Londoner Arbeitslaube
Minibüro von Boano Prišmontas
„Gestalterische Berufe sind schön, werden aber oft als überflüssig angesehen“, sagen Tomaso Boano und Jonas Prišmontas, die ein Architekturbüro in London leiten. Auch sie hat die Corona-Krise getroffen. Die beiden Planer nutzten die Zeit, um ihr mobiles Homeoffice weiterzuentwickeln. Es könnte die Arbeitswelt revolutionieren.
My Room in The Garden nennt sich die Miniarchitektur von Tomaso Boano und Jonas Prišmontas, mit der sie sowohl Unternehmer als auch Privatpersonen ansprechen wollen. Sie sei eine Antwort auf die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten könnten, sagen die jungen Kreativen, die sich schon länger mit mobilen Minihäusern befassen. 2016 entwarfen sie Minima Moralia, ein Pop-up-Büro mit transparenten Wänden. Dass mit dem Ausbruch von Corona plötzlich eine ganz konkrete Nachfrage nach neuen Arbeitsmodellen und architektonischen Konzepten einhergehen würde, war damals noch nicht absehbar.
Eigene vier Wände
Vor allem in Metropolen mit begrenztem Wohnraum kann die Verlegung des Arbeitsplatzes in die eigene Wohnung zur Belastung werden. Der Lockdown dieser Tage hat viele Berufstätige spüren lassen, wie wichtig die eigenen vier Bürowände sein können. Das Londoner Architekten-Duo erkannte das große Bedürfnis nach mehr räumlicher Zurückgezogenheit. Allerdings fanden Boano und Prišmontas die Lösung nicht im Gebäude, sondern davor und draußen: in den Gärten und Innenhöfen der britischen Hauptstadt.
Modulares Konzept
Sogar Dächer und kleine urbane Grünflächen könnten sich als Standort für das kompakte Fertighaus eignen, meinen sie. Alles, was es braucht, ist eine vier Quadratmeter große Grundfläche. Damit nimmt die kleinste Einheit des Raumkonzepts kaum mehr als die Fläche eines durchschnittlichen Fahrstuhls ein. Allerdings können die Module beliebig erweitert werden. Lediglich die Höhe von 2,5 Metern wird nicht überschritten, um die Notwendigkeit einer Baugenehmigung zu umgehen.
Das Puzzle-Prinzip
Boano und Prišmontas strebten eine Balance aus Gemütlichkeit und Erschwinglichkeit an, aber auch Skalierbarkeit und Flexibilität spielten eine Rolle. Hinzu kommt ein einfaches Konstruktionsprinzip, mit dem das Gebäude aus digital hergestellten Modulen an nur einem Tag – wie ein Puzzle – zusammengesetzt werden kann. Während seine Struktur aus Birkensperrholz besteht, wurden die Fensteröffnungen mit transparenten Wellplatten aus Kunststoff umgesetzt. Sie lassen Licht ins Innere und ermöglichen Blicke in die Umgebung. Bei einer höherwertigen Variante des Bürokonzepts kommen isolierte Wände, Dächer und Böden zum Einsatz.
Kreativ in der Krise
Das hauptsächlich verwendete Holz und die abgerundeten, reduzierten Formen sowie die Verwendung von Spiegelflächen auf der Fassade lassen den winzigen Bürobau dezent in der Umgebung verschwinden. Im Innenraum kann zwischen Holz- oder Spiegelflächen gewählt werden. Zusätzlich bieten die Architekten ein hölzernes Stecksystem an, mit dem sich effizient und flexibel verschiedene Raumstationen gestalten lassen. So finden Regale, Ablagen oder ein Schreibtisch Platz, die nach Belieben immer wieder verändert werden können.
Mit diesem durchdachten Konzept wird My Room in The Garden zu einer nutzerfreundlichen und vielseitigen Architektur, die vermutlich nicht nur zum Arbeiten, sondern auch für Freizeitaktivitäten gerne genutzt wird. In jedem Fall aber führen Tomaso Boano und Jonas Prišmontas mit diesem Projekt die Relevanz der Kreativbranche vor Augen: Sie wartet selbst – oder vor allem – in Krisenzeiten mit funktionalen, ästhetischen und lebensbereichernden Ideen auf.
FOTOGRAFIE Boano Prišmontas
Boano Prišmontas