Locke lockt
(Apart-)Hotel von Grzywinski+Pons an der Spree in Berlin
Gerade hat mit dem Locke at East Side Gallery ein Hotel direkt an der Spree in Berlin eröffnet, das mit leisen Tönen punktet – auch in gestalterischer Hinsicht. Wir haben eine Nacht Probe geschlafen, in der Pantry-Küche Spaghetti gekocht, fröstelnd auf dem Balkon die Frachtschiffe vorbeiziehen sehen und in der Lobby Cappuccino getrunken.
Nicht immer hält das, was sich gestalterisch in den Vordergrund drängt, sein Versprechen. In dieser Hinsicht ein Leisetreter ist das Locke at East Side Gallery – ein Aparthotel, das Ende letzten Jahres in Berlin eröffnet hat und neben zwei Häusern in München das dritte deutsche Haus ist. Die in einem Neubau untergebrachten 176 Studios und Suiten verschiedener Kategorien liegen in bester Lage, nämlich direkt an der East Side Gallery in Friedrichshain, Spreeblick inklusive. Auf der Schnittstelle zwischen Ost und West – mehr Berlin-Klischee geht eigentlich nicht.
Berlin, Berlin
Die Überbleibsel der Berliner Mauer begegnen einem gleich bei der Ankunft, denn sie läuft direkt entlang der Gebäudefassade und wird lediglich durch den Eingangsbereich des Hotels unterbrochen. Auf der Rückseite befinden sich Fahrradständer und ein schmaler Weg, der zum Wasser und einem kleinen Park führt. Es ist vor allem die außergewöhnliche Lage, die das Locke at East Side Gallery von anderen jüngst in der Hauptstadt eröffneten Hotels wie Hoxton, Telegrafenamt oder Château Royal abhebt, die außerdem allesamt in Bestandsbauten untergebracht sind. Auch wenn es in dieser Ecke von Friedrichshain zugegebenermaßen ein wenig an Kiez-Flair fehlt – betritt man das Hotel, wird man empfangen von einem unverbauten Blick auf die Spree und von einer schmalen Außenterrasse, die auch bei Schmuddelwetter geöffnet ist. Von hier geht der Blick zum gegenüberliegenden Kreuzberger Ufer, das gesäumt ist von historischen Industrie- und Wohnbauten.
Flexibles Interiordesign
Die großzügige Lobby des Hotels veranschaulicht die Arbeitsweise des New Yorker Designstudios Grzywinski + Pons, das bereits mehrere Hotels der Locke-Gruppe entworfen hat. Der Raum ist flexibel gestaltet, so dass die Funktionen im Laufe des Tages veränderbar sind. Was morgens beispielsweise ein Co-Working-Space und behaglicher Aufenthaltsraum ist, wird abends als Cocktailbar und Restaurant genutzt. Auch deshalb gibt es hier verschiedene Sitzgelegenheiten, was praktisch ist, aber zuweilen additiv wirkt und dem Auge keine Ruhe gönnt. Maßgefertigte geflieste Bänke treffen auf Hocker, Poufs, Stühle und Sessel, die teilweise als kleine Sitznischen arrangiert und vom Rest des Raums durch Paravents abgetrennt sind. Dazwischen lenken skulpturale Totems die Aufmerksamkeit auf sich. Entworfen von Grzywinski + Pons, sollen sie an die DDR-Wachtürme entlang der Berliner Mauer erinnern, so die Designer.
Hell, luftig, lässig
Der Raum wird optisch zoniert durch feststehende kubische Elemente wie dem Empfangstresen, die Café-Bar, an der tagsüber Kaffeespezialitäten und Süßes serviert werden, einen Arbeitsblock sowie einen weiteren Tresen im hinteren Teil. Dazu gesellen sich Ess-, Arbeits- und Beistelltische. Auffällig sind die unterschiedlichen Designleuchten, die ein behagliches Ambiente-Licht verströmen, sowie gemauerte Tröge mit Grünpflanzen. Dass das Interior hell, luftig und lässig wirkt, liegt vor allem auch am stringenten Farbkonzept, das zwischen Weiß- und Pastelltönen changiert. Haptisch interessante Materialien wie textile Vorhänge und Polsterungen, Naturstein, Leder, Rattan und Holz vervollständigen das unkomplizierte Ensemble, das auch durch die freigelegte Decke urban anmutet und sich augenscheinlich an eine junge, designbewusste Zielgruppe wendet.
Hier will ich sein
Das Locke at East Side Gallery ist keine Unterkunft, die mit einen herausragenden Service punktet, auch weil es sich nicht als klassisches Hotel versteht. Zwar gibt es ein Fitnessstudio, einen Tagungs- und Veranstaltungsraum mit Dachterrasse im 8. Stock, aber ein komplettes Frühstück wird beispielsweise nicht serviert und das Restaurant Anima ist an zwei Tagen der Woche geschlossen. Doch dafür verfügt das Aparthotel über 176 Studios und Suiten, die auch für Langzeitaufenthalte geeignet sind, weil sie mitkomplett ausgestatteten Küchenzeilen versehen sind. Einige der Zimmer haben einen Balkon, wobei die attraktivsten die mit Spreeblick sind. Bodentiefe Fenster sorgen für Tageslicht, Verdunklungsvorhänge für guten Schlaf. Die Gästezimmer mit Wänden und Decken aus Sichtbeton sind zwar unterschiedlich groß, aber allesamt äußerst funktional eingerichtet. Zur Ausstattung zählen kompakte Polsterelemente, ein Schreibtisch, ein Doppelbett sowie – in den größeren Studios – ein separater Essplatz.
Beige rules
Das gestalterische Konzept ist einfach und klar: Ein in das Zimmer hineingestellter Funktionsblock mit Holzverkleidung fasst die Küchenzeile, das Badezimmer und einen offenen Kleiderschrank. Dabei wird das Badezimmer zum Wohnraum hin mit einer Schiebetür verschlossen, deren opakes Glaselement an die Wasseroberfläche der Spree erinnern soll, wie die Designer erklären. Auch einige Accessoires in den Zimmern sind made in Germany, darunter Keramikvasen und -schalen sowie Wandhaken von Schneid Studio aus Lübeck. Mit ihren Beigetönen nehmen sie ebenso wie die abgepassten Wollteppiche den anhaltenden Beige-Trend im Interiordesign auf. Manch einem mag das Locke at East Side Gallery vielleicht gestalterisch zu mainstreamig sein. Doch im Unterschied zu manch anderem Designhotel funktioniert hier alles, sogar das Licht und die individuell steuerbare Fußbodenheizung – und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt allemal.
Mehr Projekte
Hochburg der Gestaltung
Space Copenhagen modernisiert das Schweizer Restaurant und Hotel Schloss Schauenstein
Klare Kante
Weinbar Ernst Cave von Salem Charabi in Berlin
Revival mit Grandezza
Café Vertigo im Amsterdamer Vondelpark von Studio Modijefsky
Architektur zum Anbeissen
MoDusArchitects verwandeln das Loacker-Flaggschiff in Heinfels in eine räumliche Erlebniswelt
Transparenter Lückenfüller
OPA gestaltet das Restaurant Plumbago in Mexiko-Stadt
Gestalten im Dreieck
Multifunktionale Section80 Bar in Mailand von Studio Wok
Kraftwerk als Kulturstätte
Live-Club Barbastelle von Arnold / Werner in München
Blickfang Manhattan
Holloway Li gestalten Private-Member-Club in New York City
Café im Palazzo
Wie AMAA mit dem Caffè Nazionale den Charme des Unvollendeten feiert
Basler Bankgeheimnis
Herzog & de Meuron erfinden das Grand Hotel Les Trois Rois neu
Urbaner Abschlag
Industriell geprägter Indoor-Golfplatz Muni in Montreal von Ivy Studio
Geschichtsträchtige Oase
Parkhotel Mondschein mit Bar und Restaurant Luna in Bozen von Biquadra
„Material mit Identität behält immer seinen Wert“
Restaurant Kramer in Berlin-Neukölln von Thilo Reich
Aalto forever
Fyra gestaltet den Besucherbereich der Finlandia-Halle von Alvar Aalto in Helsinki neu
Handwerk statt Hektik
Das Designstudio loeserbettels gestaltet die Nomad Bakery in Chemnitz
Genuss unter Freunden
Restaurant Ninyas in Mexiko-Stadt von Ignacio Urquiza Arquitectos
Ein Eiscafé wie ein Dessert
Das Affogato von kaviar:collaborative in Mumbai
Feuer und Fermentation
Koreanisches Restaurant Odem in Singapur von Nice Projects
Alternative zum Büro
Kafeterija in Belgrad von KIDZ
Wohnliche Aussichtstürme
Elva Hotel in Norwegen von Mange Bekker Arkitektur
Gestaltung in Gewürztönen
Restaurant-Interior für das Hamburger Authentikka von Studio Lineatur
Meer auf dem Teller
Restaurant Hav & Mar von Atelier Zébulon Perron in New York City
Digestif in der Raumkapsel
Restaurant Kinkally mit Kellerbar von Da Bureau in London
Geschmackvolle Pausenräume
Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität
Zwischen Himmel und Fjord
Schwimmendes Restaurant Iris in Norwegen von Norm Architects
Rot und roh
Rum-Bar Campana del Rey in München von Buero Wagner
Harte Schale, weicher Kern
Keyu Café von Fabian Freytag am Berliner Tacheles
Gestaltung mit Rhythmus
Bursa Bar in Kiew mit japanischen Stilreferenzen von Nastia Mirzoyan
Mit Stil und Textil
COCC. hat das traditionsreiche Seegerhaus in St. Gallen restauriert
Zwischen Erbe und Erneuerung
JKMM Architects und Fyra haben Alvar Aaltos Haus der Kultur in Helsinki umgebaut