Stories

imm cologne 2015: Modelle gegen das Einerlei

Möbel im Überfluss und konsequent umgesetzte unternehmerische Konzepte als Mangelware. Eine nicht repräsentative Bestandsaufnahme.

von Jörg Zimmermann, 26.01.2015

Das Angebot der Möbelhersteller zur imm cologne erscheint aus vielen Perspektiven wie ein kunterbuntes Einerlei. Ließen sich die Kölner Heinzelmännchen in der Nacht in den Messehallen blicken, um die ausgestellten Möbel zwischen den Ständen kreuz und quer zu verrücken, die meisten Besucher würden das Wechselspiel wohl kaum bemerken. Doch jenseits der ungewollten Uniformierung vieler Hersteller bei Formen, Farben und Materialien gelingt einigen trotz kurzfristiger kommerzieller Versuchungen ein anderer Weg. Oft gibt dabei die Herkunft der Firma den entscheidenden Impuls, immer spielt die konsequente Umsetzung der unternehmerischen Idee eine wichtige Rolle.

Konzentration auf Qualität
Produktnummer 5335 ist ausverkauft. Als Schickes Esszimmer kam das Playmobil-Set im Jahr 2010 in die Spielzeugläden, mit Pflanzen, Teppich, Stühlen und einem Tischmodell, das den Big Foot von e15 als Vorbild nicht leugnen kann. Mit Big Foot wagte Architekt Philipp Mainzer sich einst in die Welt der Möbelhersteller und schuf aus dem Stand eine Ikone. Das ist nun 20 Jahre her, und der massive Eichenholztisch ist immer noch das Erfolgsmodell des Labels. Nach zwei erfolgreichen, in Phasen auch schwierigen Jahrzehnten steht das Frankfurter Unternehmen vor neuen Herausforderungen. „Mit 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir eine Größe erreicht, die eine andere Form der Unternehmensführung erforderlich macht“, erläutert Mainzer die anstehenden Aufgaben. Während beim Design und der Produktentwicklung die strenge Haltung und klare Vision des Architekten bis heute unübersehbar bestimmend sind, rücken mit fortschreitendem Erfolg des Unternehmens Themen wie Personalführung und Unternehmensstruktur in den Vordergrund. Philipp Mainzer: „Die Marke ist aus dem Bauch heraus entwickelt. Ich habe immer versucht, ein eigenständiges Angebot zu formulieren, statt nur auf den Markt zu reagieren.“ Die extreme Kommerzialisierung durch ein ausuferndes Produktportfolio komme für e15 nicht in Frage, denn es gelte „immer abzuwägen zwischen Qualität, Experiment und kommerziellen Aspekten. „Letztlich kommen die Händler an der Qualität nicht vorbei“, resümmiert Mainzer nicht ohne Stolz.

Freiheit bei den Entscheidungen
Auch Richard Lampert richtet große Aufmerksamkeit auf die Produktentwicklung. Mit nur einer Handvoll Mitarbeitern bedient Lampert von Stuttgart aus einen internationalen Kundenkreis. Seine Möbel finden sich im Londoner Google-Headquarter genauso wie in der Zentrale von Ermenegildo Zegna. „Am Anfang steht für mich immer die Frage, welche Produkte machen überhaupt Sinn“, erläutert Richard Lampert seine Philosophie. „Es geht nicht darum, eine weitere Variante eines bestehenden Produktes – beispielsweise einen neuen Stuhl – zu entwickeln, sondern Produkte zu entwerfen, die im Markt fehlen oder das eigene Portfolio sinnvoll ergänzen.“ Lampert denkt dabei auch in Produktfamilien, eher jedoch an konkrete Lebenssituationen. Neben dem klassischen Eiermann-Tisch steht im Programm das Eiermann-Regal, das aktuell durch neu entwickelte Einsätze, Fächer und Schubkästen wieder an Aufmerksamkeit gewonnen hat. „Bei einem kleinen, inhabergeführten Unternehmen ist es viel leichter, Neues zu entwickeln. Für mich gilt: Geduld haben, dran glauben, weiter entwickeln und neu interpretieren.“

Chancen durch Design und Handwerk
Als kleine Unternehmenseinheit mit großem Qualitätsanspruch bewegt sich Stattmann Neue Moebel im Markt. Erst im Frühjahr 2012 haben die Geschwister Nicola und Oliver das Unternehmen aus der Taufe gehoben. Nukleus der Betriebsgründung war dabei die seit 1896 in Familienbesitz befindliche Tischlerei im westfälischen Ascheberg. Tischlermeister Oliver Stattmann leitet den Betrieb, der neben der seriellen Möbelproduktion auch individuelle Stücke und Einbauten realisiert. Auch Nicola Stattmann hat eine Ausbildung im Tischlerhandwerk absolviert, anschließend dann Produktdesign studiert. Die Fertigung und damit die Qualität liegen vollständig in eigener Hand und bilden zusammen mit ihrem gemeinsamen Verständnis für zeitgemäßes Design die Basis für die frischen Produkte des jungen Unternehmens. Die Entwürfe kommen von jungen Designern mit einem zeitgemäßen, internationalen Blick. Der Münchener Steffen Kehrle ist vertreten, Florian Hauswirth aus der Schweiz, die Belgier Marina Bautier und Sylvain Willenz. Bei Stattmann Neue Moebel funktioniert die naheliegende, jedoch viel zu selten gesehene Verbindung von familiär betriebenem Handwerk und aktuellem Design.

Behutsame Markenpflege
Bei Interlübke hingegen sind die Zeiten als Familienbetrieb endgültig vorbei. Schweren Herzens hat Leo Lübke das Unternehmen in der dritten Generation an private Investoren abgegeben. Seit Oktober 2014 führen nun Peter Rutishauser und Richard Lenz die Traditionsfirma als geschäftsführende Gesellschafter und sehen für Marke und Unternehmen eine gute Chance. „Wir müssen uns natürlich Gedanken machen über aktuelle und zukünftige Produkte und das Markenbild“, analysiert Rutishauser die Situation. Interlübke ist mit hochwertigen Schrankwänden groß geworden und wird als Marke bis heute mit diesem Systemmöbel verbunden. Die Bekanntheit der Marke ist hoch, die Wahrnehmung der Produktpalette über die Schranksysteme hinaus begrenzt. Neue Designideen sollen helfen, das äußere Markenbild zu verändern, ohne Kernwerte wie die hohe Verarbeitungsqualität aufzugeben. Fünf Designer, drei Männer, zwei Frauen, haben erste Produktskizzen für Solitärmöbel geliefert, die gestalterische Updates im Produktportfolio andeuten. „Diese Ideen sind im besten Sinne des Wortes work-in-progress." Peter Ruitshauser glaubt an das Potenzial der Marke Interlübke, weiß aber auch, dass die Zeit drängt: „Bei der Produktentwicklung sind wir schon spät dran für 2016. Doch wir müssen auch behutsam vorgehen.“ Eine starke Marke kann helfen, Krisenzeiten zu bewältigen, muss aber auch unter Druck einfühlsam gemanagt werden.

Unternehmensmodell einer neuen Generation
(Fast) ganz auf Online-Business setzt das Berliner Unternehmen Sitzfeldt. Einfach Sofa lautet der Slogan der 2010 gegründeten Firma, der schon eine erste Beschränkung bei der Produktauswahl andeutet. Als Hersteller Sofas direkt ohne die Zwischenstation Handel zu verkaufen, steigert ohne Zweifel die Marge. Das Ganze über das Internet zu realisieren, scheint auf den ersten Blick jedoch nicht besonders vielversprechend, schließlich wollen die (meisten) Kunden vor dem Kauf doch einmal auf dem Sofa Platz nehmen und mit der Hand über den Bezugsstoff streichen. Doch die positive Geschäftsentwicklung und auch die geringe Retouren-Quote bestätigen die Unternehmensidee. Dem Wunsch der Kunden nach einem realen Produkterlebnis vor dem Kauf kommen die jungen Unternehmensgründer Anna Deyerling, Julius Martini und Clemens Deyerling mit Showrooms in Berlin und Köln nach. „Ein Sofa ist für uns kein bloßer Gebrauchsgegenstand, sondern Lebensmittelpunkt und Designobjekt zugleich“, unterstreicht Julius Martini den Anspruch. Da hilft die Zusammenarbeit mit Designern wie Sebastian Herkner und Steffen Kehrle, die das Lebensgefühl einer jungen Klientel treffen, die Möbel genauso selbstverständlich online kauft wie Mehrkornbrötchen beim Biobäcker.

