Suite-Gezwitscher
Ein animalisches Baumhaus von Bjarke Ingels Group (BIG)
Der Bjarke Ingels Group (BIG) ist Größe in den Namen geschrieben. Doch mitunter kann das dänische Architekturbüro auch ganz klein. In Schweden hat es nun eine Baumhaus-Suite realisiert, in der Menschen, Vögel und Fledermäuse gleichermaßen einchecken. Beständige Klang- und Blickkontakte gehören zur Erfahrung im schwebenden Kugelbau dazu.
Baumhäuser folgen zwei Denkweisen. Die einen öffnen sich wie Aussichtsplattformen zu ihrer Umgebung. Die anderen schotten sich ab, hoch oben zwischen den Baumkronen, entrückt von der Wirklichkeit, die auf dem Erdboden lauert. Die Bjarke Ingels Group (BIG) hat sich für einen Hybrid aus beiden Wegen entschieden, als sie das Treehotel in Lappland um eine 34-Quadratmeter-Suite erweitert hat. Seit 2010 ist im schwedischen Dorf Harads eine Akkumulation von sieben schwebenden Häusern entstanden, die an Seilen und Gurten zwischen den Baumkronen befestigt sind. Die Entwürfe stammen allesamt von skandinavischen Gestalter*innen, darunter Snøhetta (The 7th room), Bertil Harström (Bird’s Nest + The Ufo), Mårten und Gustav Cyrén (The Cabin) oder Tham & Videgård Arkitekter (Mirrorcube).
Verpixelte Kugel
Das von BIG gestaltete Baumhaus – das nun achte in der Reihe – trägt den Namen Biosphere und empfängt ab Juni 2022 die ersten Gäste. Die würfelförmige Konstruktion öffnet sich mit bodentiefen Fenstern zur Umgebung. Die Blicke wandern jedoch nicht frei hinaus, sondern werden von einer zweiten Fassadenebene gefiltert. Diese setzt sich aus 340 Vogelhäusern zusammen, die an Teleskop-Armen in unterschiedlichen Längen befestigt sind. Die hölzernen Tierbehausungen bilden eine Kugel, in deren Mitte der Baumhaus-Kubus zu schweben scheint. Der verpixelten Wirkung der Sphäre liegt nicht nur die leicht versetzte Position der Nistkästen zugrunde. Diese variieren außerdem in ihrer Größe, um verschiedenen Arten ein Zuhause zu bieten. So sollen sich Blaumeisen und Rotkehlchen dort ebenso wohlfühlen wie Mauersegler oder Nordfledermäuse.
Dreidimensionales Schachbrettmuster
Der Zugang zum Haus erfolgt über eine Hängebrücke, die vom Waldboden in leichtem Anstieg bis hinauf in die Baumwipfel führt. Auf eine Leiter oder Treppe kann so verzichtet werden. Die quadratischen Grundrisse sind auf beiden Geschossen jeweils in vier Quadranten unterteilt, die sich abwechselnd durch geschlossene Fassadenflächen absondern oder durch vollflächige Verglasungen nach draußen öffnen. Das Ergebnis ist ein dreidimensionales Schachbrettmuster, das sich in den Grundrissen von Erdgeschoss und Dach sowie in den Aufrissen aller vier Fassaden abzeichnet.
Die Gäste können zudem eine Dachterrasse betreten, auf der sie den Baumkronen noch näher rücken und einen Rundblick in den Wald genießen. Auch die dunkel gestrichenen Hölzer im Inneren des Hauses folgen dieser Logik. Sie definieren einen neutralen, zurückhaltenden Rahmen, der der Wirkung der Natur den Vortritt überlässt. Wie alle Baumhäuser des Treehotels ist die Biosphere mit einer Dusche mit Leitungswasser, einer Sauna, einer Verbrennungstoilette und einem sparsamen Wassersystem ausgestattet, das nur drei Liter Wasser zum Händewaschen benötigt.
Intensivierung der Immersion
„Ich habe mehrere Tage und Nächte in einigen der Baumhäuser kurz vor der Pandemie verbringen können. Durch das völlige Eintauchen in die Natur bin ich mit einem Gefühl der Regeneration zurückgekehrt. Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, ob es eine Möglichkeit gäbe, das Eintauchen in die Natur noch einen Schritt voranzutreiben. Und fast unmittelbar kam die Idee, nicht nur die menschlichen Besucher*innen, sondern auch die ortsansässigen Vogel- und Fledermaus-Populationen einzuladen, in einem Schwarm von Nestern zusammenzuleben“, erklärt Bjarke Ingels. Gespräche mit dem schwedischen Ornithologen Ulf Ohman konnten zudem eine praktische Sorge ausräumen: Vögel machen ihr Geschäft nicht dort, wo sie nisten – zumindest in der Theorie. „Also hoffen wir, dass das Glas in dieser luftigen Architektur weiterhin klar bleibt“, so der dänische Architekt.
Liaison von Mensch und Natur
Die Ambitionen der Hotelbetreiber*innen Britta Jonsson und Kent Lindvall gehen noch weiter: „Bestandsaufnahmen in der Provinz Norrbotten zeigen, dass eine Reihe verschiedener Vogelpopulationen rückläufig sind. Die Forstwirtschaft hat dazu geführt, dass es immer weniger natürliche Löcher in den Bäumen gibt, in denen Brutvögel nisten. Die Installation von Vogelnestern ist daher eine wichtige Maßnahme. Darüber hinaus führt der Klimawandel dazu, dass der Insektenboom immer früher im Jahr einsetzt. Wenn die Vögel aus ihren Eiern schlüpfen, ist der Boom bereits vorbei“, erklärt der Ornithologe Ulf Ohman. Das Hotel soll nicht nur die Schönheit und Vielfalt der Arten zeigen. Es soll die Gäste animieren, auch bei sich zu Hause Vogelhäuser zu installieren und den Tieren mit Futter durch den Winter zu helfen.
Die ersten Nächte können ab Mitte Juni 2022 gebucht werden. Der Standardtarif liegt bei 12.000 Schwedischen Kronen (rund 1.145 Euro) für zwei Personen. Vögel und Fledermäuse dürfen natürlich umsonst logieren.
Projekt | Biosphere |
Typologie | Hotel |
Bauherr | Treehotel |
Ort | Harads, Sweden |
Größe | 34 Quadratmeter |
Mitarbeiter | Ulf Öhman, Vorsitzender der Norrbotten Ornithological Association, Ateljé Lyktan, Vittjärvshus |