Projekte

Parabel vom Paraboloid

Illustre Architektenrunde in verkehrten Rollen: Das neue Londoner Design Museum ist die Geschichte verpasster Chancen.

von Tim Berge, 22.11.2016

Vom Walkman zum iPhone, vom Gucci-Tennisschuh zum Louboutin-Highheel, vom ersten U-Bahn-Waggon zum selbstfahrenden Tesla: Das gerade eröffnete Londoner Design Museum bietet eine Reise durch die Welt der Gestaltung und präsentiert seinen Besuchern über tausend Objekte, die unser Leben geprägt haben oder in Zukunft formen werden. Nur Rem Koolhaas und John Pawson hätten bei diesem Projekt vielleicht besser ihre Rollen tauschen sollen.

Die Geschichte des Ausstellungshauses beginnt weitaus früher und erzählt viel über die Zeit, in der wir leben. Das Haus, vormals der Sitz des Commonwealth Institute, stammt aus den frühen Sechzigerjahren. Sein markantes Kupferdach mit der Struktur eines hyperbolischen Paraboloids machte das Bauwerk zu einem Denkmal der Moderne. Und genau dieser Status rettete das Gebäude 2002 vor dem Abriss.

Illustre Runde
Ein privater Investor kaufte 2007 das Areal rund um den Institutsbau und sicherte den Erhalt des Hauses unter der Bedingung zu, den restlichen Bestand abreißen und durch Luxusapartments ersetzten zu dürfen. Als Planungsteam holte er sich OMA und als deren Londoner Partner das Architekturbüro Allies and Morrison ins Boot sowie John Pawson als Gestalter der Innenbereiche des Museums. Eine illustre Runde, die viele Architekturinteressierte aufatmen ließ. Das Büro um Rem Koolhaas wurde mit der Planung der drei Wohnbauten beauftragt: Diese gruppieren sich als würfelförmige Kuben um den Museumsbau herum, dessen enges Fassadenraster sie in einer Natursteinvariante übernehmen. Die Strenge wird an einigen Stellen durch vor- und zurückspringende Volumen durchbrochen, die den Häusern einen regalartiges Äußeres verleihen: Terrassen als überdimensionale Schubladen.

Kurve wird Gerade
John Pawsons Kerneingriff in die Substanz des 50 Jahre alten Hauses war das Einfügen eines rechteckigen Atriums, das von Treppen und offenen Gängen gesäumt wird, die zu den unterschiedlichen Museumsbereichen führen. Unten finden sich die temporären Ausstellungen, oben die permanente. Dazwischen befinden sich Galerie- und Lehrräume, Restaurants, Bibliothek und Büros. Der Architekt wollte mit seiner Gestaltung „ein schönes Haus, in dem sich die Leute wohlfühlen“ schaffen, wie er erklärt. Dazu setzte er auf eine symmetrische Formensprache, edle Oberflächen wie Eiche und Glas sowie jede Menge indirektes Licht. Pawson schafft mit seiner Gestaltung zwar einen wirklich schönen und an manchen Stellen auch beeindruckenden Museumsraum – doch ob das ausreicht für ein zeitgenössisches Ausstellungshaus für Design? Die alte Substanz scheint den Architekten wenig interessiert zu haben: Aus Kurven und merkwürdigen Winkeln macht der britische Planer gerade Linien und nahezu alle Originaloberflächen wurde ersetzt oder verkleidet, mit Ausnahme der spektakulären Dachkonstruktion.
Interessant wäre es gewesen, die Rollen der beteiligten Planer zu tauschen: John Pawson als Architekt der Luxus-Apartments, OMA als Gestalter des Museums. Gerade Rem Koolhaas, mit seiner Vorliebe für die Architektur der Sechzigerjahre und mit seinem Talent für großartige Ausstellungskonzepte, kommt der Idealbesetzung für den Umgang mit einem Haus dieser Bedeutung und eines Designmuseums in London doch sehr nahe. Und John Pawson – Meister ruhiger und schön anzuschauender Architektur –  hätten die drei Wohnhäuser mit ihren 58 Luxusapartments sicherlich auch gelegen. Das Londoner Design Museum ist ein gelungener Ausstellungsort, der gleichzeitig so viel mehr hätte sein können.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekt

