Weinbar mit Whiteboard
Ein Stockholmer Büro mit Tresen von Note Design Studio
Das schwedische Unternehmen Samsen wusste bei der Neugestaltung seiner Büroräume, was es nicht wollte – Konventionen – und was es wollte: eine Weinbar. Im Designstudio Note fand es einen Komplizen, der der Aufgabe mit viel Textil, wohnlichen Raumlösungen und Inspiration aus dem fernen Osten begegnete. Die Folge: Nach Hause will jetzt keiner mehr.
Die Zukunft des Büros? Könnte der Abschied vom Büro sein. Natürlich werden wir weiterhin zweite oder dritte Orte aufsuchen, um dort zu arbeiten. Aber das Büro ist gerade auf dem Weg, sich auch anderen Nutzungen zu öffnen. Besonders progressiv begegneten der Idee von den fluiden Funktionen zuletzt die Mitarbeiter*innen des schwedischen Unternehmens Samsen. Indem sie ihre Schreibtische abends in Tresen und Bistrotische verwandeln, holen sie sich den Feierabend direkt neben die Tastatur.
Ihre kreative Stockholmer Residenz ist nichts weniger als eine Weinbar, die ihre ästhetische Inspiration aus japanischen Wohnzimmern bezieht. Das Büro ist hier Nebensache. „Samsen musste uns erst erklären, dass sie gar kein Büro wollten. Sie wollten einfach in einer Weinbar arbeiten“, berichtet Susanna Wåhlin von Note Design Studio. Sie und ihr Team haben die Räume eines ehemaligen Juweliergeschäftes im Stadtteil Odenplan für das Tech-Beratungsunternehmen umgestaltet – und viel Textil, Holz und warme Farben in dem ineinander fließenden Layout untergebracht.
Statt Hoffice ins Boffice: Bar trifft Büro
Samsen sucht seine Kund*innen meist in ihren Büros auf. Und auch umgekehrt haben die eigenen Arbeitsräume schon in der Vergangenheit vor allem repräsentative oder kommunikative Zwecke erfüllt. Die Mitarbeiter*innen trafen sich eher zum Austausch als zur Stillarbeit und durften immer selbst entscheiden, wann sie im Headquarter und wann im Homeoffice sein wollten.
Aus diesem sozialen Verständnis vom Arbeitsort ergab sich beim Umzug die Idee zur Revolution: Aus dem Büro sollte kurzerhand der perfekte Treffpunkt werden. Für den Gründer von Samsen, der ein großer Weinliebhaber ist, konnte das nur eine Weinbar sein. Und damit war ein Thema gefunden, das den Gestalter*innen von Note zufolge gut zur überschaubaren Fläche passte. Mit Sitzgelegenheiten von der Bar bis zum Bistrotisch können verschiedene Settings unmittelbar nebeneinander platziert werden. Stilistisch diente Japan als Inspiration, wo aufgrund des allgegenwärtigen Platzmangels selbst in winzig wirkenden Räumen viele Menschen untergebracht werden.
Warm inszeniert
Bei den Farben und Materialien zeigen sich die ostasiatischen Bezüge durch die Wahl dunkler Holzflächen in Kombination mit kühlen Tönen und harten Gegenspielern wie Stahl oder Beton. Auch typisch japanisch sind die in die Architektur integrierten Möbel, wie die wandfüllenden Holzschränke oder die zur Chaiselongue umgebauten Fensterbänke. Die gelben Akzente hingegen stammen aus der Feder von Note und wurden teilweise speziell für Samsens Weinbar entworfen. Dazu gehören ein sonnengelbes Regal und der farblich passende Konferenz- und Gemeinschaftstisch. Formale Leichtigkeit bringen die schwebenden Textilbahnen, die senfgelb vor dem Fenster zu Boden fallen oder in Steingrau auf halber Höhe die großen Durchgänge zwischen den zwei Raumzonen verhüllen.
Kalt gestellt
Mit dem großen Glaskühlschrank bekennt sich das Interior ganz offensichtlich zum Bar-Thema, nach den Büro-Funktionen muss man etwas länger suchen. Ein Hinweis sind die vielen Steckdosen, die jeden Sitzplatz zum digital-kompatiblen Arbeitsplatz machen. Und hinter dem wandfüllenden grauen Vorhang hat Note ein Whiteboard und zwei große Bildschirme für Präsentationen versteckt. „Während ‚normale' Unternehmen davon ausgehen, dass das Büro Beziehungen innerhalb ihres Teams herstellt – und damit eine Unternehmenskultur, haben viele neuere Unternehmen, die flexibel sein wollen, Schwierigkeiten damit, dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erzeugen. Sie lösen das oft mit verpflichtenden Teambuilding-Aktivitäten wie Konferenzen und Seminaren. Das Samsen-Atelier ist unsere Vision von einer Alternative: Wir verbringen unsere gemeinsame Zeit freiwillig miteinander“, erklärt Tomas Måsviken, Gründer von Samsen, seinen Ansatz. Bisher funktioniert das innovative Konzept von Note äußerst überzeugend. Auch ohne Stechuhr und Kernarbeitszeiten ist das Büro aktuell immer gut frequentiert – von „9 to 5“ mit dem Tablet genauso wie von „5 to 9“ mit dem Tempranillo.
FOTOGRAFIE Joakim Johansson
Joakim Johansson