Ein Kessel Buntes in Paris
Die Neuheiten von Maison & Objet und Déco Off 2024

Dekoration ist in Paris kein Schimpfwort, sondern eine Tugend. Dass dem Wohnen eine Infusion an warmen Farben und sinnlichen Texturen überaus guttut, zeigen die Aussteller der Einrichtungsmesse Maison & Objet und der Textilschau Déco Off. Wir haben uns vor Ort umgeschaut.
Erst regnete es den ganzen Tag Bindfäden, dann schneite es kräftig über Nacht. Flüge und Züge wurden gestrichen. Und trotzdem waren alle da. Die Messe war teils so voll, dass es kaum ein Durchkommen auf den Gängen gab. Selbst der Umstand, dass in Halle sieben die Heizung nur auf Minimalstärke lief, tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Die Januar-Ausgabe der Maison & Objet ist mit voller Kraft zurückgekehrt – und hat wegen einer schwächelnden imm cologne an Bedeutung gewonnen. Die Aussteller nahmen um neun Prozent auf 2.516 zu. Die Besucherzahlen sind um fünf Prozent auf 70.668 gestiegen.
Holistische Perspektive
Möbel, Accessoires, Tischkultur und Dekoartikel waren auf dem Messegelände in Villepinte ebeno zu sehen wie ganze Hallen voller Duftkerzen und Kissen. Es ging um alles und nichts. Doch das machte den Charme aus. Schließlich finden auch im Zuhause die unterschiedlichsten Dinge an einem Ort zusammen. Weitere Neuheiten wurden in den Showrooms der Stadt gezeigt, die von der Messe nicht als Konkurrenz geächtet, sondern als Maison & Objet in the City geschickt mit eingebunden wurden. Hinzu kamen die Aussteller der Stoffschau Déco Off, die sich vor allem in ihren Geschäften in St. Germain präsentierten und das Gesamterlebnis abrundeten.
Wohnliche Outdoor-Welten
Viele Outdoor-Möbelhersteller haben die Pariser Messe als Bühne für ihre Neuheiten gewählt. Gervasoni stellte die Polsterkollektion Mediterraneo von Francesco Meda vor, deren Teakholz-Strukturen mit sanft abgerundeten Außenkanten aufwarten. Am Stand von Pedrali war der Esstisch Toa von Robin Rizzini zu sehen, bei dem sich puristische Gestelle aus Aluminiumdruckguss zum Boden stark verjüngen und so die Filigranität verstärken. Für Dynamik sorgt Eugeni Quitllet mit der Wabi Sabi Collection für den US-Hersteller Sutherland, die Sessel und Sofas in verschiedenen Breiten umfasst. Die Sitzflächen werden von wangenartigen Füßen durchbohrt, die sich schräg nach außen neigen und so die zumeist rechtwinklige Ordnung im Outdoor-Möbelbereich galant durchkreuzen.
Schwungvolle Möbel
Die Indoor-Möbel folgen weiterhin dem Lockruf der Siebzigerjahre. Der Stoff- und Tapeten-Hersteller Pierre Frey erweitert seine eigene Möbelkollektion um die Polsterserie Berlin von Christian Haas. Die Sofas und Sessel setzen auf runde, anschmiegsame Formen, bei denen Armlehnen und Rücken fließend ineinander übergehen. Mit skulpturalen Qualitäten wartet der Stuhl Phoenix auf, den Rudy Guénaire für den Pariser Hersteller La Chance entworfen hat. Zwei symmetrisch gebogene Aluminiumbleche sind miteinander verschraubt und bilden somit Basis, Fuß und Einfassung für die gepolsterte Sitzfläche und den Rücken. Aus frontaler Perspektive löst sich der Unterbau in eine filigrane Linie auf, die dem Möbel eine gerade, immaterielle Wirkung verleiht. Das Regal Hulsø ist ein Entwurf von Finn Juhl aus dem Jahr 1949, der von House of Finn Juhl neu aufgelegt wurde. Mit ihren schwungvollen Konturen sorgen die hölzernen Ablagen in direkter Aneinanderreihung für Wellenbewegungen an der Wand.
Kompakte Dimensionen
Ligne Roset stellte in der Galerie d’Italienne eine neue Kollektion mit Möbeln und Leuchten von Pierre Guariche vor. Der französische Designer hat in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Entwürfe von zurückhaltender Eleganz und Klarheit geschaffen, die im besten Sinne zeitlos sind. Dabei kommen sie mit kompakten Dimensionen aus, verschwenden kein Material und keinen Platz: ein Punkt, der heute umso stärker relevant ist. Denn aufgrund steigender Immobilienpreise werden Innenstadtwohnungen nicht größer, sondern stetig kleiner. Höhepunkt der neuen Kollektion sind Sessel und Zweisitzer aus der Serie G10 (1953) mit Armlehnen aus gebogenem Schichtholz, die schwerelos wirkende Chaiselongue Vailée Blanche (1963) sowie das Sideboard Galerie M.A.I. (1952) mit einem Korpus aus MDF und Eschenfurnier.
