Snøhetta-Baumhaus am Polarkreis
Camouflage in den Wipfeln

Rund 50 Kilometer südlich des Polarkreises inmitten lappischer Nadelwälder liegt das 600-Seelen-Dorf Harads. Wer denkt, hierhin würden sich nur hartgesottene Naturliebhaber verirren, liegt völlig falsch. Seit die beiden Unternehmer Britta und Kent Lindvall 2010 unweit der Ortsgrenze das Treehotel mit seinen avantgardistischen Baumhaus-Suiten eröffnet haben, ist Harads eine gefragte Design-Destination. Erst kürzlich wurde die siebte Suite – the seventh room – des norwegischen Architekturbüros Snøhetta fertiggestellt.
Für die international erfolgreichen Architekten und Landschaftsplaner mit Sitz in Oslo und New York war der Auftrag zwar vergleichsweise klein, aber dennoch keine ganz einfache Aufgabe. „Es gab bereits sechs Räume, und sie sind alle Objekte mit großartiger Persönlichkeit“, erklärt Jenny B. Osuldsen, Partnerin im Osloer Büro. „Wir dachten also, wir könnten etwas machen, das eher den Wald in den Vordergrund rückt und weniger das Baumhaus.“
Nordische Sachlichkeit
Entstanden ist eine klassische Holzhütte, die sich anders als seine unmittelbaren Nachbar-Baumhäuser, The Ufo von Bertil Harström oder der rundum verspiegelte Mirror Cube von Tham & Videgård, in nordischer Zurückhaltung übt. Spektakulär ist allerdings seine Höhe – das auf insgesamt zwölf Stützpfeilern ruhende Haus liegt ganze zehn Meter über dem Boden und ist nur über einen schmalen Treppenaufgang erreichbar. Im Zentrum umschließt es eine alte Kiefer, deren Stamm sich organisch in die Struktur einfügt.
Camouflage in den Wipfeln
Die Fassade des Hauses besteht aus einer Holzverkleidung, deren Bretter durch Verkohlung witterungsbeständig und unempfindlich gegen Pilzbefall gemacht wurden. Die Unterseite oder „sechste Fassade“, wie sie die Architekten nennen, wurde hingegen mit einem flächendeckenden Schwarz-Weiß-Druck von Baumwipfeln versehen, der einen perfekten Trompe-l'oeil-Effekt hervorruft – so, als würde das Baumhaus die Vergangenheit spiegeln oder aus bestimmten Blickwinkeln einfach mit den Baumwipfeln verschmelzen.
Aussicht de luxe
Im Gegensatz zur dunkel gehaltenen Fassade besticht der 55 Quadratmeter große Innenbereich mit strahlender Helligkeit. Bodentiefe Fenster lassen viel Tageslicht ein und bieten einen atemberaubenden Ausblick auf die umliegenden Wälder und den breiten Strom des Lule-Flusses. Helle Wand- und Deckenpaneele aus Birkensperrholz, charakteristische Möbel wie der Scandia Chair von Hans Brattrud oder der Artek-Klassiker Stool 60 von Alvar Aalto sowie in Kooperation mit dem schwedischen Hersteller Ateljé Lyktan entworfene Leuchten sorgen für skandinavisches Flair. Der nach Norden ausgerichtete Lounge-Bereich bietet an klaren Tagen den besten Ausblick auf die Aurora borealis und öffnet sich zum mittig gespannten Netz (mit doppeltem Boden). Von hier aus haben Schwindelfreie eine perfekte Sicht auf die Sterne. Sofern sie nicht bevorzugen, das Himmelszelt bequem vom Bett aus zu beobachten. Beide Schlafräume verfügen über ein großzügiges Oberlicht.
Mit ihrem seventh room haben Snøhetta nicht nur die perfekte Erweiterung des Treehotels geschaffen. Sie haben trotz – oder gerade wegen – ihrer gestalterischen Zurückhaltung ein auf ganz eigene Art sehenswertes Baumhaus entwickelt, das äußerst harmonisch mit dem Wald verschmilzt. Nur die schwebende Leichtigkeit seiner Vorgänger fehlt hier ein wenig – schuld daran sind die vielen Stützen zur Schonung der umstehenden Kiefern. Gleichwohl: Die nächsten Baumhäuser werden sich klar an diesem messen müssen.
FOTOGRAFIE Johan Jansson
Johan Jansson
Projekt
Treehotel
Projektarchitekten
Snøhetta
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