Im Walbauch
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Millionen von Büchern, Milliarden von Seiten: All dies findet heute Platz in einer halben Hosentasche. Wofür also der Literatur noch Tempel bauen? Im digitalen Zeitalter mutet der Neubau einer Bibliothek ohne Frage anachronistisch an. Und doch sterben die Lesesäle nicht aus, werden Jahr für Jahr in den Städten und Gemeinden neue errichtet. Warum also setzt sich das Prinzip beharrlich durch, obwohl es sich eigentlich überlebt hat? In der kleinen Stadt Vennesla im Süden Norwegens ist man überzeugt die Antwort zu kennen: Bibliotheken sind Orte der Kommunikation, der Kontemplation und der Gemeinschaft – eine Art Marktplatz des Wissens, auf dem interagiert und auch studiert wird.
Die Rolle der Bibliothek für das öffentliche Leben hat sich gewandelt. Früher kamen die Schulkinder für Lesefibeln, die Erwachsenen für Unterhaltung oder auf der Suche nach Spezialwissen. Den ganzen Tag verbrachten die Studenten hier, die ihre Semesterapparate zusammentrugen, sich hinter Mauern aus Wälzern und Heftchen verbarrikadierten und an den Gemeinschaftstischen von morgens früh bis spät in die Nacht arbeiteten – unterbrochen nur von kurzen Pausen in der Cafeteria. Die Studenten kommen immer noch – allerdings heute immer weniger wegen der Bücher. Sie schätzen die Ruhe und den Mangel an Ablenkung, die Telefon, Kühlschrank und WG zu Hause bedeuten. Und nicht nur sie, auch die anderen Zielgruppen vergangener Tage schauen noch vorbei. Nicht jeder Besucher wirft dabei einen Blick in ein Buch. Bibliotheken sind heute Orte der Entschleunigung, aber auch Treffpunkt und meditativer Arbeitsplatz: Immer noch sind Lesesäle Ruhezonen, in denen kein Telefon klingeln darf und selbst eine geflüsterte Unterhaltung mit strafenden Blicken quittiert wird.
Bibliothek mit Mehrwert
Vennesla ist ein kleines norwegisches Städtchen in der Nähe der Küstenstadt Kristiansand und zählt gerade einmal 2000 Einwohner. Als die Entscheidung für den Bau einer Bibliothek fiel, beschlossen die Verantwortlichen gleichzeitig, mit der Architektur auf dieses veränderte Nutzerverhalten einzugehen. Man forschte nach, indem Mitarbeiter und Besucher zu ihren Vorstellungen und Wünschen befragt wurden. Das schließlich realisierte Gebäude beherbergt deshalb nicht nur Bücherregale, sondern ebenso ein Café, öffentliche Bereiche für Meetings, ein Kino sowie eine Erwachsenenbildungsstätte. Und auch der Name Library and Cultural House zeigt den neuen Anspruch: Die klassische Nutzung wird ein-, aber weitere Kultur nicht ausgeschlossen.
Licht und Luft aus einem Schacht
In Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ökobilanz sollte das neue Gebäude vom Architekturbüro Helen & Hard, das sich an zwei bestehende angliedert, Maßstäbe setzen. Um den Energieverbrauch zu reduzieren, installierte die Stadt eine Erdwärmepumpe, die alle drei Teile des Gebäudes versorgt. Bei der Belüftung sind natürliche und mechanische Systeme kombiniert: Die Luft wird bodennah eingeblasen, durch Schächte in den Gebäuderippen nach oben geführt und an der Decke wieder in den großen Lesesaal eingeleitet. Diese sanft gebogenen Rippen definieren die Form des architektonischen Körpers und erinnern an die Rippen eines Walskeletts oder die Spanten eines Holzbootes. Sie ziehen sich von der Decke über die Wände bis in den Hauptraum, wo sie zuerst zu Sitzkojen und Bücherregalen werden und dann in einer Bank „auslaufen“. Diese Raumteiler zonieren den großen Saal, indem sie ihn in kleinere, intime Lesebereiche teilen.
Zudem beleuchten die Streben den Raum: Einerseits durch integrierte elektrische Lichtquellen, die sie zu Leuchtbändern werden lassen, andererseits durch Fenster, die sich direkt an diese anschließen und die natürliche Lichtquelle dynamisch mit der künstlichen verbinden. Holz ist das dominierende Material des Innenraums und sorgt neben einer warmen Atmosphäre auch für eine gute Akustik. Die Streben als sich rhythmisch wiederholende Elemente werden so zum tragenden „Arteriensystem“ des Gebäudes – als statische Konstruktion, Infrastruktur und Möblierung.
FOTOGRAFIE Emile Ashley
Emile Ashley
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