Buntes Versteck
Ein Hausumbau von i29 in Amsterdam
Das Architektur- und Designstudio i29 hat in Amsterdam ein in die Jahre gekommenes Grachtenhaus transformiert. Das Ergebnis ist ein helles, lichtdurchflutetes Zuhause, dem der Sprung aus dem 17. Jahrhundert in die Gegenwart gelingt. Für Orientierung sorgt ein gekonnter Griff in die Farbkiste. Unerwartete Entdeckungen gehören auch mit dazu.
Zwischen Prinsengracht und Keizersgracht liegt der Stadtplatz Amstelveld – eine erste Adresse im Zentrum von Amsterdam. Nur wenige Schritte entfernt, schlummerte über viele Jahrzehnte ein vernachlässigtes Stadthaus. Der 1675 errichtete Bau verfiel zunehmend, bis er einen kritischen Zustand erreichte. Der Sanierungsprozess dauerte fast zweieinhalb Jahre. Erst sicherte ein Team aus Restaurateur*innen und Denkmalschützer*innen die historische Substanz. Dann hauchten die Innenarchitekt*innen von Studio i29 dem dreigeschossigen Bau neues Leben ein. Auch wenn die meisten Wände und Decken ganz in weiss gehalten sind: Es sind die farblichen Interventionen, die Orientierung im Haus versprechen und den Räumen eine unverwechselbare Ausprägung geben.
Graue Passage
Vom Bürgersteig führen drei Stufen zum erhöhten Eingangsbereich des Hauses. Über einen Windfang gelangt man in einen schmalen Empfangsbereich mit einer Sitzbank unter dem Fenster. Wer mag, kann auf einem hellgrauen Exemplar des Holzstuhls 404 F Platz nehmen, den Stefan Diez für Thonet gestaltet hat. Ein mittelgrau gestrichener Treppenabgang – keine anderthalb Meter tief – mündet in einem Esszimmer, an das sich in einer offenen Nische die Küche anschließt. Bodentiefe Schiebefenster führen zu einem begrünten Innenhof.
Dunkelgrüne Tarnung
Die maßgefertigte, hölzerne Küchenzeile geht nahtlos in einen langen Esstisch über. Dieser wurde mit sechs Roundish-Holzstühlen kombiniert, entworfen von Naoto Fukasawa für den japanischen Möbelhersteller Maruni. Küche, Tisch und Stühle sind ebenso aus Eichenholz gefertigt wie ein Schneidebrett sowie die Regalpaneele an der Längswand des Esszimmers. Über dem Esstisch hängt in dreifacher Ausführung die weiße Pendelleuchte Gregg von Foscarini, gestaltet von Roberto und Ludovica Palomba. Hinter der Küche, verborgen mithilfe von zwei opaken, dunkelgrün gefärbten Glasscheiben, befinden sich ein kompakter WC-Raum sowie ein kleines Gästeschlafzimmer.
Beige Auszeit
Vom Eingangsbereich des Hauses führt eine hellgraue Metallwendeltreppe in das erste Obergeschoss. Dort wartet das Wohnzimmer mit historischem Dielenboden sowie einem in hellgrauem Naturstein ausgeführten Kamin auf. Über der Feuerstelle ist ein Spiegel in die stuckverzierte Wand eingelassen. Die zum Treppenhaus ausgerichtete Wandfläche ist mit einem beigefarbenen Stoff bespannt, der eine schallschluckende Wirkung entfacht. Gegenüber öffnen sich zwei Fenster zum baumbewachsenen Innenhof.
Blaues Geheimnis
Unter dem kleineren Fenster wurde eine Regalwand eingebaut, die zugleich als „Geheimtür“ zu einem, blauen Schlafzimmer dient. Vor dem höheren Fenster wurde ein Möbel mit Showeffekt platziert: Der von Rune Krøjgaard und Knut Bendik Humlevik gestaltete Sessel Mammoth Fluffy mit Eichenholz-Gestell, produziert von Norr11. Bei der Beleuchtung setzte das Team von i29 erneut auf die Pendelleuchte Gregg, die im Wohnzimmer in vierfacher Ausführung in verschiedenen Höhen hängen und als Ensemble einen puristischen Lüster bilden.
Grüne Theatralik
Zurück im Treppenhaus, führen die spiralförmig angeordneten Stufen zum Arbeitszimmer hinauf, das sich mit zwei Fenstern zur Kanalseite öffnet. Der grüne Schreibtisch wächst aus der Wand heraus, die wie der Boden, die Decke und die gegenüberliegende Wand in der exakten Breite des Schreibtisches ebenfalls grün gestrichen ist. Das Ergebnis ist ein farbiges Band, das sich entlang der Raumgrenzen erstreckt und die schnöde Funktion dieses Ortes auf eine theatralische Bühne hebt.
Weißes Schlummern
Im zweiten Obergeschoss ist zur Hofseite das ganz in Weiß gehaltene Schlafzimmer der Hausbewohner*innen untergebracht. Grifflose Einbauschränke nehmen Kleidung, Schuhe und Accessoires auf. Die Decke zum Dachstuhl wurde entfernt, sodass sich der Raum in doppelter Höhe präsentiert und durch das Licht des Giebelfensters zusätzlich erhellt wird. Die Wände im Korridor sind verspiegelt. Dahinter wurden die Toilette sowie die Dusche untergebracht.
In dem zum Kanal ausgerichteten Zimmer ziehen eine freistehende Badewanne sowie ein freistehendes Waschbecken die Blicke auf sich. Beide wurden von der Firma Schneider Interieurbouw maßgefertigt und lassen mit ihren Stahl-umschlungenen Daubenschalen aus Eichenholz an historische Regentonnen oder Weinfässer denken. Auch im Bad sind die Rückwände verspiegelt. Die Planer*innen von i29 beweisen ein treffsicheres Gespür für den Ort, indem sie Spionglas zum Einsatz bringen: Wer in der Dusche steht, kann – selbst ungesehen – an Waschbecken und Wanne vorbei durch zwei große Fenster auf die Grachten blicken. Mehr Zuhause-Feeling kann in Amsterdam wohl kaum gelingen.
FOTOGRAFIE Ewout Huibers
Ewout Huibers
Projekt | Canal House |
Typologie | Privates Wohnhaus |
Ort | Amsterdam, Niederlande |
Interieur | i29 |
Größe | 115 Quadratmeter |
Restaurateure | Kodde |
Möbel | Sessel Mammoth Fluffy von Rune Krøjgaard und Knut Bendik Humlevik für Norr11 |
Pendelleuchte | Gregg von R.+L. Palomba für Foscarini |
Lichtschalter | LS 990 von Jung |
Armatur | Fusion Square von Quooker |
Wanne und Waschbecken | Schneider Interieurbouw |