Projekte

Über Nacht im Volkshaus

Herzog & de Meurons neues Boutique-Hotel in Basel

Schluss mit abgehängten Decken und Teppichfliesen aus Nadelfilz: Bislang als Büros genutzte Räume des Volkshaus Basel wurden von Herzog & de Meuron in ein Hotel verwandelt. Schwere Vorhänge, offene Bäder und naturalistische Tapeten verjagen den Verwaltungsmief der Disco-Ära.

von Norman Kietzmann, 06.01.2021

In den Siebzigerjahren wurde mit historischen Bauten nicht zimperlich umgegangen. Kaum anders erging es dem Volkshaus Basel, das 1925 auf dem Grundstück einer im 14. Jahrhundert gegründeten Burgvogtei errichtet wurde. Der Architekt Henri Baur hatte einen lebendigen Ort geschaffen, der als Konzerthalle, Restaurant, Bar und Ladengeschäft in einem diente. Im Vorderhaus befanden sich Sitzungssäle und Büros sowie Wohnungen für den Hauswirt und die Verwalter. Auch das Personal hatte es nicht weit. Für sie standen Schlafzimmer im Dachgeschoss des Hauses bereit.

Artifizielle Kruste
Dabei blieb es bis in die Siebziger. Nachdem das Volkshaus nur knapp dem Abriss entgangen war, wurden die fünf Stockwerke des Vorderhauses in Büros umgebaut. „Ein Konvolut aus Resopalplatten, Nadelfilzteppichfliesen, abgehängten Akustikdecken und Kunststoffkabelkanälen überzieht wie eine plastifizierende Kruste die historische Bausubstanz“, konstatierten Herzog & de Meuron die Spuren der Transformation. Die Basler Architekten haben 2011 mit der Renovierung des Volkshaus Basel angefangen. Den Auftakt machten die neu eröffnete Brasserie, das Café sowie kleinere Veranstaltungssäle. Nun ging es weiter mit dem Kopfbau: Die Büros verschwanden und machten Platz für ein Boutique-Hotel mit 45 Zimmern.

Offene Badezimmer
„Wir haben die Räume von den Einbauten und Verkleidungen der Siebziger befreit, immer in der Hoffnung, auf interessante, historische Substanz zu stoßen. Schnell wurde deutlich, dass mit Ausnahme der Fenster nichts von der originalen Substanz erhalten geblieben ist und so mussten wir für den Entwurf auf andere Hinweisgeber zurückgreifen“, so die Architekten. Einen ersten Ansatz lieferten die originalen Baupläne für die Angestelltenwohnungen im Dachgeschoss. Aus ihnen ging hervor, dass die Zimmer mit Bad, Schrank und freistehenden Waschbecken ausgestattet waren – so wie es auch in vielen Grandhotels zu jener Zeit üblich war. Die offene Platzierung der Waschtische haben Herzog & de Meuron in den Zimmern des Volkshaus-Hotels übernommen.

Tiefe SchränkeEinen weiteren Ansatz lieferte die Einrichtung der Büros. Die Etagen wurden jeweils durch zentrale Korridore erschlossen, die beidseitig mit durchgehenden Schränken und eingelassenen Türen flankiert wurden. Auch die Hotelzimmer werden heute durch tiefe Schrankwände betreten. Die aus schwarz gebeiztem Eichenholz gefertigten Möbel reichen von einer Raumseite zur anderen und dienen keineswegs nur zur Aufbewahrung von Kleidung und persönlichen Gegenständen. Sie nehmen ebenso die Toiletten und Duschen auf, die über raumhohe Türen betreten werden.

