Wenn der Zug auf sich warten lässt
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Eigentlich ist es ja so: Die schweizerische Bundesbahn (SBB) kommt nie zu spät. Ergo muss der Reisende auch nicht auf den Zug warten. Nun gibt es aber seit Juni 2009 eine Erste-Klasse-Lounge der SBB am Zürcher Hauptbahnhof. Und die dient dann auch nicht in erster Linie für das Warten auf verspätete Züge, sondern als (Business-)Treffpunkt, temporärer Arbeitsplatz oder schlichtweg zum Ausruhen und Innehalten im Trubel der Großstadt.
Auf dem Zürcher Hauptbahnhof – Knotenpunkt des nationalen und internationalen Verkehrs – tummeln sich täglich über 300.000 Reisende. Wohl auch deshalb lautete das vom Generalplaner Avireal vorgegebene Motto der Gestaltung der Lounge „Ruhe im Erlebnis Reisen“. Und dafür waren die denkmalgeschützten Räume gleich neben dem Restaurant „Au Premier“ – bis dahin beliebter Treffpunkt vieler Reisender – im zweiten Stock des Südtrakts des altehrwürdigen Bahnhofsgebäudes wie geschaffen. Und das nicht nur aufgrund der schönen Aussicht auf die Bahnhofstraße mit ihren luxuriösen Geschäften und pompösen Grand Hotels. Neben unzähligen Sitzgelegenheiten gibt es hier aktuelle Zeitungen und Zeitschriften, eine kleine Bar mit kostenlosen alkoholfreien Getränken und angenehme Toilettenräume.
1. Klasse bleibt 1. Klasse
Erste-Klasse-Lounges sind bisher vor allen von Flughäfen bekannt, wo sie den Fluggästen mit den teureren Tickets zur Verfügung stehen – beispielsweise die vom Designer Marc Newson gestalteten Lounges der australischen Fluggesellschaft Quantas in Sydney und Melbourne. Mithalten – und am besten auch noch die Marktanteile steigern – möchte die Bahn in Zeiten der Billigflieger und anderer unliebsamer Konkurrenten. Und wie ginge das besser als über erweiterte Serviceangebote? Leider nicht für jeden Reisenden, denn zur SBB-Lounge haben nur Personen Zutritt, die mit einem schweizerischen Erste-Klasse-General-Abonnement, einem internationalen Billet der ersten Klasse oder als Railteam-Vielfahrer reisen.
Mit der Allianz „Railteam“, die ein Zusammenschluss von führenden europäischen Bahnen darstellt, erhofft man sich eine Vernetzung untereinander, gerade auch im Servicebereich. Während die Lounge in der Schweiz die erste ihrer Art ist, gibt es solche Lounges bereits auf den Hauptbahnhöfen in Wien, Paris oder Berlin. Die vier Räume der Zürcher Lounge bieten Platz für bis zu fünfzig Personen. Insgesamt stehen im Loungebereich 44 Sessel und vier Plätze an der Bar zur Verfügung. An zwei Computer-Arbeitsplätzen kann der Vortrag vorbereitet und ausgedruckt, am eigenen Laptop mittels drahtlosem Internetzugang nach Informationen gesurft oder das Zugticket von den kundigen Mitarbeitern der Lounge umgebucht werden.
Farbenklang: Schwarz, Rot, Weiß
Betritt der Besucher die Lounge über den Fahrstuhl, fällt sofort der weiße, kubische Service-Desk ins Auge. Hier wird er begrüßt und in den Warte-, Arbeits- oder Barbereich geleitet. Ein Farbdreiklang von Schwarz, Rot und Weiß – der sich als Corporate Design der SBB durch die gesamte Lounge zieht – nimmt hier seinen Anfang. Kombiniert wird dieser Farbdreiklang mit einer grafisch klaren Form der ausgewählten Möbel, wie sie beispielsweise im schwarzen Raumtrenner, der sich hinter dem Empfangstresen befindet, zum Ausdruck kommt. Von hier aus gelangt der Reisende zum Sitzbereich der SBB-Lounge, der den größten Teil der Gesamtfläche einnimmt. Beide miteinander verbundenen Räume bestechen durch große Fenster zur Bahnhofstraße hin, während Entree, Bar und Toiletten ohne Fenster auskommen müssen.
Fast wie in den Alpen
Dieser Loungebereich, der vor allem zum Arbeiten und Relaxen bestimmt ist, wird durch die zahlreichen schwarzen kastenartigen Sessel bestimmt, die in gegenüberliegenden Dreiergruppen angeordnet sind. Über ihnen hängen ebenfalls schwarze Leuchtzylinder. Der Clou dabei: Im Inneren läuft ein Schweizer Alpenpanorama entlang, das von den roten Wänden aufgenommen wird – einem gefrästen Scherenschnitt ähnlich. Jede Leuchte ist zugleich Deckenfluter, Leseleuchte und hinterleuchtetes Bildmotiv.
Und während man den Blick zur Decke schweifen lässt, kommt einem vielleicht eine Kuriosität in den Sinn, die während der Umbaumaßnahmen zum Vorschein kam: ein Fahrplan aus dem Jahr 1907. Das wäre an sich noch nichts Besonderes, hätte er nicht als Füllmaterial der alten Decke gedient.
FOTOGRAFIE Avireal
Avireal
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