißt, die Arbeit an dem Komplex in Montpellier begann, als Leipzig auf der Agenda der Londonerin einen Spitzenplatz hatte. Pierre Vives ist also nicht repräsentativ für die aktuell vorherrschende (Fassaden-)Ästhetik von Hadids Büros, zumal im Vergleich mit jüngeren Entwürfen wie dem Operhaus in Guangzhou oder dem Museum MAXXI in Rom.

Ein retrofuturistisches Spektakel


Pierre Vives
ist – so beschreibt es die Pritzker-Preisträgerin selbst – aus einem Block entstanden. Einem Block mit fünf Stockwerken und einem seitlich „angeklebten“ Flügel. Was sich recht schlicht anhört, ist dank über tausend vorab gegossenen Betonelementen, 500 Quadratmetern Glasfläche und Aluminiumblenden ein ziemlich retrofuturistisches Spektakel. Die deutsche Firma Reynaers hat dafür die Systemlösungen geliefert. In Kooperation mit Kersten Europe – noch mal Made in Germany – sind über neunhundert Aluminiumprofile so verformt worden, dass bei der Eröffnung gerne von einem „Kunstwerk“ die Rede war. Soweit muss man nicht unbedingt gehen. Auch das oft bemühte Beispiel eines horizontal liegenden Baumstamms erscheint ein wenig gewollt. Eher schon ein Kreuzfahrtschiff – gerade von den schmalen Seiten betrachtet. Überhaupt der Betrachtungswinkel – ein großes Thema. Zaha Hadid plante den Balken in einem Winkel von 45 Grad zur Grundstücksgrenze in die Brache. Der Bauherr entschied anders. Jetzt ist der 46 Meter breite und 24 Meter hohe Dampfer parallel zu einer Schnellstraße gestrandet, ist von dieser Seite schwer(er) zu erreichen und klemmt als Riegel die Sichtachsen der Umgebungsbebauung ab.

Der Masterplan für das zehn Hektar große Areal rund um Pierre Vives am Rande der Stadt, in der bis dato gesichtsloser sozialer Wohnungsbau vorherrscht, sieht eine Aufwertung der Gegend vor. 900 Wohneinheiten für potente Käufer sollen entstehen. Die Stadtoberen wollen aus Montpellier ein Must-see für zeitgenössische Architektur zaubern. Jean Nouvel hat auf der entgegengesetzten Seite der Stadt im November das Rathaus fertiggestellt. Der Bilbao-Effekt wird in Montpellier wieder belebt. Und Zaha Hadid hat ihren Teil dazu beigetragen. Und das (mal wieder) auf höchstem Niveau.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail

Mehr Projekte

Neobrutalistische Kellerdisco

Die neuen Arbeitsräume von llotllov für M&C Saatchi in Berlin

Die neuen Arbeitsräume von llotllov für M&C Saatchi in Berlin

Berlin macht Blau

Das neue Relaxound-Office von Ester Bruzkus Architekten

Das neue Relaxound-Office von Ester Bruzkus Architekten

Vergangenheit neu belebt

Umbau eines historischen Verlagshauses in Sydney von Hülle & Fülle

Umbau eines historischen Verlagshauses in Sydney von Hülle & Fülle

Unter dem Mond Spaniens

Die surreal-industrielle Welt des Reisinger-Studios

Die surreal-industrielle Welt des Reisinger-Studios

Kreativ in Kortrijk

Minimalistischer Office Space von Markland Architecten und Stay Studio

Minimalistischer Office Space von Markland Architecten und Stay Studio

Japanische Offenheit

Neugestaltung des Firmensitzes von L’Oréal Japan in Tokio von The Design Studio

Neugestaltung des Firmensitzes von L’Oréal Japan in Tokio von The Design Studio

Lernen in der Alten Post

Campus der BSBI in Berlin setzt auf flexibles Interior

Campus der BSBI in Berlin setzt auf flexibles Interior

Effizienter Holzbaukasten

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Büroneubau in Oslo mit durchdachter Lichtplanung

Akustische Glanzleistung

Sanierung der Bestuhlung im Neumarkter Reitstadel von Girsberger

Sanierung der Bestuhlung im Neumarkter Reitstadel von Girsberger

Zweite Auflage für eine Druckerei

Büro mit Tatami-Raum von INpuls in München

Büro mit Tatami-Raum von INpuls in München

Lebendige Präsentation

Neu gestalteter Showroom von Goldbach Kirchner

Neu gestalteter Showroom von Goldbach Kirchner

Infrastruktur fürs Glück

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Bibliothek in Kirkkonummi von JKMM

Möbel nach Maß

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Nachhaltig transformiertes Cartier-Headquarter von Atelier Nova

Das Regenbogen-Büro

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Innovationsraum Space in Hamburg von Studio Besau-Marguerre

Haus im Haus

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Studio Alexander Fehres „Herzzone” für ein Büro von Roche

Eine Ausstellung, die Stellung bezieht

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Fotografiska Berlin im einstigen Tacheles von Studio Aisslinger

Vom Sehen und Gesehenwerden

Eine Naturheilpraxis auf den Azoren von Box Arquitectos

Eine Naturheilpraxis auf den Azoren von Box Arquitectos

Besondere Böden

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

In eigener Sache

Ein Büro-Makeover vom Office-Spezialisten CSMM in Düsseldorf

Ein Büro-Makeover vom Office-Spezialisten CSMM in Düsseldorf

Ein sportliches Haus

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Geflieste Exzentrik

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Arbeiten unter Palmen

Amsterdamer Büro mit begehbaren Möbeln von Studioninedots

Amsterdamer Büro mit begehbaren Möbeln von Studioninedots

Grüne Arbeitsstruktur

Co-Working-Space in Barcelona von Daniel Mòdol

Co-Working-Space in Barcelona von Daniel Mòdol

Moderner Triumphbogen

Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

In altem Glanz

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Inspirationen statt Emissionen

Nachhaltiger Büroneubau von Studio Daytrip in London

Nachhaltiger Büroneubau von Studio Daytrip in London

Außen Altbau, innen New Work

Berliner Juris-Dependance am Ku’damm von de Winder Architekten

Berliner Juris-Dependance am Ku’damm von de Winder Architekten

Viel Platz für Veränderung

Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Dialog mit der Stadt

Das Verwaltungszentrum Brucity in Brüssel

Das Verwaltungszentrum Brucity in Brüssel

Bunter Community-Space

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München