Hier warten auch VIPs
1 / 4

Großzügiger wurden Patienten selten empfangen: Das Entrée des neuen Orthopädiezentrums des renommierten Sportmediziners Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München gleicht einem Saal. Ein überwältigender erster Eindruck. Soviel Großzügigkeit ist wohl angemessen: Zur Klientel des Arztes der Fußballnationalmannschaft gehören schließlich berühmte Kicker und andere Sportstars sowie Prominenz aus Politik und Unterhaltung. Auch die Gestaltung des Ausbaus stammt von einem prominenten Namen: dem britischen Architekten David Chipperfield.
Das Orthopädiezentrum residiert in einer 1.100 Quadratmeter großen Etage des „Lorenzistocks“, einem Gebäudeteil des Alten Hofs mitten in der Münchner Innenstadt hinter dem Rathaus – direkt neben dem berühmten „Dallmayr“-Haus aus der Fernsehwerbung. Der Alte Hof war die mittelalterliche Residenz der bayerischen Herrscher. Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, wurde das Ensemble nach dem Krieg wieder aufgebaut und zuletzt völlig neu instand gesetzt. Dabei war der deutsche Architekt Peter Kulka für den Umbau des Lorenzistock zum Geschäftshaus zuständig; die Gestaltung der Innenräume blieb jedoch den neuen Nutzern überlassen. Müller-Wohlfahrt bewundert die Architektur Chipperfields, und so ging der Auftrag an den Briten beziehungsweise an dessen Berliner Büro. Zu dem neuen Orthopädiezentrum gehören neben der Praxis von Müller-Wohlfahrt noch zwei weitere Orthopäden, eine Physiotherapie-Einrichtung mit zwei Therapeuten und eine Radiologie-Abteilung.
Noble Atmosphäre mit historischer Substanz
Die Gestaltung der Räume entwickelte sich über mehrere Monate im engen Dialog zwischen Architekt und Auftraggeber. Im Spannungsfeld zwischen Gesetzesvorgaben aus dem Gesundheitswesen, Denkmalschutzbestimmungen und den Wünschen der Nutzer entstand ein Konzept, das mit klaren Linien, wertvollen Materialien und aufwändigen Details eine noble Atmosphäre erzeugt. Die massiven Wände mit den tiefen Tür- und Fensterlaibungen verweisen auf das historische Gebäude; die Oberflächen jedoch sind alle neu. Bestimmende Gestaltungselemente sind der unbehandelte Dielenboden aus Eiche, die grauen Wandverkleidungen und Klappläden aus Holz und die doppelschaligen Glastrennwände. Zwischen die Glasscheiben liegt ein Stoff, der einerseits für Sichtschutz sorgt, andererseits dem Glas etwas von seiner Kühle nimmt.
Wartende VIPs, begeisterte Patienten
Die Etage hat einen L-förmigen Grundriss mit dem großzügigen, insgesamt rund 60 Meter langen Entrée als Hauptachse. Um das Entrée mit dem Empfangtresen und die Wartezone gruppieren sich die Räume der Physiotherapiepraxis und der Radiologie, außerdem die Büros der Mitarbeiter, ein Konferenzraum und ein abgetrenntes Wartezimmer für die VIPs, ausgestattet mit Sofaecke und riesigem Flachbildfernseher. Offensichtlich muss sogar die Prominenz gelegentlich auf ihren Arzt warten. Im kurzen Flügel der Praxis sind die Behandlungszimmer der drei Orthopäden untergebracht, die auffällig unspektakulär erscheinen. Die Zimmer sind recht klein und mit schlichten Möbeln ausgestattet. Lediglich der Ausblick auf die Türme der Frauenkirche und den Marienhof, eine innerstädtische Grünfläche, hebt die Räume heraus.
Claudio Jäger vom Team des Orthopädiezentrums erklärt die Dimensionen der Behandlungszimmer mit dem speziellen Grundriss der historischen Immobilie: „Wir hatten ein Platzproblem. Nur der Flur ist groß.“ Bei allen anderen Räumen musste an Fläche gespart werden. „Außerdem sollten die Zimmer der Ärzte nicht protzig wirken. Die ganze Praxis sollte einheitlich sein.“ Chipperfields erster Entwurf sprach eine andere Sprache: Dunkle Hölzer verbreiteten eine repräsentative, aber auch „drückende“ Stimmung. „Jetzt ist es frischer, das wirkt auch auf die Patienten.“ Die seien beinahe ausnahmslos von den neuen Räumen begeistert. „Der erste Eindruck ist meist: Man hat gar nicht das Gefühl, in einer Arztpraxis zu sein“, erzählt Jäger.
Großgeräte auf Gewölbedecken
Schwierigkeiten beim Umbau machte vor allem die medizinische Technik: In der Radiologieabteilung steht ein Magnetresonanztomograph (MRT), für den die Decken extra mit Stahlträgern verstärkt werden mussten. Dabei wurden alte Holzbalken und Gewölbe freigelegt, die wegen des Denkmalschutzes erhalten werden mussten. Um den MRT überhaupt in die Praxis schaffen zu können, wurden während des Umbaus zwei Fenster am Ende des langen Flurs zu einer einzigen großen Öffnung in der Wand vergrößert. Die Denkmalschützer forderten, anschließend wieder den alten Zustand der Fassade herzustellen. Da das Großgerät jedoch regelmäßig durch ein aktuelleres Modell ersetzt werden wird, das kaum kleiner ausfallen dürfte, können die beiden Fenster und die Wandfläche dazwischen jetzt komplett herausgenommen und wieder eingesetzt werden – eine Lösung, die auch die Denkmalbehörde zufrieden stellte.
Zur Eröffnung des Orthopädiezentrums ließ sich die Münchner Bussi-Gesellschaft blicken, inklusive der Stars vom FC Bayern. Sogar die Süddeutsche Zeitung nahm Notiz von dem Ereignis. Und auch künftig wird man die ein oder andere prominente Figur zum Alten Hof eilen sehen. Oder vielleicht eher an Krücken humpeln.
FOTOGRAFIE David Chipperfield Architects / MW Zentrum
David Chipperfield Architects / MW Zentrum
Links
Mehr Projekte
Arbeiten wie aus einem Guss
Fellowes stattet elf ergonomische Arbeitsplätze in der Hamburger Speicherwerkstatt aus

