Kirchenschiff mit Meerblick
Sensibler Umbau von Tuckey Design Studio in Devon

Die Liebe zur sattgrünen und sanft hügeligen Landschaft Südenglands bewog ein Paar dazu, ein ehemaliges Gotteshaus zu seinem dauerhaften Wohnsitz zu machen. Tuckey Design Studio aus London gelang die gekonnte Verbindung von Spitzgiebelfenstern, Kücheninsel und einer schwebenden Schlafzimmerenklave.
Mit abnehmender Anhängerschaft bleibt so manches christliche Gotteshaus leer. Viele Kirchen werden zu Treffpunkten der Gegenwart konvertiert. Sie beherbergen nun Supermärkte, Fitnessstudios, Bibliotheken und manchmal sogar Wohnraum. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in Großbritannien. Die anglikanische Kirche hat auf den Inseln eine lange Tradition. Sie hat über die Jahrhunderte hinweg auch in den kleinsten Dörfchen Kathedralen errichtet – und steckt aktuell aufgrund der Marktbedingungen mitten im Prozess des Downsizing. Eine der ausgemusterten Dorfkapellen steht im äußersten Südwesten Großbritanniens, in einem kleinen Dörfchen in der Grafschaft Devon an der Grenze zu Cornwall. Zu Fuß geht es zur breiten Sandbucht Bantham Beach hinab, im Landesinneren liegen die sanften Hügel des Dartmoor National Park. Eine idyllische Szenerie, die ein Ehepaar wieder und wieder an diesen Ort zog. Erst für Urlaube, dann kauften sie sich ein Ferienhaus, jetzt wollen sie für immer bleiben.
Freigelegte Geschichte
Ihr neues Zuhause ist die besagte kleine Kapelle, die Old Chapel. Erbaut wurde sie im frühen 20. Jahrhundert, umgenutzt und umgebaut einmal in den Siebziger- und einmal in den Neunzigerjahren. Das Ziel der beiden baulichen Veränderungen war allerdings nicht das Herausarbeiten der räumlichen Qualitäten, sondern die günstige Erschließung des sakralen Layouts für alltägliche Nutzungen. Entsprechend nüchtern war das Ergebnis. Als „banal“ beschreibt Jonathan Tuckey, Gründer von Tuckey Design Studio aus London, den vorgefundenen Bauzustand. Abgehängte Decken und Gipskartonwände hatten die Geschichte maskiert und die Räume neutralisiert. Mit seinem Studio, das sich bei vielen seiner Projekte der sensiblen Umnutzung widmet, wurde er von den neuen Eigentümer*innen mit dem Umbau in ein Wohnhaus beauftragt. Der erste Schritt war für ihn offensichtlich: Alles muss raus.
Nachhaltig und zukunftssicher
„Wir wollten das, was das Gebäude zu bieten hatte, nutzen und restaurieren, anstatt es abzureißen oder umfassend zu verändern“, erzählt Tuckey. Er legte die Geschichte frei, plante aber auch für die Zukunft mit. Die Umgestaltung wurde mit Augenmerk auf ökologische Aspekte angegangen, etwa im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch und die Energiebilanz des fertigen Gebäudes. Die ungedämmte Hülle wurde ebenso wie Decken und Böden mit Steinwolle versehen und mit einer Gipsplatte abgeschlossen. Auf dem Dach hängen jetzt Sonnenkollektoren und die einfachen Fenster wurden durch eine Doppelverglasung ersetzt. Bei den aus dem Bestand entfernten Materialien bemühten sich die Planenden um den unmittelbaren Wiedereinsatz. Einige der Dielen konnten aufgearbeitet und neu verlegt werden. Der Putz wurde an vielen Stellen nur ausgebessert. Was sich nicht auf der Baustelle fand, wurde auch nicht im Katalog, sondern auf dem Recyclinghof gesucht. Gefunden wurden dort die Fensterläden, die Holzbretter für die Einbauten, Ziegel für die Treppe und die Küchenarbeitsplatte.
Das fliegende Schlafzimmer
Die Kapelle verfügte nur über wenige Fenster. Deshalb wurde die Fassade weiter geöffnet und ein verglaster, eingeschossiger Anbau angeschlossen. Er erweitert das Erdgeschoss, in dem vier kleine Schlafzimmer, vier Bäder sowie eine Arbeitsnische und ein Innenhof untergebracht sind. Mit kalkverputzten Wänden, darin integrierten Nischen, Deckenbalken und der durchgängigen Verwendung von Holz bei Einbauten, Türen und Böden wirkt diese Etage mit ihrer gestalterischen Askese wie die Klausur eines Klosters. Das darüber liegende Geschoss des Wohnbereichs ist ein Kontrast. Die gesamte Fläche mit Kochinsel, Lounge und Esstisch wurde offen gestaltet, die Spitzbogenfenster und das frei liegende Mauerwerk erinnern an die Geschichte des Hauses. Einzig über der Küche wurde ein Sperrholzeinbau in das ehemalige Kirchenschiff eingezogen. Er beherbergt ein Schlafzimmer und ein Arbeitszimmer. Außerdem bietet er den Bewohner*innen ein einsames Refugium, wenn das Erdgeschoss von Freund*innen der Familie belegt ist.
FOTOGRAFIE James Brittain James Brittain
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