OMA | Rem Koolhaas

www.oma.eu

Projektarchitekt

John Pawson

www.johnpawson.com

Projektarchitekt

Allies and Morrison

www.alliesandmorrison.com

Mehr Projekte

Schauraum im Schankraum

Bristoler Braustube von Studio B

Bristoler Braustube von Studio B

Tokioter Schlafkapsel

Eine ungewöhnliche Raum-im-Raum-Lösung von Takehiko Suzuki

Eine ungewöhnliche Raum-im-Raum-Lösung von Takehiko Suzuki

Fashion ohne Fassade

Modegeschäft Nakagami von Suppose Design Office in Tokio

Modegeschäft Nakagami von Suppose Design Office in Tokio

Atmosphärisch und funktional

Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Lichtkonzept für das Berliner Spore Haus von Licht Kunst Licht

Leuchtende Architektur

RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

RHO gestaltet einen flexiblen Eventspace in Berlin

Grüner Faden

Studio Wok gestaltet hybrides Lokal Pan Milano

Studio Wok gestaltet hybrides Lokal Pan Milano

Stein auf Stein

Mallorquinisches Wohnhaus aus Ziegeln von Nøra Studio

Mallorquinisches Wohnhaus aus Ziegeln von Nøra Studio

Ein sportliches Haus

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Das neue Headquarter von Spillmann Echsle für On Running

Kupferkleid auf Beton

Mehrfamilienhaus von Edition Office im Nordosten von Melbourne

Mehrfamilienhaus von Edition Office im Nordosten von Melbourne

Inspiriert von Japan

Rückzugsort in Australien von Dane Taylor Design

Rückzugsort in Australien von Dane Taylor Design

Neustart im Altbau

Eine posthumane KI-Intervention in Valencia

Eine posthumane KI-Intervention in Valencia

Griechischer Garten

Ferienhütte im Grünen von Alexandros Fotakis und Nicoletta Caputo

Ferienhütte im Grünen von Alexandros Fotakis und Nicoletta Caputo

Moderne Großstadtküchen

Fünf außergewöhnliche Projektbeispiele

Fünf außergewöhnliche Projektbeispiele

Eine runde Sache

Dries Otten baute in Belgien eine Stadtwohnung um

Dries Otten baute in Belgien eine Stadtwohnung um

Ton in Ton

Neubau aus Naturmaterialien von MESURA in Spanien

Neubau aus Naturmaterialien von MESURA in Spanien

Ein Raum außer Sichtweite

Aesop-Store von Barozzi Veiga in Barcelona

Aesop-Store von Barozzi Veiga in Barcelona

Dreiteiliges Familiendomizil

Mostlikely baut im österreichischen Klosterneuburg

Mostlikely baut im österreichischen Klosterneuburg

Mit dem Wald wohnen

Carlo Berlin baut eine Scheune im Brandenburger Forst um

Carlo Berlin baut eine Scheune im Brandenburger Forst um

Wohnen im Weiler

Schweizer Wohnscheune von BE Architektur

Schweizer Wohnscheune von BE Architektur

Zurück zur Pracht

Akurat restauriert ein Apartment in Danzig

Akurat restauriert ein Apartment in Danzig

Geflieste Exzentrik

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Das neue Büro des kanadischen Fashion-Studios M.A.D.

Blaue Blöcke

Neugestaltung eines Friseursalons von Gon in Madrid

Neugestaltung eines Friseursalons von Gon in Madrid

Raum für die Natur

Das kykladische Piperi House von Sigurd Larsen

Das kykladische Piperi House von Sigurd Larsen

Griechische Moderne

Designhotel Ammos auf Kreta

Designhotel Ammos auf Kreta

Mit Gio Ponti träumen

Designhotel Palazzo Luce in Lecce

Designhotel Palazzo Luce in Lecce

Literarischer Pool

Water Drop Library von 3andwich Design im chinesischen Huizhou

Water Drop Library von 3andwich Design im chinesischen Huizhou

Cardio im Wunderland

Ein Salzburger Fitnessclub von Masquespacio

Ein Salzburger Fitnessclub von Masquespacio

Neue Dimensionen

Erlebnisrestaurant in Rust von Atelier 522

Erlebnisrestaurant in Rust von Atelier 522

Die Erde über dem Himmel

Bruno Spaas’ monochrome Wohnvision in Antwerpen

Bruno Spaas’ monochrome Wohnvision in Antwerpen

Pure Materialität

Vives St-Laurent belebt die Montpellier-Residenz in Quebec

Vives St-Laurent belebt die Montpellier-Residenz in Quebec