Modulares für Mobiles
Ein Campus im Campus von Alexander Fehre

Ein Neubau trifft auf ein Bestandsgebäude, ein multinationales Traditionsunternehmen auf seine dynamische Tochterfirma und die Mitarbeiter*innen suchen nicht nur Stillarbeit, sondern auch den kommunikativen Austausch. Als alles verbindende Klammer fungiert das Interieur von Alexander Fehre. Mit individuell gestalteten Möbeln und einer hyperflexiblen Einrichtung wird der Innenarchitekt allen Ansprüchen seines Auftraggebers Bosch Engineering gerecht – und schafft für die Mitarbeitenden ein Büro, das durchaus Spaß macht.
Die Gemeinde Abstatt liegt in Baden-Württemberg, ein paar Kilometer östlich von Heilbronn. 5.000 Einwohner*innen leben dort. Unmittelbar vor den Stadtmauern steht allerdings eine Niederlassung, die tagsüber noch mehr Menschen anzieht. Das Unternehmen Bosch hat 2004 einen Entwicklungsstandort in die schwäbischen Wiesen bei Abstatt gestellt und macht mit seinen knapp 6.000 Mitarbeiter*innen aus 51 Nationen den verschlafenen Ort zum internationalen Work-Hub. Zuletzt hat Alexander Fehre, der sein Innenarchitekturbüro in Stuttgart führt, zwei Gebäude des Campus für den Bereich Engineering eingerichtet. Das Gebäude mit der Nummer 301 gehörte zum Bestand, die Nummer 204 wurde neu gebaut. Entsprechend unterschiedlich waren die Vorraussetzungen. Durch das Interieur aber werden die beiden Büros zu einer Einheit. Berücksichtigt hat Fehre bei der Gestaltung außerdem das Arbeitsfeld: Die Ingenieure forschen und entwickeln im Bereich der Elektromobilität.
Camouflage als Stilelement
Das Interior beider Häuser ist eine Hommage an die Fahrzeugindustrie. Es gibt direkte Referenzen, wie die ausgestellten Automodelle und Bauteile im Empfangsbereich des Bestandsgebäudes 301, aber auch dezente Anleihen aus dem Universum von Mobilitäts-Liebhaber*innen. Die Treppe ins Obergeschoss changiert zwischen Gelb und Grün und erinnert damit an die Flip-Flop-Lackierungen von Tunern, hier und da finden sich Details aus Metall und einige Glasflächen wurden mit einem Dazzle-Muster versehen, abgeleitet von den sinnesverwirrenden Oberflächendekorationen der Erlkönig-Automodelle. Auch die hölzerne Tribüne im Meetingbereich erinnert an Formel 1, verweist aber zugleich auf ein weiteres Thema des Büros: die hybride Nutzung. „Off-Grid“ nennen die Innenarchitekt*innen des Studios Alexander Fehre ihr Konzept. Sie meinen damit das allgegenwärtige Nebeneinanderbestehen von Kollaboration und individuellem Rückzug. Die Mitarbeitenden haben zu jeder Zeit die Möglichkeit, allein zu arbeiten, in Projektgruppen zu sitzen oder sich in wechselnden Konstellationen zu treffen. Schulungen, Meetings, Konferenzen, Ausstellungen, Workshops, Events und Kundenpräsentationen sind bei Bosch Engineering an der Tagesordnung – und die Büroflächen sind darauf ausgelegt, auf jede Situation zu antworten.
Vom Automobil zum mobilen Büro
Die Zielsetzung fürs Mobiliar lautete: maximale Flexibilität. Das Studio Alexander Fehre verließ sich bei der Einrichtung nicht auf standardisierte Programmmöbel, sondern entwarf eigene Lösungen, die technische Innovation mit einem spielerischen Charakter verbinden. Dazu gehören verschieb- und verschiebbare Stellwände, die mit Textil bezogen und gepolstert sind. Sie wirken sich positiv auf die Akustik im Raum aus, lassen sich zu temporären Wänden zusammenschieben – und erinnern mit einem Oberflächengitter aus Gurten an Sitzbänke in Fahrzeugen. Auch die kleinen gelben Beistelltischchen aus transparentem Acrylglas sind einzeln oder in arrangierten Gruppen nutzbar. Die sechseckigen Module lassen sich durch ihre dreieckige Grundform zueinander versetzt in Reihe bringen oder zu den Schmalseiten ausgerichtet in Kreisformationen stellen. Gleichzeitig sind sie ästhetisch ein Blickfang, denn sobald sie im Licht stehen, bündeln die Kanten die eingefangenen Strahlen und lassen die Silhouetten leuchtend hervortreten.
Möbel als Multifunktionstalente
Nahezu alle maßgeschneiderten Möbelmodule lassen sich als Solisten einsetzen oder zu einem Arrangement zusammenstellen. So auch die schwarzen Stehtische aus der Feder von Fehre. Sie liegen auf einer Basis aus gefaltetem Stahlblech, sind mit matten Fenix-Platten belegt und greifen die Form der gelben Acryl-Beisteller auf. Der systematische Ansatz sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden entscheiden können, wie die Flächen wann genutzt werden. Mit wenigen Handgriffen wird aus dem Workshop-Szenario eine Vortragssituation oder aus dem Showroom eine Präsentations-Lounge. Einige wenige Funktionsbereiche allerdings sind fest zugeschrieben. Dazu gehört die große Tribüne, die als Herzstück des Neubaus Treffpunkt und Kreativinsel ist, aber auch das monochrom silbergrau gehaltene Computerlabor. Die Innenwände des Labors sind komplett mit gelochten und weiß hinterleuchteten Aluminiumpaneelen verkleidet, die an Platinen oder Lochkarten erinnern. Besucher*innen fühlen sich quasi ins Innere eines Großrechners versetzt – und können sich an den Bildschirmen Fahrzeugsimulationen vorführen lassen. Studio Alexander Fehre gelingt damit der Spagat, der zum jungen und dynamischen Tochterunternehmen passt – zwischen ernsthaftem Workspace und verspielten Momenten.
FOTOGRAFIE Philip Kottlorz Philip Kottlorz
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