Alle Beispiele finden Sie in der Bildergalerie über diesem Text.

Mehr aus unserem Special zur imm cologne 2015 lesen Sie hier...

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Richard Lampert

www.richard-lampert.de

Stattmann Neue Moebel

www.stattmann-neuemoebel.de

Interlübke

www.interluebke.de

Sitzfeldt

www.sitzfeldt.com

Special: imm cologne 2015

Das große Designlines-Special zur Kölner Möbelmesse

www.designlines.de

Mehr Stories

Digitale Werkzeuge in der Innenarchitektur

Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Natursteinästhetik in Keramik

Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Creative Britannia

Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Auf stilvoller Welle

Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Spektrum der Ruhe

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Rauchzeichen aus dem Abfluss?

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Design als kulturelles Gedächtnis

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Alles Theater

Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Zurück zur Kultiviertheit

Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Dialog der Ikonen

Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Leben im Denkmal

Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Mission Nachhaltigkeit

Stille Materialrevolutionen bei Vitra

Stille Materialrevolutionen bei Vitra

Zwischen Zeitenwende und Tradition

Unsere Highlights der Munich Design Days und des Münchner Stoff Frühlings

Unsere Highlights der Munich Design Days und des Münchner Stoff Frühlings

Spiel der Gegensätze

Best-of Outdoor 2025

Best-of Outdoor 2025

Outdoor mit System

Clevere Lösungen für Außenbereiche von Schlüter-Systems

Clevere Lösungen für Außenbereiche von Schlüter-Systems

ITALIENISCHE HANDWERKSKUNST

Mit Möbeln, Leuchten und Textilien gestaltet SICIS ganzheitliche Wohnwelten

Mit Möbeln, Leuchten und Textilien gestaltet SICIS ganzheitliche Wohnwelten

Glas im Großformat

Das Material Vetrite von SICIS bringt Vielfalt ins Interior

Das Material Vetrite von SICIS bringt Vielfalt ins Interior

Surrealistische Vielfalt in Paris

Highlights von der Maison & Objet 2025

Highlights von der Maison & Objet 2025

Aus der Linie wird ein Kreis

Reparatur und Wiederverwertung in der Möbelindustrie

Reparatur und Wiederverwertung in der Möbelindustrie

NACHHALTIGKEIT TRIFFT DESIGN

GREENTERIOR by BauNetz id auf dem Klimafestival 2025

GREENTERIOR by BauNetz id auf dem Klimafestival 2025

Flora und Fauna

Neues von der Design Miami 2024 und Alcova Miami

Neues von der Design Miami 2024 und Alcova Miami

Vom Eckkonflikt zum Lieblingsraum

Geschichte und Gegenwart des Berliner Zimmers in fünf Beispielen

Geschichte und Gegenwart des Berliner Zimmers in fünf Beispielen

Möbel als Kulturgut zelebrieren

COR feiert seinen 70. Geburtstag

COR feiert seinen 70. Geburtstag

Nachhaltig Platz nehmen

Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Historische Moderne

Best of Interior 2024 geht an das Studio AADA

Best of Interior 2024 geht an das Studio AADA

Design nach Wunsch

Zum individuellen Türgriff mit dem Online-Konfigurator von Karcher Design

Zum individuellen Türgriff mit dem Online-Konfigurator von Karcher Design

Rendezvous mit Prouvé

Die Highlights der Design Miami Paris 2024

Die Highlights der Design Miami Paris 2024

Begehbare Kunstwerke, Teil 2

Weitere Gestalter*innen teilen ihre spannendsten Bodengeschichten mit uns

Weitere Gestalter*innen teilen ihre spannendsten Bodengeschichten mit uns

Westfälische Werte

Sitzmöbel von KFF aus Lemgo erobern die Welt

Sitzmöbel von KFF aus Lemgo erobern die Welt

Ikone der Moderne

Film über Eileen Grays Villa E.1027 an der Côte d’Azur

Film über Eileen Grays Villa E.1027 an der Côte d’Azur