Neues Licht
An die Umlaufbahnen von Himmelskörpern erinnert die Pendelleuchte Munari, die der Hamburger Designer Lutz Pankow für DCWéditions entworfen hat. Kugelförmige Acrylschirme sind auf Stahlseile gefädelt, die mehrere Schlaufen bilden und sich gegenseitig überschneiden. Auch wenn die Leuchte völlig statisch ist, wirkt sie wie die Momentaufnahme reger Gravitationsbewegungen. Bei der Wandleuchte ed064 von Edizioni Design ragen zwei Leuchtröhren im rechten Winkel in den Raum hinein. Sie werden von einem Stahlseil in Position gehalten, das ebenfalls mit der Wandhalterung verbunden ist. Auch hier wird der Eindruck einer veränderlichen Apparatur erweckt, deren Geometrie just in dieser Position eingefroren wurde. Dass die Weltpolitik am Interieur nicht vorbeigeht, zeigt Serax mit der Leuchte Paloma. Die belgische Designerin Marie Michielssen hat in den Keramikfuß die Gestalt einer Taube eingearbeitet – in Anlehnung an Pablo Picassos berühmte Zeichnungen des Friedenssymbols.
Sinnliche Accessoires
Rotonda ist eine Serie schöner Aufbewahrungsboxen, die das Mailänder Designerduo Cara Judd und Davide Gramatica für das türkische Label Uniqka gestaltet hat. Die Deckel sind aus dickem, pflanzlich gegerbtem Leder gearbeitet. Durch eine simple Faltung entsteht ein Griff, der mit einer kaum sichtbaren Doppelnaht zusammengehalten wird. Die zylindrischen Sockel sind aus lederbezogenem Aluminium oder patiniertem Kupfer gearbeitet. Poltrona Frau hat in Zusammenarbeit mit der Manufaktur Giobagnara eine Kollektion von Brettspielen vorgestellt, die Freizeitaktivitäten aus der digitalen Welt zurück in die analoge Wirklichkeit holen. Mit den Texturen der lederbezogenen Objekte sorgen sie für eine haptische Belohnung. Die Column Bowl von Kristina Dam Studio ist aus einem massiven Block FSC-zertifizierter Eiche gefräst. Früchte werden von acht vertikalen Armen eingefasst, die im Sockelbereich rund zusammenlaufen. Auch die Zwischenräume der Halterungen gehen als konkave Halbkreise ineinander über und lassen so an die Kanneluren antiker griechischer Säulen denken.
Lebendige Stoffe
Auf animalischen Pfaden bewegt sich der Stoffhersteller Sahco mit der Kollektion Tablu, einem Jacquard mit Zebra- oder Leopardenmuster in den Farben Schwarzweiß, Korallenrot, Holzkohle, Rost, Tiefbraun, Lavendel, Kurkuma, Salz und Pfeffer und Sand. Dem Lockruf der Natur folgt Rubelli mit der Kollektion Gardens von Andrea Trimarchi und Simone Farresin. Die beiden Gründer des Studios Formafantasma sind die neuen Art-Direktoren des venezianischen Unternehmens. Der Baumwoll-Matelassé-Stoff Lemongrass verdichtet abstrahierte Blattformen zu einer raffiniert schimmernden Textur, während der geprägte Seidenstoff Dahlia das Licht aus jedem Blickwinkel anders reflektiert. Loro Piana Interiors hat in Paris den Möbelbezugsstoff Tusco vorgestellt: eine Mischung aus Baumwolle, Viskose, Jute und Hanf, die eine kräftige, dreidimensionale Struktur mit bewusst unregelmäßigen Farben verbindet.
Vertiefte Oberflächen
Wand und Boden sind mehr als neutrale Hintergründe. Sie wollen die Sinne beflügeln. Carnet de Voyage heißt die neue Kollektion von Pierre Frey, die ethnisch inspirierte Motive und Materialien aufgreift und ihnen durch geometrische Abstraktion eine zeitgenössische Richtung gibt. ClassiCon erweitert seine Teppichkollektion von Eileen Gray um das puristische Modell Faubourg, bei dem sich geschwungene, schwarze Linien von einem cremeweißen Hintergrund abheben. Auf Trompe-l’œil-Effekte setzt der Tapetenhersteller Wall&decò mit den Dekoren Quadratura von Gupica und It’s You von Debonademeo Design. Die Wand erweckt den Eindruck raffinierter Architekturreliefs, die mit spannungsvollen Licht- und Schattenwürfen den Raum akzentuieren.
Maison & Objet
www.maison-objet.comParis Déco Off
www.paris-deco-off.comMehr Stories
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