Der Fjord als Bühne
Sauna Trosten in Oslo von Estudio Herreros

Estudio Herreros hat im Oslofjord die Sauna „Trosten“ zu Wasser gelassen: eine schwimmende Holzkonstruktion im Stadtteil Bjørvika, wo einst ein Containerhafen lag. Auch performative Qualitäten spielten bei der Planung eine Rolle.
In Oslo liegt die Kultur am Wasser. Das Opernhaus von Snøhetta ragt mit seiner Fassade aus weißem Carrara-Marmor wie eine große Eisscholle aus dem Fjord empor. Direkt daneben wurde die Norwegische Nationalbibliothek nach Plänen von Lundhagem Arkitekter und Atelier Oslo errichtet. Das dritte Haus im Bunde ist das Munch Museum, ein Entwurf von Estudio Herreros aus Madrid. Was noch fehlt? Nicht nur die schönen Künste, die Musik und Literatur werden im hohen Norden als Teil der Kultur gesehen, sondern auch die Sauna. Und genau die hat nun einen neuen baulichen Rahmen gefunden, der allerdings von keinem skandinavischen Büro ersonnen wurde. Direkt am Fuße des Munch Museums hat Estudio Herreros eine eigene, südlichere Interpretation des gesunden Schwitzens realisiert.
Kommunikatives Bauen
„Trosten ist ein kleines architektonisches Manifest. Die schwimmende Sauna wurde von der gemeinnützigen Osloer Saunavereinigung in Auftrag gegeben, die sich die Aufgabe gesetzt hat, ‚die Sauna zu den Menschen zu bringen‘“, erklärt der Bürogründer Juan Herreros. Und das bedeutet: ein Zeichen zu schaffen, das nicht nur aufgrund seiner prominenten Position im Oslofjord wahrgenommen wird. Vielmehr soll an die Staffagebauten in barocken Gärten angeknüpft werden: Als kleine „Verrücktheiten“ konzipierte Gebäude, die die Blicke fokussieren und wie die Ausstattung eines Bühnenbilds die Gedanken auf eine Reise schicken. Architektur wird dort nicht als Bruttogeschossfläche, sondern in erster Linie als Narrativ verstanden.
Idee der Gemeinschaft
„Das Projekt zeichnet sich durch ein markantes Volumen und eine Silhouette mit einer starken, farbigen Komponente aus, die sowohl für den individuellen als auch für den kollektiven Gebrauch dient“, sagt Juan Herreros. Die Intimität der Sauna wird in die Öffentlichkeit überführt. Die Architekt*innen haben auf einer schwimmenden Plattform zwei keilförmige Baukörper gespiegelt platziert. Der breitere ist auf der einen Seite in zahlreiche Sitzreihen abgestuft und dient so als Freilufttheater mit Blick auf den Fjord. Der Zugang erfolgt über das schmalere Volumen, wo die Umkleiden, Duschen und Toiletten untergebracht sind. Großformatige Fenster versorgen die Innenräume mit Tageslicht.
Stufen der Partizipation
Die Saunakabine liegt direkt unterhalb der Sitzreihen. Terrazzo-Bodenplatten setzen einen mediterranen Kontrapunkt zu den holzverkleideten Sitzbänken, Wänden und der Decke. Wer lange genug geschwitzt hat, tritt durch eine Tür hinaus auf eine holzbeplankte Plattform und kann dort direkt ins kalte Wasser steigen. Der Erfrischungsmoment erfolgt somit auf der Rückseite der Plattform. Schließlich sollen nicht die Saunagäste zu Akteuren dieser Wasserbühne werden, sondern der Fjord und die vorbeiziehenden Schiffe. Wer dennoch den großen Auftritt sucht, kann aus der Saunakabine immer noch hinaus auf die Theater-Seite wechseln und dort vor den Augen des Publikums den eigenen Abhärtungsgrad beim Eisbaden unter Beweis stellen. Es obliegt den Gästen, inwieweit sie andere partizipieren lassen.
Universaler Anspruch
Von außen ist die Holzkonstruktion mit Platten aus recyceltem Aluminium verkleidet. Diese sind in einem hellen Grünton gehalten. Für die Treppen- und Sitzstufen wird eine satte, dunkelrote Farbe verwendet, die für einen warmen, fast schon feierlich anmutenden Auftritt sorgt. Vor allem in den Wintermonaten, wenn zahlreiche Eisschollen im Wasser treiben, entsteht so ein reizvoller Kontrast. „Die Konstruktion kombiniert nachhaltiges Design mit einem ehrgeizigen Dampfumwälzsystem, das eine gleichmäßige Wärme auf allen Ebenen gewährleistet. Als erste universell zugängliche Sauna kann sie auch von Menschen genutzt werden, die an den Rollstuhl gebunden sind“, erklärt Jens Richter, Büropartner von Estudio Herreros.
Urbaner Wandel
Der Entwurf ist als Ergänzung zu einer Reihe schwimmender Saunen konzipiert, die die Mündung des Akerselva-Flusses bevölkern und von verschiedenen Architekt*innen konzipiert wurden. Jede Sauna ist nach einem Vogel benannt. Trosten – das norwegische Wort für Drossel – scheint passend gewählt. Schließlich pendelt das Tier alljährlich zwischen Spanien und den nordischen Ländern und gilt traditionell als Glücksbote. Ergänzt werden die schwimmenden Saunen von Lauf- und Fahrradstrecken sowie Sitzbereichen, Stränden, Solarien und Badeplattformen, die das ganze Jahr über genutzt werden können. Sie reihen sich entlang einer sieben Kilometer langen Promenade, die an Stelle des einstigen Containerhafens entstanden ist. Kultur liegt in Oslo zweifelsohne ganz nah am Wasser.
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