Schöne Tage in Antwerpen
Streifzüge durch die flämische Metropole
Wir sind nach Belgien gefahren und haben die flämische Metropole Antwerpen erkundet. Vier prall gefüllte Tage mit Spaziergängen durch Stadtviertel abseits der üblichen Pfade, kulinarischen Entdeckungen, minimalistischen Hotelbetten à la Vincent Van Duysen und einer Marienstatue im Ann-Demeulemeester-Outfit. Plus 40 Fotos.
Nur eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit dem Zug vom Brüsseler Flughafen bis in die Innenstadt von Antwerpen. Hier wird man empfangen von einem der wohl imposantesten Bahnhöfe überhaupt, der im Stil des Historismus erbauten Centraal Station. Sie weist darauf hin, dass Antwerpen überaus reich an historischen Baudenkmälern ist – sei es die Liebfrauen-Kathedrale samt eigenem Café, das Rubenshaus mit idyllischem Garten, die üppig verzierten Jugendstilhäuser in Zurenborg oder zeitgenössische Landmarken wie das Hafenhaus von Zaha Hadid Architects. Daneben gibt es neue Stadtentwicklungsprojekte wie Nieuw Zuid am Ufer der Schelde, wo Architekten wie Stefano Boeri und Max Dudler Wohn- und Officeprojekte umsetzen und sich avancierte Galerie niederlassen.
Antwerpen ist der Ort, wo man sein sollte, wenn man zeitgenössische Kunst und belgisches Design sehen will. Nicht nur kommen mit den Antwerp Six die berühmtesten Modedesigner aus der Stadt der Schokopralinen: Dirk Bikkembergs, Ann Demeulemeester (sie kleidete gar die Marienstatue in der Andreaskirche ein), Walter Van Beirendonck, Dries Van Noten, Dirk Van Saene und Marina Yee. Hier findet sich auch die Design- und Kunstgalerie von Valerie Traan, die zusammen mit dem Serax-Eigentümer Axel Van Den Bossche das Designlabel Valerie Objects gegründet hat und in einer extravaganten Wohnung gleich neben den Galerieräumen wohnt.
Unsere Tipps für ein verlängertes Wochenende in Antwerpen
Stadtteil Berchem
In der Altstadt und im Hafenviertel Eilandje ballen sich die meisten Sehenswürdigkeiten Antwerpens und oft dementsprechend viele Menschen. Wer das Rubenshaus, die Kathedrale, das Museum aan de Stroom (MAS) und vielleicht auch die berühmte Frittenbude von Superkoch Sergio Herman besucht hat, geht am besten zu Fuß nach Berchem. So kann man die spezielle Atmosphäre des südwestlich vom Zentrum gelegenen Stadtteils richtig aufsaugen. Hier prallen libanesische Restaurants auf koschere Supermärkte, stehen bescheidene Mietshäuser, während sich einige Straßen weiter opulente Häuser aus der Zeit des Historismus aneinander reihen. Oder taucht plötzlich ein prächtiges Herrenhaus auf, das Marie Michielssen und Axel Van Den Bossche vom belgischen Designlabel Serax bezogen haben. Berchem ist überaus divers, an jeder Ecke gibt es spannendes Alltagsleben zu entdecken, rasen Rabbis auf Fahrrädern vorbei, während unweit der Synagoge ein neues Hipster-Café eröffnet. Von hier ist es auch nicht weit zum Ortsteil Zurenborg. Man unterquert einfach die Bahngleise der Strecke Brüssel - Antwerpen und läuft Richtung Cogels-Osylei, wo die schönsten Wohnhäuser aus dem Art Nouveau zum Fotomarathon einladen.
Hotel August & Restaurant The Jane
In Berchem befinden sich auch zwei Architektur-Trouvaillen, die zugleich Anlaufpunkte der Design- und Kulinarikszene der Stadt sind. Das August gehört sicherlich zu den schönsten (Boutique-)Hotels von Antwerpen. Das Interiordesign des belgischen Architekten Vincent Van Duysen in Braun- und Beigetönen mit schwarzen Akzenten und haptisch schönen Materialien nimmt sich angenehm zurück. Alles fokussiert sich auf die historische Architektur des ehemaligen Augustinerklosters – und hier insbesondere auf die Klosterkapelle, wo nun die Bar und das Restaurant zu finden sind. Im Sommer kann man es sich draußen behaglich machen, sitzt auf Van Duysens schwarz metallenen August-Loungern und nippt an einem Negroni.
Nur einen Katzensprung entfernt liegt ebenfalls auf dem ehemaligen Gelände eines Militärkrankenhauses eines der besten Restaurants Antwerpens. The Jane ist ebenso spektakulär wie die Bar des August-Hotels untergebracht, nämlich in der sakularisiierten Kapelle des Hospitals. Das niederländische Studio Piet Boon hat vor acht Jahren ganze Arbeit geleistet und mit einem spektakulären Interior den perfekten Rahmen für das Zwei-Sterne-Michelin-Erlebnis des Küchenchefs Nick Bril geschaffen – samt Buntglasfenstern von Studio Job.
Sankt-Anna-Tunnel
Der Eingang zum Sankt-Anna-Tunnel ist leicht zu übersehen, obwohl er zentral in der Altstadt liegt und noch dazu in einem schönen funktionalistischen Gebäude aus den Dreißigerjahren. Man fährt auf hölzernen Rolltreppen tief hinunter, neben Fußgängern sind auch viele Fahrradfahrer unterwegs, die ihr Gefährt geschultert haben. Dreißig Meter unter der Schelde angekommen, ist es merklich kühler und auch ein wenig unheimlich. Schnurgerade erstreckt sich der neonbeleuchtete Tunnel 572 Meter lang, die Fahrradfahrer rasen vorbei. Kommt man am westlichen Ufer hinaus ins Helle, ist dort wenig Spektakuläres zu sehen. Bis auf den verwilderten Uferweg, von wo aus man den Turm der Liebfrauen-Kathedrale und auch das MAS entdecken und ein wenig verschnaufen kann (vielleicht mit einem Eis aus der altmodischen Eisdiele gleich neben dem Tunneleingang in der Hand).
Kanaal / Axel & May Vervoordt Foundation
Östlich von Antwerpen hat der Galerist Axel Vervoordt ein brachliegendes Industrieareal umgenutzt: Kanaal ist ein Konglomerat von historischen Gebäuden und zeitgenössischer Architektur. Im Zentrum des Geschehens steht die imposante Kunstsammlung des Galeristen. Auf dem Gelände einer stillgelegten Destillerie schuf Vervoordt in Zusammenarbeit mit den Architekturbüros Bogdan & Van Broeck, Coussée & Goris, Stéphane Beel, Jens Aerts und Tatsuro Miki ein Projekt, das allein schon seiner Größe wegen ambitioniert ist. Während die historischen Industriegebäude wie Silos und Kornspeicher umgenutzt wurden, sind auf dem Gelände auch einige Neubauten entstanden – eingebettet in Grünflächen mit Teichen, Terrassen und Wegen. Das Projekt umfasst rund hundert Wohnungen im High-End-Segment, Büros, Künstlerateliers, eine Kapelle, ein Auditorium sowie ein Restaurant. Im Mittelpunkt der Anlage stehen Vervoordts Räume für die Kunst, die in den historischen Lagerhallen und Silos aus Backstein und Beton sowie in einem Neubau untergebracht sind. Werke von Künstlern wie James Turrell, Marina Abramovic und Anish Kapoor sind als permanente Installationen der Axel & May Vervoordt Foundation auf dem Areal zu sehen, während für die Galerie Räume für wechselnde Ausstellungen geschaffen wurden.