Leo Lübke
2012 war für den Systemmöbelhersteller Interlübke ein turbulentes Jahr. Im Oktober musste das 1937 gegründete Familienunternehmen Insolvenz anmelden. Die Nachricht erreichte die Branche zum Auftakt der Büromesse Orgatec und entfachte ein enormes Medienecho. Knapp drei Monate später wurde nun am 14. Januar 2013 der Neustart von Interlübke verkündet. Welche Gründe in die Insolvenz geführt haben und mit welchen Schritten das Unternehmen in Zukunft weiter wachsen will, darüber sprachen wir mit dem alten und neuen Geschäftsführer Leo Lübke.
Herr Lübke, Sie haben das Insolvenzverfahren in gerade einmal drei Monaten überstanden und den Neustart von Interlübke während der Kölner Möbelmesse imm cologne offiziell verkündet. Wie ist es gelungen, das Verfahren so schnell abzuschließen?
Am 22. Oktober 2012 haben wir den Antrag gestellt, aber Interlübke war schon in den Jahren davor in schwierigem Fahrwasser. Seit Mitte der neunziger Jahre haben sich die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen vermehrt, seitdem mussten wir die Anzahl der Mitarbeiter mehrmals verringern. Wie bei anderen Herstellern hatten wir es zunehmend mit einem schwierigen konjunkturellen Umfeld durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun. Als Möbelhersteller ist Interlübke enorm exportorientiert. Zu Spitzenzeiten im Jahr 2007 hatten wir noch eine Umsatzsteigerung von 10 Prozent mit einer Exportquote von 43 Prozent. Das ist viel, vor allem für einen Hersteller von Kastenmöbeln. Heute liegt der Exportanteil bei 35 Prozent. Daran erkennt man, wie gravierend die Entwicklung verlaufen ist. Ab März 2012 intensivierte sich das noch einmal aufgrund der mangelnden Auftragslage.
Und Sie mussten die Frage der Insolvenz ins Auge fassen...
Ja, Ende des Spätsommers wurde die Entwicklung kritischer. Wir haben uns gefragt, was eine Insolvenz mit dem Ziel der Sanierung bedeuten kann und wie wir damit umgehen würden. Am Ende der dritten Oktoberwoche waren wir ohne Alternative, als einen Eigenantrag auf Insolvenz zu stellen. Dass wir das Sanierungsziel und die Fortführung von Interlübke klar vor Augen hatten, war sicher auch ein Grund dafür, warum wir das Verfahren so schnell überwunden haben.
Welche Veränderungen bringt die Sanierung mit sich? Die Gläubigerversammlung hatte zuvor der Übertragung der Immobilien und des operativen Geschäfts in die neu gegründete Lübke GmbH & Co. KG einstimmig zugestimmt.
Wir haben die Betriebsfläche um zehn Prozent verkleinert. Für eine gemietete Halle haben wir den Vertrag nicht verlängert. Auch mussten wir den gesamten Betrieb umstrukturieren, Produktionsprozesse und Lagerkapzitäten optimieren. Das war richtig harte Arbeit. Dass die Mitarbeiter in dieser Phase geschlossen zu uns gehalten haben, hat uns enorm geholfen. Dennoch mussten wir weiter Personal abbauen. Wir hatten Anfang des Jahres 2012 noch knapp 300 Mitarbeiter und liegen jetzt bei 245 Beschäftigten, also 50 Mitarbeitern weniger. Das war ein sehr schmerzhafter Prozess. Aber immerhin ist es uns gelungen, 245 Arbeitsplätze zu erhalten. Darüber bin ich wirklich sehr glücklich. Durch den geringeren Kostendruck sind die betriebswirtschaftlichen Grundvoraussetzungen deutlich besser geworden. Genauso wichtig ist aber auch, wie es mit den Modellen weitergeht. Da liegt noch ein Weg vor uns.
Ein erster Schritt war die Reduktion von fünf verschiedenen Kommodensystemen auf das Programm Cube von Werner Aisslinger. Wie wollen Sie mit weniger Produkten mehr Umsatz erzielen?
Unsere Kollektion war sehr komplex in ihrer Vielfalt und all ihren Varianten. Das hat uns betriebswirtschaftlich enorm belastet, weil die Losgrößen immer kleiner wurden. Aber auch für die Kunden sollte die Kollektion übersichtlicher werden. Durch die Straffung haben wir das Cube-Programm nun deutlich aufgewertet, das jetzt viel mehr kann als früher und mehr Einsatzmöglichkeiten bietet. Mit einem Kommodenprogramm in jetzt vier Varianten lassen sich jetzt alle Kundenbedürfnisse abdecken. Der Wechsel von einem Programm zum anderen entfällt. Auf diese Weise können wir klarer, transparenter und einfacher werden. Wir bleiben System-Hersteller und konzentrieren uns auf ein schlankes, attraktives Gesamtprogramm. Als nächstes wollen wir dieses Konzept bei unseren Schrankprogrammen umsetzen. Das ist ein anhaltender Prozess.
Also werden Kleinmöbel komplett ad acta gelegt?
