Hightech im Kuhstall
Urlaub am Arbeitsplatz: Die Dependance einer Tokioter IT-Firma dient der Besinnung aufs Wesentliche.

Japans Arbeitskultur ist bekannt als eine der weltweit aufreibendsten, geprägt von Überstunden und strengen Hierarchien. Das es auch anders geht, beweist ein Tokioter IT-Unternehmen, das seinen Mitarbeitern eine Zweitdependance auf der Insel Shikoku errichten ließ, weit entfernt vom Stress der Metropole. Zur Besinnung trägt hier nicht nur die Bilderbuchlandschaft der Präfektur Tokushima bei, sondern auch der unmittelbare Kontext des neuen Büros: ein 100 Jahre alter Kuhstall.
Seit 2010 stand der historische Bauernhof leer: Der Architekt Issei Suma hätte das Ensemble auch abreißen können, entschied sich aber für den Erhalt. Den benötigten Büroraum schob er als aussteifende Konstruktion in das marode Gebälk hinein.
Architektonische Zauberei
Gelangt man über einen der ungepflasterten Wege, die sich durch die wie gemalt wirkende Landschaft Tokushimas schlengeln, zu dem alten Bauernhof am Rande der kleinen Ortschaft Kamiyama, bietet sich ein surrealer Anblick: Zwischen den maroden Bauten, die jeden Moment auseinanderzufallen drohen, steht ein weiteres Holzhaus, das von innen heraus zu strahlen scheint. Dabei ist von außen kaum auszumachen, was diesen Effekt hervorruft. Tritt der Besucher näher an das Gebäude heran, offenbart sich die architektonische Zauberei. In dem ehemaligen Kuhstall sitzt, passgenau eingefügt, eine minimalistische Glas-Stahl-Konstruktion. Durch ihre Transparenz ist sie auf den ersten Blick kaum wahrzunehmen. Eine Wirkung, die sich der Architekt genau so für den Büro-Satelliten einer IT-Firma aus Tokio gewünscht hatte.
Keine Hektik, viel Technik
Der Bauherr wollte seinen Mitarbeitern mit dem Umbau des Kuhstalls in ein Büro einen Ort der Zuflucht bieten, weit weg vom hektischen Alltag der Großstadt. Wer in dem Unternehmen eine Auszeit benötigt, kann sich einfach in den Flieger setzen und nach wenigen Stunden eine andere Welt betreten – auch wenn es eine Arbeitswelt bleibt. Die digitale Infrastruktur der Dependance ist die gleiche wie im Hauptsitz, wodurch ein nahtloser, technischer Übergang von einem Standort zum anderen gewährleistet ist. Und auch räumlich hat die Koya genannte Bürofläche mehr zu bieten, als die 40 Quadratmeter von außen erahnen lassen: Es gibt vier Arbeitsplätze sowie einen separaten Besprechungsraum.
Kuhstall und Kollaps
Die alte Holzkonstruktion blieb vollständig erhalten: „Das Stahlskelett sitzt völlig losgelöst vom Kuhstall“, erklärt Issei Suma seine Vorgehensweise. „Aber im Falle einer Katastrophe oder eines Kollapses des Altbaus funktioniert es wie eine Art Schlussstein, der die 100 Jahre alte Struktur vor dem Einstürzen bewahren wird.“ Die Zerbrechlichkeit des Altbaus machte es unmöglich, ihm auch nur die kleinste, zusätzliche Anstrengung zuzumuten. Daher konzipierte der Architekt eine robuste Hülle aus dünnen Stahlträgern. Die Vollverglasung sorgt nicht nur für Schutz vor Wind und Wetter, sondern durch die transparente Hülle wird die historische Substanz in den Fokus der Mitarbeiter gerückt. Und auch an Komfort sollte es ihnen nicht fehlen, weshalb in die Bodenplatten eine Fußbodenheizung integriert wurde. „Sollte das Dach des Kuhstalls undicht werden, wird das niemanden bei der Arbeit stören“, freut sich Suma. „Niemand wird hier nass oder muss frieren!“
Weitere Antworten auf die Fragen zur Arbeitswelt der Zukunft finden Sie in unserem großen Special zur Orgatec 2016.
FOTOGRAFIE Yasuyuki Deguchi
Yasuyuki Deguchi
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