Werkstatt im Lokalgestein
Seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 und dem Brand in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek im Jahr 2004 ist ihre Arbeit auch außerhalb von Spezialistenkreisen bekannt: Restauratoren für Papier bewahren alte Bücher, Urkunden und Drucke vor dem Verfall und konservieren sie für die Zukunft. Um noch viel speziellere Dinge kümmern sich die Mitarbeiter einer Restaurierungswerkstatt in der süditalienischen Stadt Lecce: Sie setzen auch Pergamente, Papiertapeten und Heiligenstatuen aus Pappmaché wieder instand. Und das tun sie seit kurzem in einer von dem spanischen Architekturbüro Local Office for Large Architecture – Lola umgebauten Werkstatt. Doch während Restauratoren meist versuchen, dem originalen Zustand der Objekte möglichst nahe zu kommen, setzten die Architekten bei der Sanierung auf eine fein abgestimmte Mischung von Neu und Alt.
Die Räume der privaten Restaurierungsfirma liegen versteckt in einem Hof, mitten im Gassengewirr der Altstadt von Lecce. Wie die umgebenden Gebäude auch ist das viergeschossige Haus eher klein und aus einem lokalen Stein errichtet. Die Werkstatt belegt zwei Etagen, das Erdgeschoss und das Mezzanin, fünf bis sechs Restauratoren arbeiten dort. Vor der Sanierung bestand die Werkstatt aus vielen kleinen, kaum verbundenen Zimmern: Die originale Struktur und Substanz war unter zahlreichen Umbauten beinahe verschwunden. So lag es für die Architekten von Lola nahe, zunächst gründlich aufzuräumen und alle Bauteile zu entfernen, die nicht konstruktiv notwendig waren oder zum historischen Bestand gehörten. Es galt, in dem verwinkelten Grundriss einen Raum zum Waschen und Reinigen der Papiere unterzubringen sowie eine Bibliothek, ein Archiv, Büros, Bereiche zur Untersuchung der Objekte und einen Ort zum Reinigen der Werkzeuge.
Durchblicke nach oben und unten
Der größte Eingriff, den Lola vornahmen, bestand darin, eine zweite Ebene einzubauen: Dank der großen Geschosshöhe war es möglich, zumindest zwei der Räume vertikal zu teilen und so zusätzliche Fläche zu gewinnen. In die beiden vorderen, direkt hinter dem Eingang gelegenen Zimmer zogen die Architekten eine weiße Gitterdecke aus schmalen, schräg gestellten Stahlprofilen ein, die zwar begehbar ist, aber zugleich den oberen Teil nicht vollkommen abschottet. Durchblicke sind erwünscht. Die zweite Ebene ist mit von der Decke abgehängten und verschiebbaren Tischen und Stühlen auf Rollen ausgestattet. Das war ein ausdrückliches Anliegen der Restauratoren, die flexible Arbeitsplätze brauchen. Erschlossen wird das Zwischengeschoss vom Eingangsraum aus mit einer Treppe aus Steinquadern – demselben lokalen Stein, der auch sonst im Gebäude zu finden ist.
Wie schon immer da gewesen
Auch in den anderen Bereichen taucht diese Mischung aus eher zeitgenössisch-abstrakten und historisch-lokalen Elementen auf. So ließen Lola die Wände durchgängig weiß streichen, damit sie möglichst viel Licht reflektieren – nicht unwichtig in einem Haus in einer engen, dicht bebauten Altstadt. Zugleich entsteht so aber auch eine moderne Atelier- oder Loftatmosphäre, die an diesem Ort zumindest historisch nicht naheliegend ist. Da aber zugleich alte Steintreppen, Wandvorsprünge, Nischen und Gewölbedecken erhalten blieben, wirken die Räume trotzdem stimmig. Zumal nicht nur bei der neuen Treppe, sondern auch an anderer Stelle auf passende Materialien zurückgegriffen wurde: Die großen Waschbecken beispielsweise bestehen ebenfalls aus Stein. Auch die Fußböden aus hellen Mosaikfliesen sehen aus, als seien sie schon immer da gewesen.
FOTOGRAFIE Edoardo Delille
Edoardo Delille