Nicht unbedingt, weil sich Einzelmöbel natürlich aus unseren Programm ableiten lassen. Es geht um die Art und Weise, wie man sie anbietet. Viele Einzelmöbel, die heute auf den Markt kommen, haben einen modischen und oft auch willkürlichen Charakter. Kastenmöbel sind immer auch ein Teil der Architektur, die Systeme braucht. Ich glaube, dass der Weg richtig war, den Interlübke in der Vergangenheit gegangen ist. Wir haben gesagt, unsere Schwerpunkte sind und bleiben integrierte Lösungen, die jeweilige Einzellösung entsteht genauso gut daraus. Trotzdem muss auch ein Baukasten-Programm Charakter haben und unverwechselbar sein. Wir wollen auf diese Weise zukunftsweisende Lösungen für den Wohnraum anbieten, die über der Zeit stehen und nicht angestrengt modisch sein dürfen.
Mit dem neu vorgestellten System Cube Play haben Sie zudem eine spielerische Ergänzung des Cube-Programms vorgestellt. Was hat es damit auf sich?
Wir haben festgestellt, dass das Wohnen in Zukunft noch leichter und transparenter wird und auch ein wenig verspielter, womit wir uns zugegebenermaßen früher etwas schwer getan haben. Mit Cube Play und Cube Change haben wir Varianten entwickeltn, die unsere Cube-Programme Gap und Fine ergänzen. Wir können so von ganz minimalistisch bis sehr verspielt eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen anbieten. Das hat uns bisher noch gefehlt.
Wie stark wollen Sie 2013 wachsen?
Wir hatten 2011 ein Wachstum von über fünf Prozent. Durch die Insolvenz sind wir natürlich ein Stück geschrumpft. Aber wir wollen wieder wachsen. Die Reaktionen auf die Insolvenzphase und den Neustart haben uns gezeigt, welche Strahlkraft der Name Interlübke hat. Es gab ja eine richtige Welle der Berichterstattung in den Medien, und auch die Öffentlichkeit hat sehr solidarisch reagiert. Das zeigt, dass das Potenzial der Marke bei weitem höher liegt als die 31,6 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr. Für 2013 streben wir 32,5 Mio. Euro an.
In welche Märkte wollen Sie weiter expandieren?
Wir müssen behutsam wachsen und schauen, wie wir im Export wieder zulegen, ebenso im Objektbereich. Da gibt es noch viele Möglichkeiten. Aber das wollen wir nicht übers Knie brechen, sondern behutsam die richtigen Schritte gehen. Wir müssen uns erst einmal abschließend optimieren und dann die Möglichkeit zum Wachsen ausnutzen. Das ist wie im Garten. Im Herbst muss man auch die Äste zurückstutzen, damit im nächsten Frühjahr umso stärkere Triebe kommen und der Baum kraftvoll weiter wachsen kann.
Gibt es Überlegungen, den Vertrieb neu zu strukturieren?
Da sind wir grundsätzlich der Meinung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Viele haben uns in der letzten Wochen gesagt, dass wir endlich aufwachen und in die Masse gehen sollen anstatt nur die Premiumhäuser zu beliefern. Aber das werden wir nicht tun. Interlübke steht für hohe Qualität und hohe Beratungsleistung. Das kann nur der qualifizierte Fachhandel leisten und nicht die Großflächen. Was wir verbessern müssen, ist die Kundennähe und die Vermittlung unserer Stärken. Wir müssen mehr im Objektbereich machen und unsere Programme dafür passfähiger gestalten. Im Einzelhandel wollen wir zudem gemeinsamer mit unserer Schwestermarke Cor auftreten, weil sich Kastenmöbel und Sitzmöbel unmittelbar ergänzen.
Stimmt es, dass ausschließlich auf Kommission gefertigt wird und nicht auf Lager?
Ja, das wäre auch anders gar nicht möglich. Die Fertigung muss sich dahin entwickeln. Ganz klar wollen wir auch hier noch kundenspezifischer werden und alles wirklich erst dann produzieren, wenn der Auftrag vorliegt. Auf diese Weise können wir noch stärker Lagerkosten einsparen. In Lizenz produzieren zu lassen, kommt für uns nicht in Frage. Alles, wo Interlübke drauf steht, wird auch in Zukunft in Rheda-Wiedenbrück produziert und nicht woanders.
Ihre Produktionsstraßen für Kastenmöbel sind mit hohen Unterhaltskosten verbunden. Würden Sie auch Aufträge anderer Firmen annehmen, um die Auslastung weiter zu erhöhen?
Das machen wir sogar schon seit letztem Jahr für den Modellverband WK Wohnen und befinden uns damit in einer nicht-konkurrenten Situation, Solche Formen der Kooperation sind sinnvoll. Wir erwarten allein aus diesem Auftrag einen zusätzlichen Umsatz von über zwei Millionen Euro. Wenn das gut funktioniert, können wir darüber nachdenken, die Kooperationen noch weiter auszubauen. Allerdings müssen wir auch hierbei aufpassen, nicht zu viele Produkte zu produzieren, um nicht dieselben Schwierigkeiten zu bekommen, die wir jetzt überwunden haben. Hinzu kommt, dass es gar nicht so viele Hersteller gibt, die einen ähnlich hohen Qualitätsanspruch haben. Es nützt ja nichts, wenn wir auf einmal Billigmöbel produzieren. Das können wir nicht und wollen wir auch nicht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Beiträge zur Kölner Möbelmesse imm cologne 2013 finden Sie in unserem Special.
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