Die rosaroten Zwanziger
Umbau der Casa 1923 in Faro von PAr Plataforma de Arquitectura

PAr Plataforma de Arquitectura hat ein denkmalgeschütztes Haus mit opulenter Fliesenfassade in Faro umgebaut. Es dient nun zugleich als Wohnhaus, Architekturbüro und Airbnb-Unterkunft – mit rosaroten Farbakzenten, portugiesischen Azulejos und speziell für das Projekt entworfenen Möbeln.
Zum dritten Mal fand im November 2024 in Faro an der Algarve das Modernist Weekend statt, das die architektonischen Schätze der Stadt sichtbar machen will – mit geführten Rundgängen, Ausstellungen und Talks. Eines der Häuser, die man während der Veranstaltung besichtigen konnte, war die Casa 1923 im Art-nouveau-Stil. Das Haus sieht zwar aus wie einige andere in der Altstadt. Doch hinter der geometrischen, mit farbigen Azulejos verkleideten Fassade verbirgt sich ein ungewöhnliches Interior. Nicht nur, was die gestalterischen Details und die Stringenz, mit der das Konzept umgesetzt wurde, betrifft. Auch die Funktionen sind ungewöhnlich, denn unter einem einzigen Dach befinden sich die Familienwohnung der Bauherrin, ihr Office sowie zwei Ferienapartments.
Auferstanden aus Ruinen
Als Vânia Brito Fernandes das Haus in der Rua Almeida Garrett 53 entdeckte, war es eine überwucherte Ruine. Doch die Architektin – eine der Gründerinnen des Architekturbüros PAr Plataforma de Arquitectura – erkannte das Potenzial, krempelte die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Da das Gebäude denkmalgeschützt ist, wurde die Fassade wieder in den Originalzustand versetzt und auch der Grundriss blieb weitgehend erhalten. Was man nicht sieht: Die Casa 1923 wurde um ein zweites Stockwerk ergänzt, das über eine Treppe im Innenhof zugänglich ist. Weil das Haus über eine überhöhte (Schau-)Fassade verfügt, bleibt diese bauliche Ergänzung in der Vorderansicht quasi verborgen.
Portugal überall
Der Grundriss im Erdgeschoss zeichnet sich durch einen langen, schmalen Flur aus, von dem verschiedene Räume wie Schlafzimmer, Bäder und Wohnzimmer abzweigen, die alle ähnlich geschnitten sind.
Betritt man die Casa 1923 durch die dem historischen Original nachempfunden Eingangstür, befindet sich rechterhand das Büro der Architektin, deren Kolleginnen in Lissabon arbeiten. Es verfügt über einige Arbeitstische und Stühle, die allesamt aus Holz gefertigt sind. Dem gegenüber ist ein kompaktes Studio angeordnet, das als Ferienwohnung vermietet wird. Ein großes Himmelbett aus Holz dominiert den Raum, daneben gibt es einen Tisch und Hocker, die in Kooperation mit dem portugiesischen Handwerker und Designer Wesley Sacardi aus Loulé entstanden sind. Die beiden Küchenelemente können mit raumhohen Türen komplett verdeckt werden, ebenso wie der Zugang zum Badezimmer.
La vie en rose
Vom Flur zweigen die Wohnräume der dreiköpfigen Familie ab, wobei auf dem Boden alte portugiesische Fliesen in verschiedenen Mustern und Farben ein gewisses Vintage-Flair ins Innere bringen. Alles wirkt hier sehr aufgeräumt – wegen der zahlreichen maßgefertigten Einbauschränke und der durchgehenden Farb- und Materialwahl. Auffällig sind die rosaroten Akzente, die an Türen, Fenstern und Wänden, aber auch bei den Sanitärobjekten auftauchen. Sie mögen zwar etwas lieblich wirken, halten das Interior aber wie eine visuelle Klammer zusammen.
Basis der Möblierung sind maßgefertigte, schlichte Stücke aus Holz. Sie werden ergänzt um sparsam eingesetzte Familienerbstücke und Vintage-Objekte. Im hinteren Teil des Erdgeschosses mit Zugang zum Patio befindet sich die L-förmige Einbauküche mit Arbeitsfläche und Fronten in Weiß, die hinterfangen werden von einer ebenfalls in Weiß gehaltenen Fliesenwand. Die Leuchten aus Messing wurden vom Architekturbüro selbst entworfen.
Tauchbecken inklusive
Eines der Highlights des 257 Quadratmeter großen Hauses ist der begrünte Innenhof – ein erholsamer Außenraum in der dicht bebauten Altstadt von Faro. Er ist mit rosarot-weißen Fliesen, einem grünen Rasen und Beeten gestaltet sowie mit einfachen Bänken und einem Tisch aus Holz ausgestattet. Entlang der weiß getünchten Wand führt eine Treppe in das erste Obergeschoss, wo die zweite Ferienwohnung untergebracht ist. Sie ist durch einen offenen Gang erreichbar, der zugleich als schmale Terrasse dient. Von hier schweift der Blick über eine Bauruine und bleibt am kühlen Hellblau eines Tauchbeckens hängen – eine durchaus gewagte bauliche Maßnahme, die jedoch visuell ziemlich effektvoll ist.
Ästhetik des Südens
Die mit Korkhockern möblierte Terrasse führt kurzerhand in die Ferienwohnung – man betritt sie durch zwei Türen, die mit perforierten weißen Fensterklappen aus Holz versehen sind, wie man sie in Portugal überall findet. Das Interior erinnert in seiner Kargheit an eine klösterliche Zelle und knüpft dabei an die Traditionen des Lebens an der Algarve an. Diese spezielle Ästhetik findet sich auch in anderen, von PAr Plataforma de Arquitectura umgesetzten Projekten wieder, vor allem im Hotel Casa Modesta in Quatrim do Sul.
Der Grundriss des Apartments ist so einfach wie effektvoll: Die beiden Zimmer mit jeweils eigenem Bad sind spiegelsymmetrisch angelegt. Sie werden durch einen kompakten Küchenraum miteinander verbunden, der dank eines Dachfensters mit natürlichem Licht versorgt wird. Das Material- und Farbkonzept der Architektin ist auch hier auf wenige Elemente heruntergebrochen: Auf einem Fußboden aus rötlichen Keramikfliesen sind minimalistische Möbel aus Holz arrangiert, die ergänzt werden durch ebenfalls handgefertigte Objekte wie einen runden, bestickten Sisalteppich und weitere Messingleuchten. Wer im Schatten sitzen möchte, macht es sich in den Sitznischen im Eingangsbereich der beiden Zimmer bequem.
FOTOGRAFIE Alexandre Borodosky
Alexandre Borodosky
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