Planung mit Hindernissen
Wohnhaus von Atelier Local in Portugal

„Weniger ist genug“, lautete die gestalterische Prämisse von Atelier Local bei der Planung eines Einfamilienhauses im portugiesischen Ancede. Mit ungewöhnlichen Ideen, einer Material- und Farbvielfalt sowie genialen Naturbezügen sparten die Architekt*innen trotzdem nicht – und sie passten den Entwurf immer wieder an widrige Umstände an.
Es gibt sie noch, die Entwürfe jenseits des beige-grauen Skandi-Einerleis. Einen solchen realisierte das junge Architekturbüro Atelier Local kürzlich in Ancede bei Porto. Die Region zeichnet sich durch bewaldete Berge und Täler aus. Auch das Baugrundstück befindet sich an einem steilen Abhang, genauer gesagt in einem ehemaligen Steinbruch. Nachdem das Areal mehrmals von Waldbränden heimgesucht wurde, ist es jetzt Teil eines Naturschutzgebiets. Für die Planung des Einfamilienhauses bedeutete das, dass die bebaubare Fläche von ursprünglich 300 auf 60 Quadratmeter schrumpfte. Gab es anfangs noch die Idee, ein baufälliges Steinhaus zu erweitern, erwies sich dieser Plan bald als haltlos. Stattdessen verwendeten die Architekt*innen möglichst viele Materialien aus dem Bestand, um Ressourcen und gleichzeitig Kosten zu sparen. Unter anderem bestehen die Stützmauern des Neubaus aus den Originalsteinen der Ruine.
Nachhaltige Materialien
Dem ökologischen Gedanken folgt auch die Materialauswahl. Das Haus wurde mit Kork gedämmt. Die Dach- und Rahmenkonstruktionen bestehen aus maßgefertigten Holzbalken. Einfache Alu-Fensterrahmen ließen die Architekt*innen in einem charakterstarken Rot streichen. Wasserabweisendes MDF verwendeten sie für Einbauten wie die Küchenzeile und die Bänke vor den Fenstern. Details wie die Türgriffe hingegen ließen sie nach eigenem Design herstellen. Mehrfach planten die Gestalter*innen das Gebäude um und passten es schlussendlich an die Kompetenzen eines lokalen Bauunternehmers an. Die Bauzeit war auch sonst nicht arm an Herausforderungen: Die Pandemie, unterbrochene Lieferketten sowie Material- und Fachkräfteknappheit ließen vom ersten Entwurf bis zur Fertigstellung fünf Jahre verstreichen
Ungewöhnlicher Grundriss
Von außen erinnert das dreistöckige Gebäude an den Prototyp eines Satteldachhauses, bestehend aus zwei im rechten Winkel zueinanderstehenden Korpussen. Die wahre Raffinesse des Baus zeigt sich erst im Inneren. Das House in Ancede betritt man durch das oberste Geschoss mit der Küche. Der sichtbare Dachstuhl mit Oberlichtern gibt dem Raum eine großzügige Atmosphäre. Ein bodentiefes Fenster stellt den Bezug zur Natur her und rahmt sie wie ein Bild. In den unteren Geschossen arbeiteten die Architekt*innen mit Trennwänden aus Glasbausteinen, um das Licht auch in die bergseitig gelegenen Räume vordringen zu lassen. Bullaugen verwandeln die Schlafzimmer in gemütliche Kojen. Im Wohnraum im zweiten Untergeschoss lenkt ein besonders großes Rundfenster den Blick ins Tal. Die terrassierten Außenbereiche mit ihren alten Steinmauern erinnern an den Bestand und stehen im Kontrast zur glatt verputzten Fassade.
Wenn nicht so, dann eben so: Dieser Devise folgend, hat Atelier Local mit seinem House in Ancede ein Gebäude geschaffen, das sich im Planungsprozess an immer wieder veränderte Prämissen anpassen musste. Mit einfachen und günstigen Materialien, viele davon wiederverwertet, realisierten die jungen Architekt*innen ein Gesamtkunstwerk mit stimmigen Details.
FOTOGRAFIE Francisco Ascensão Francisco Ascensão
Projektname | Casa em Ancede / House in Ancede |
Planung | 2018 – 2022 |
Bauzeit | 2022 – 2023 |
Ort | Ancede, Baião, Portugal |
Architektur | Atelier Local |
Team | João Paupério, Maria João Rebelo, Francisco Craveiro |
Bauingenieur | FACE |
Fläche | 135 Quadratmeter |
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