Rhythmische Gliederung
Während die Gäste in der Dusche stehen, können sie durch ovale Türöffnungen ins Zimmer und durch die dortigen Fenster hinaus ins Freie blicken. Weil die Nassräume mehr Tiefe benötigen als die Kleiderschränke, ragen sie in die Korridore hinaus. Das Ergebnis: Die Wände springen in den Fluren kontinuierlich vor und zurück und bewirken somit eine rhythmische Gliederung, die sich der Starrheit und Monotonie entzieht. Die Wände der Duschen sind mit schwarzen und dunkelgrün glasierten Fliesen verkleidet, die eine warme, angenehme und alles andere als sterile Atmosphäre erzeugen.

Textiler Schlafraum
Die Waschtische lehnen an freistehenden Wänden, die mit schwarz getönten Spiegeln verkleidetet sind und als Raumteiler dienen. Die Betten sind mit den Kopfenden ebenfalls zu den Wänden ausgerichtet, deren Rückseiten nicht verspiegelt, sondern hinter schweren Vorhängen verborgen sind. Diese können entlang von Deckenschienen zur Seite geschoben werden, um den Eingang zum Schlafbereich abzutrennen. Der gleiche grüngraue Wollstoff wird auch für die Vorhänge der Fenster verwendet, die als die einzig verbliebenen Elemente der ursprünglichen Inneneinrichtung aufwendig restauriert worden sind. Die Wände sind mit eigens angefertigten Tapeten bezogen, auf die naturalistische Radierungen aus dem 17. Jahrhundert übertragen wurden. „Sie schlagen damit die Brücke zu den Anfängen des Volkshauses. Zusammen mit den Vorhängen entsteht so ein ‚textiler‘ Schlafraum, der Geborgenheit vermittelt“, erklären Herzog & de Meuron.

Schräge Geometrie
Gleich mehrere von den Architekten gestaltete Produkte kommen in den Hotelzimmern zum Einsatz. Der von Horgenglarus gefertigte Holzstuhl entstand bereits 2012 für die Brasserie und Bar des Volkshauses. Die Stehleuchten aus der Serie Unterlinden werden seit 2017 von Artemide gefertigt. Neu hinzu gekommen sind die Beistelltische und Loungesessel mit passenden Ottomanen, die als Sitzgelegenheit und Kofferablage in einem dienen. Die von der Schweizer Schreinerei Von Rickenbach konstruierten Möbel verfügen über Gestelle, bei denen sich zwei aus Vierkanthölzern konstruierte X-Formen gegenseitig überschneiden und mit ihrer betont aus dem Lot geratenen Geometrie für Dynamik sorgen. Die Betten warten mit Kopfteilen aus horizontalen Holzleisten auf, die an jene Biergartenbänke erinnern, die Herzog & de Meuron für die Außengastronomie des Volkshauses entworfen haben. Öffentlich und privat, intim und exponiert finden so zueinander – ganz unbeschwert – an diesem wiederentdeckten Treffpunkt inmitten von Basel.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Projektinfos
Projekt Volkshaus Basel Hotel
Umbau Herzog & de Meuron
Fertigstellung November 2020
Waschbecken Serie VAL von Laufen
Stühle Volkshausstuhl von Horgenglarus
Wandleuchten Zimmer Unterlinden von Artemide
Bettleuchten Zimmer Sonderanfertigung von 2f-Leuchten
Leuchten Lobby  IALO von Zumtobel 
Tapeten Sonderanfertigung von Wirz Tapeten
Waschtischschränke Sonderanfertigung von Pendt 
Armaturen KWC von Franke 
Links