Inspirationen am Fleet
Neu gestalteter Showroom von Kinnarps in Hamburg

Eine Stadt aus Räumen
Kollaborativer Arbeitsort von Alberto Hueso in Spanien

Tabula Casa
Die inspirierenden Studioräume von Nerea Apraiz in Bilbao

Nachhaltig auf allen Ebenen
Intelligente Lichtlösungen für den Bürokomplex Tripolis-Park in Amsterdam

Arbeiten in neuem Licht
BOS hat das eyeo-Büro in Berlin als Stadtrundgang inszeniert

Architekturwandel an der Alster
Umbau der BAT-Hauptverwaltung in Hamburg durch Ratschko Architekten

Kreative in der Konservenfabrik
Zirkuläres Büro-Interieur im belgischen Leuven von tweestroom

Büro auf Abruf
Meeting Suites by Bene in Wien

Rohbaucharme und Ruhezone
Modernes Bürokonzept von Delta Pods im Sky Park Bratislava

Bestand und Weitblick
Nachhaltige Transformation des DUO Towers in Düsseldorf durch DJH Architekten

Massivholz und Mixed-Use
Die Team 7 Welt von Matulik Architekten mit Vestre-Outdoormöbeln

Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Zukunft im Industriedenkmal
PLY Atelier gestaltet Ramboll-Office in den Berliner Wilhelm Hallen

Kalifornische Moderne
Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Zwischen White Cube und Colour Blocking
Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Flexibles New-Work-Office
Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Zirkuläre Metamorphose
Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Neue Rohheit
Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Mut zur Veränderung
INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

Alles im Kasten
Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Design à la campagne
Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach
Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik
Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise
Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon
Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau
Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte
Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne
Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte
