Mit Scarpa baden
Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca
Die Casa TO im mexikanischen Puerto Escondido ist mehr als ein gewöhnliches Hotel. Der von Ludwig Godefroy gestaltete Betonbau liegt unweit des Surfer-Strandes Playa Zicatela. Er wirkt, als hätten der amerikanische Künstler Gordon Matta-Clark und der italienische Architekt Carlo Scarpa gemeinsam eine Villa entworfen – und diese kurzerhand im Swimmingpool versenkt: ein räumlicher Erlebnispark mit bühnenhaften Qualitäten.
Sichtbeton ist mehr als ein Material. Er steht für eine Haltung. Der mexikanische Architekt Ludwig Godefroy ist dabei ganz in seinem Element. An der vor allem bei Surfern beliebten Playa Zicatela in Puerto Escondido hat er das Hotel Casa TO realisiert. Der Name steht für Templo Oaxaqueño, ein Hybrid aus den Typologien Wohnhaus, Tempel und – nun ja – Wasserspeicher. Ein wichtiger Einfluss war die berühmte Yerebatan-Zisterne in Istanbul aus dem 6. Jahrhundert, die als Set für den James-Bond-Film Liebesgrüße aus Moskau diente. Zahlreiche Säulen stehen dort frei im Becken und werden vom Wasser umspült. Auch das im 19. Jahrhundert erbaute, unterirdische Finsbury Park Reservoir in London diente als Referenz. Mächtige Bögen aus Mauerwerk spannen sich darin sowohl an den Decken als auch an den Böden von Wand zu Wand. Die Konstruktion wirkt gespiegelt, als hätte eine imaginäre Wasserkante den Raum auf halber Höhe geteilt.
Durchlässige Wände
In der Casa TO wird die Raumwirkung beider Zisternen auf einer Fläche von 600 Quadratmetern verdichtet: Mittelpunkt des Hotels ist eine Mixtur aus überdachtem Pool und treppenartig ansteigendem Sonnendeck. Die Staffelung über verschiedene Höhenebenen sorgt für mehr Privatsphäre für die Gäste. Zugleich eröffnen sich ungestörte Blicke auf die Pool-Landschaft – wie von den Rängen eines Theaters hinab zur Bühne. Kulissenartig wirkt die Gliederung des Raumes. Das Schwimmbecken wird von zwei Querwänden durchschnitten, die parallel in gleichmäßigem Rhythmus platziert sind.
Kreisrunde Aussparungen lassen an die Architekturinterventionen des amerikanischen Künstlers Gordon Matta-Clark sowie an die Villenbauten von Carlo Scarpa denken. Der venezianische Architekt hatte ein Faible für die Mondtüren traditioneller chinesischer Gärten – ein Motiv, das von ihm in die Betonbauten der Sechzigerjahre transferiert wurde. Die Gäste der Casa TO können zwischen den Querwänden mit runden Durchbrüchen frei umherschwimmen. Der Raum wirkt „wie die Neuinterpretation eines oaxacaischen Tempels, der beim Betreten eine radikale sensorische Erfahrung hervorruft“, sagt Ludwig Godefroy.
Raffinierte Einfachheit
Der mexikanische Architekt ist für seine Arbeit mit unbehandelten, klar lesbaren Materialien bekannt. In der Casa TO wird die Betonkonstruktion um Bodenfliesen aus Ton sowie Türen und Fensterrahmen aus Holz ergänzt. Das Ergebnis ist kein gefälliges Einerlei, sondern ein stimmiges Ganzes, das sich ins Gedächtnis einbrennt und Sehnsüchte entfacht: keine unerheblichen Aufgaben, die ein Hotel heute zu erfüllen hat, um aus der Fülle an Angeboten herauszustechen. „Die Ästhetik der Casa TO definiert sich durch ihre Einfachheit, die das Traditionelle mit dem Zeitgenössischen verbindet“, bringt Godefroy die Wirkung auf den Punkt.
Farben der Natur
Das Hotel bietet insgesamt neun Suiten, die in die treppenartig ansteigenden Sonnendecks integriert sind. Sechs Unterkünfte im Erdgeschoss verfügen über begrünte Terrassen, die rückseitig zur Poollandschaft angeordnet sind und von Wänden aus Sichtbeton blickdicht eingefasst werden. Die drei Suiten im Obergeschoss sind mit privatem Außenbereich und Outdoor-Badewanne ausgestattet. Eine umlaufende Betonmauer sorgt auch dort für den Schutz der Privatsphäre.
Leuchtende Akzente
Das Interieur wurde von Daniel Cinta, einem der Mitbegründer der Casa TO, gestaltet. Die türkise Farbigkeit des Schwimmbeckens wird von eigens angefertigten Leuchten sowie von einigen Fensterrahmen aufgegriffen. Der gebürstete Edelstahl der Armaturen und Bad-Accessoires korrespondiert mit der grauen Tonalität der Betonwände. Weitere Farbakzente setzen großformatige Glasvasen, die an verschiedenen Stellen platziert sind und vom einfallenden Sonnenlicht regelrecht zum Leuchten gebracht werden. Kletterpflanzen, Bananenbäume und Passionsfruchtgewächse bevölkern die verschiedenen Höhenstufen des Gebäudes und mildern die materielle Härte der Betonoberflächen, in denen sich die Strukturen der Schalung gut sichtbar abzeichnen.
Lokale Verwurzelung
Die Möbel wurden von verschiedenen Kunsthandwerker*innen in Mexiko angefertigt. Daniel Cinta hat Arbeiten aus den Bundesstaaten Puebla, Guadalajara und Oaxaca ausgewählt, die als Sondereditionen an die Farbpalette des Hotels angepasst wurden. Der Kontakt zu den lokalen Produzent*innen ist als längerfristiges Engagement gedacht. Die Gäste können verschiedene Designobjekte auf Fair-Trade-Basis direkt vor Ort erwerben oder als Neuanfertigung in Auftrag geben und sich nach Hause schicken lassen. Dazu gehören Tagesdecken von Alfredo Orozco für Taller Textil Experimental, Teppiche von Beto Ruiz für TallerOcho, Leuchten von Natural Urbano, Poolhandtücher von NuCyCy, Bettwäsche von Vivenda und Bambusmöbel von Tiago Solis Van Beuren für Bamburen. „Eine diskrete Oase, um in einen Zustand der totalen Kontemplation eintauchen zu können“, beschreibt Ludwig Godefroy die Atmosphäre. Wer sage da noch, Surfer hätten keinen Sinn für raffinierte Häuslichkeit.
FOTOGRAFIE Jaime Navarro
Jaime Navarro
Projektname | Casa TO |
Typologie | Hotel |
Ort | Puerto Escondido, Mexiko |
Architektur | Ludwig Godefroy |
Innenarchitektur | Daniel Cinta |
Landschaftsplanung | Gisela Kenigsberg und Daniel Cinta |
Fertigstellung | 2022 |