Fenster zum Bad
Ein 10.000-Euro-Umbau von TAKK in Barcelona

Das aus Barcelona stammende Architekturstudio und Designbüro TAKK interessiert sich nicht für kleine Revolutionen. Um zu neuen Lösungen zu kommen, wirft das Duo alle üblichen Modernisierungsstandards konsequent über Bord. Ihr Umbau einer Wohnung in der katalanischen Hauptstadt ist klimaorientiert, energieeffizient und vor allem ein Schnäppchen: Gerade einmal 10.000 Euro kosteten Material und Montage.
Wer günstig eine Wohnung oder ein Haus kauft, muss damit rechnen, dass die Renovierungskosten die Investition schnell übersteigen. In Barcelona haben die Architekt*innen Mireia Luzárraga und Alejandro Muiño von Studio TAKK einen radikalen Weg gesucht, um das Budget unter Kontrolle zu halten: Sie haben den Bestand nicht renoviert, sondern kurzerhand neue, aufgebockte Räume aus günstigen Baumaterialien in ihn hineingestellt – wie in einen leeren Schuhkarton. Ihr Interesse gilt aber nicht nur einer besonders günstigen Modernisierungslösung, sie stellen auch eine progressive Idee für eine energieeffiziente Wohnstruktur vor. Denn durch den geschachtelten Aufbau können verschiedene Klimazonen hergestellt werden: Der innerste Raum ist am besten isoliert.
Fenster auf statt Klimaanlage
Auf nicht mehr als 10.000 Euro sollte sich die Baubilanz der 50 Quadratmeter belaufen. Ein Vorteil: der Standort mit seinem gemäßigten Mittelmeerklima, der dafür sorgt, dass einige Bewohner*innen Barcelonas sogar grundsätzlich auf eine Heizung verzichten. Im Sommer hingegen kann ein gesteuerter „Durchzug“ die Wohnung kühlen. Obwohl das bauliche Resultat der Intervention von TAKK stark nach einem Provisorium aussieht, ist alles konsequent durchkalkuliert und sozial, wirtschaftlich sowie strategisch hinterfragt. So ist die Küche bewusst zentral und gut zugänglich positioniert, um eine „gleichberechtigte Nutzung durch die verschiedenen Mitglieder des Hauses, unabhängig von ihrem Geschlecht, zu fördern.“
Alles muss raus – und wenig rein
Die Renovierung des Wohnungsbestands beschränkte sich auf eine Entkernung. Nicht tragende Wände, Fußböden, Fliesen und Elektroinstallationen wurden entfernt, dann wurden alle Oberflächen einmal gründlich gereinigt. Die Spuren der Vergangenheit, wie Risse, fehlender Putz oder Bohrlöcher, wurden nicht kosmetisch behandelt, sondern mit ihrer vermeintlichen Hässlichkeit ins neue Leben der Wohnung mitgenommen. Nun verhält es sich mit den Makeln aber so: Stolz zur Schau getragen oder vielleicht als Besonderheit hervorgehoben, verlieren sie ihr Stigma. Die beiden Gestalter*innen machen sie zur Qualität, indem sie sich mit allen neuen Ergänzungen auf den provisorischen Ist-Zustand berufen. Was sonst unter Trockenbau verborgen und unter Tapeten, Teppichen oder Abdeckungen versteckt wird, bleibt im 10K House sichtbar.
Ein Findling an der Kette
TAKK wählte für alle Einbauten und Installationen ausschließlich kostengünstige Materialien. Die beiden eingestellten Raumvolumen und zusätzliche Stauraumlösungen wurden aus Standard-MDF-Platten errichtet. Die Dämmung der Zimmer erfolgte von außen mit einfacher Schafwolle aus der Region. Und indem die Bauelemente mit recycelten Tischbeinen um einige Dezimeter aufgebockt wurden, konnten Elektro- und Wasserleitungen frei darunter verlegt werden. Auch andere Lösungen leben vom Readymade-Stil und kombinieren Halbzeuge aus dem Baumarkt, Fundstücke und Haustechnik. Mit an Decken und Wänden befestigten und durch Steine beschwerten Metallketten kommt Licht in die Räume. Einfache Kabel mit Fassungen und Birnen winden sich daran herab.
Baden mit Weitsicht
Kollektiv genutzte Funktionsräume wie Küche und Bad finden sich in der Bestandsfläche. Kochzeile und Badewanne wurden direkt längs am Fenster platziert. Die offene Küche ist dadurch gut belüftet. Von der höher gesetzten Wanne aus können Badende das städtische Panorama als Unterhaltungsprogramm nutzen. WC und Dusche liegen im hinteren Teil des Raums, direkt an den eingestellten Architekturen. Ein gestalterisches Augenzwinkern erlaubten sich die Architekt*innen beim Zugang. Denn durch die Wohnungstür gelangen Gäste erst einmal in den Flur der hölzernen Intervention und blicken durch die „Fenster“ auf die Dusche. Von dort geht es geradeaus ins Schlafzimmer. Um die umliegenden Flächen zu erreichen, gelangt man links vor dem Schlafraum zur Badewanne, die rechte Treppe führt zu Küche und Dusch-WC.
Urbane Einbau-Jurte
TAKK hat allgemeingültige Baugewohnheiten mit aller Konsequenz ignoriert und sich stattdessen auf die individuellen lokalen Gegebenheiten eingelassen, um Neues zu schaffen. Wird es im Sommer zu heiß, werden die Fenster der Wohnung geöffnet und lassen die Luft kühlend zirkulieren. Das Schlafzimmer hingegen ist die Wärmekammer des Konzepts. Die Bewohner*innen werden dort zu ihrer eigenen Heizung. Wie bei einer Jurte halten die Wollschichten die Temperatur in dem ins Haus gestellten Häuschen. Der Ansatz der Architekt*innen ist ohne Frage dogmatisch, zeigt aber auch, dass es sich lohnt, „outside the box“ zu denken. Im wortwörtlichen Sinn.
FOTOGRAFIE José Hevia José Hevia
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