Geschichte im Farbbad
Umbau eines Prachtbaus in Amsterdam von i29 und MATH architecten

Kornblumenblau und Sonnengelb, Ombré-Effekte und Tuftteppiche schlagen in dem klassizistischen Prachtbau an einer Amsterdamer Gracht den Bogen in die Moderne. Vergessen haben die Architekten von i29 und MATH architecten seine imposante Geschichte aber nicht: Sowohl die kulturelle Nutzung als auch die historische Substanz des Felix Meritis durften bleiben.
1788 wurde das imposante Gebäude direkt an der Keizersgracht in der Amsterdamer Altstadt erbaut. Ganz im klassizistischen Stil der Zeit setzte der Architekt damals auf römische Zitate, wie Säulen und Kapitelle, aber auch verspielte Elemente, wie Girlanden und Fruchtgehänge. Es durfte und sollte durchaus pompös sein. Sein Auftraggeber war eine Gesellschaft der Denker mit philanthropischer Ausrichtung, zu der Wissenschaftler und Künstler ebenso gehörten wie Unternehmer. 2020 hat das mit einigen Architekturpreisen ausgezeichnete Studio i29 in Zusammenarbeit mit den Architekten von MATH dem Gebäude ein Makeover verpasst, bei dem die Geschichte modern überlagert wird. Über den historischen Backstein legen sich kräftige Blockfarben, die auch die inhaltliche Nutzung und die Funktionsbereiche kennzeichnen.
Der Himmel über Amsterdam
Das weitläufige Gebäude Felix Meritis bringt viele, teilweise im Laufe seiner Geschichte bereits definierte Bereiche mit. Im Erdgeschoss wurde neben dem Empfang das Restaurant Felix eingerichtet, das den Stil des 18. Jahrhunderts aufgreift und mit zeitgenössischen Elementen interpretiert. Dazu gehören die textilen Wandverkleidungen, die in einem speziellen Webverfahren die Farben des niederländischen Himmels widerspiegeln. Ein leichtes Himmelblau geht in ein Zartrosa über und lässt den hohen Raum in den Nuancen eines Abendrots changieren. Die Decke ist mit einem indirekten Lichtsystem ausgestattet, das die weiße Fläche wie eine helle und unendliche Wolkendecke über den Gästen schweben lässt. Mit blau-schwarzem Mobiliar und dem Holzfußboden in einer goldgelben Nuance wird die sommerliche Atmosphäre unterstrichen, die an ein Kornblumenfeld erinnert.
Intervention durch Zitate
Der Empfang nutzt für den sensiblen Zeitenwandel die gleichen Einrichtungselemente, setzt farblich aber auf ein Wald- bis Wiesengrün. Für den vollflächigen Wandbehang wurde eine antike Radierung skaliert und auf ein langfloriges Textil übertragen, mit dem der Raum auch akustisch beruhigt wird. Entworfen wurden die vertikal installierten, getufteten Teppiche vom Amsterdamer Designstudio Belén, das damit auch an einen verlorenen Raum erinnern will. Der Zeichenraum des Felix Meritis fiel einem Feuer zum Opfer, im Rijksmuseum lagerten allerdings einige der Werke, die nicht nur in diesem Raum entstanden, sondern ihn auch zeigen. Durch die zehn Zentimeter langen Fäden bildet die Vorderseite der Teppiche eine abstrakte Version des Originals ab, das auf der flachen Rückseite klar zu erkennen ist. Zum verbindenden Element zwischen Restaurant und Empfang wird die Lichtinstallation, die der Beleuchtung des Restaurants entspricht. Sie kreiert als moderner Kronleuchter einen prächtigen Auftritt, während sich die LED-Technologie der Programmanzeige hinter einer verspiegelten Wand versteckt – nur bei Bedarf werden hier Besucherinformationen eingeblendet.
Klassik und Electro
Auch heute ist die Aufgabe des Hauses die einer weit gefächerten Kulturinstitution, die die Bereiche Technologie, Unternehmertum, Wissenschaft und Kunst unter ein Dach bringt. Im Rahmen des Konzeptes wurde auch der alte Konzertsaal in seiner Funktion und mit seiner klassischen Anmutung übernommen, nur ein paar Stahlleuchter, wandintegrierte Stauräume und flexible akustische Paneele zeigen die moderne Intervention. Mit neuer Tonanlage und einer aufwändigen Lichttechnik ist auch die Nutzungsverschiebung vorgesehen: Neben akustischen Musikabenden können auch Clubnächte stattfinden. Alle anderen Säle und Räume des Felix Meritis setzen auf ein flexibles Konzept. Je nach Veranstaltung lassen sie sich als Lounge definieren, werden zu Konferenzräumen, Debattiersälen, Theatern, Bars oder Fernsehstudios. Den Anforderungen der Nutzer folgend können Bestuhlungen und Trennwände, Arbeitsplätze oder Sitzgruppen aufgestellt werden. Allerdings gibt es vor allem eine auffällige Distinktion: die farbliche Inszenierung.
Sakralbau in Blau
Den größten Eindruck hinterlässt der runde Shaffyzaal. An seinen Wänden senkt sich ein tiefes Blau zu Boden, ein Ombré-Look, der von der weißen Decke und dem weißen Fußboden eingeklammert wird. Gleichzeitig verschwimmen die Raumgrenzen. Die Inszenierung sorgt für einen sakralen Effekt, unterstützt durch das ohne Raumkanten angelegte Layout. Der sanfte Farbverlauf gibt dem Raum einen surrealen Charakter und könnte mit seinen perfekten Flächen auch ein Architekturrendering sein. Ähnlich wirkt der Thekenzaal, der auch mit Weiß-Blau-Kontrasten arbeitet, zwischen den Farben aber eine harte Linie durch den Raum zieht. Auf dem zum Fenster liegenden Drittel ist alles monochrom in Blau, der übrige Raum hingegen in Reinweiß bis Lichtgrau, vom Teppich über die Möblierung bis zu den akustisch beruhigenden Papierbögen zwischen den Röhrenleuchten. Die Huslylounge, ein ehemaliger Büroraum, nennen die Architekten von i29 ein „Gartenzimmer“. Die dominierende Farbe ist ein sonniges Gelb, das von goldenen Spiegelflächen reflektiert und durch großzügige Oberlichter vom Tageslicht unterstützt wird.
Die Geschichte als Hausgeist
Es ist eine eindrucksvolle Transformation, die das Haus Felix Meritis durchlaufen hat. Besonders spektakulär ist dabei die einfühlsame Intervention durch die beiden Architekturstudios. Die Geschichte bleibt erhalten und wird zum freundlichen Hausgeist des Gebäudes. Die Gegenwart ist der neue Bewohner, der zwar mit eigenem Mobiliar und modernen Ansprüchen eingezogen ist, der Vergangenheit aber Respekt zollt. Das Ergebnis ist Einklang. Ein Einklang mit der Geschichte, aber auch der Philosophie der Gründer der Felix Meritis-Gesellschaft, die sich für das progressive Denken stark machte, aber genauso den Respekt vor den Erkenntnissen und Errungenschaften der Vergangenheit forderte.
FOTOGRAFIE Ewout Huibers
Ewout Huibers
Auftraggeber | Amerborgh / Amerpodia |
Projekt | Cultuurhuis Felix Meritis Amsterdam |
Größe | 4500 qm |
Architektur | Math Architecten |
Restauration | Verlaan & Bouwstra |
Möbel | Lensvelt |
Konstruktion | SIDStudio |
Realisierung Interieur | Stooff |
Akustische Berater | Peuts / Level Acoustics |
Lichtberatung | Koen Smits |
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