Projektarchitekten

Herzog & de Meuron

www.herzogdemeuron.com

Projekt

Volkshaus Basel Hotel

www.volkshaus-basel.ch

Mehr Projekte

Das offene Haus

Eklektisches Boutiquehotel und Kunstrefugium in der Toskana

Eklektisches Boutiquehotel und Kunstrefugium in der Toskana

Hüttenflair statt Alpenkitsch

Wellnesshotel Amrai Suites im Montafon

Wellnesshotel Amrai Suites im Montafon

Unikate aus Titan-Stahl

Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus

Bette stattet die Bäder im Hotel Wilmina aus

Skandinavien im Unterallgäu

Umbau eines Bauernhofs in moderne Ferienwohnungen

Umbau eines Bauernhofs in moderne Ferienwohnungen

Zirkuläres Wellnesshotel

OLM Nature Escape in Südtirol von Andreas Gruber Architekten

OLM Nature Escape in Südtirol von Andreas Gruber Architekten

Karaoke in der Chrom-Rakete

Ein Wohnwagen-Quintett von Daisuke Motogi

Ein Wohnwagen-Quintett von Daisuke Motogi

Locke lockt

(Apart-)Hotel von Grzywinski+Pons an der Spree in Berlin

(Apart-)Hotel von Grzywinski+Pons an der Spree in Berlin

Chalet mal anders

Minimalistisches Berghotel in Südtirol von Martin Gruber

Minimalistisches Berghotel in Südtirol von Martin Gruber

Aufwachen im Schnee

Ferienhaus bei Oslo von Fjord Arkitekter

Ferienhaus bei Oslo von Fjord Arkitekter

Maritime Farbwelten

Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Neugestaltung der Bäder im 25hours Hotel Hamburg HafenCity von Stephen Williams Associates

Isländische Geschichte(n)

Hotel in Reykjavík von THG Arkitektar

Hotel in Reykjavík von THG Arkitektar

Utopie unter der Sonne

Atelier du Pont gestaltet das Hotel Son Blanc auf Menorca

Atelier du Pont gestaltet das Hotel Son Blanc auf Menorca

Familienerbe im Wandel

Hotelumbau von ASAGGIO Architekten in Brixen

Hotelumbau von ASAGGIO Architekten in Brixen

Alpenchic mit Sixties-Vibe

Das Hotel The Cōmodo in Bad Gastein

Das Hotel The Cōmodo in Bad Gastein

Besondere Böden

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Fünf Projekte mit ungewöhnlicher Bodengestaltung

Nordisch rustikal

Hotel in Büsum vom Architekturbüro Ladehoff

Hotel in Büsum vom Architekturbüro Ladehoff

Griechische Moderne

Designhotel Ammos auf Kreta

Designhotel Ammos auf Kreta

Mit Gio Ponti träumen

Designhotel Palazzo Luce in Lecce

Designhotel Palazzo Luce in Lecce

Neue Dimensionen

Erlebnisrestaurant in Rust von Atelier 522

Erlebnisrestaurant in Rust von Atelier 522

In altem Glanz

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Neuer Spirit

Studio Heju gestaltet vier Ferienhäuser in der Bourgogne

Studio Heju gestaltet vier Ferienhäuser in der Bourgogne

Dynamische Doppelschale

Caspar Schols entwirft die flexible Cabin ANNA Stay

Caspar Schols entwirft die flexible Cabin ANNA Stay

Verwurzelt im Gestern

Ace Hotel Toronto mit Siebzigerjahre-Flair von Shim-Sutcliffe

Ace Hotel Toronto mit Siebzigerjahre-Flair von Shim-Sutcliffe

Neubau mit Geschichte

Berliner Aparthotel MAVO LAB von Studio MMOONN

Berliner Aparthotel MAVO LAB von Studio MMOONN

Moderner Jugendstil

Matteo Thun gestaltet das Hotel The Julius in Prag

Matteo Thun gestaltet das Hotel The Julius in Prag

Mit Scarpa baden

Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Natürliches Upgrade

Neugestaltung des Hotel Munde im Schwarzwald

Neugestaltung des Hotel Munde im Schwarzwald

Im Einklang mit dem Bestand

Aparthotel WunderLocke von Holloway Li in München

Aparthotel WunderLocke von Holloway Li in München

Haus nach Mas

Ein Ferienhaus voll Kunst in der Provence

Ein Ferienhaus voll Kunst in der Provence

Eine Krone für London

Vielschichtiger Hotelbau von Grzywinski+Pons

Vielschichtiger Hotelbau von Grzywinski+Pons