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Designstar des Nahen Ostens

Hausbesuch bei der libanesischen Gestalterin Nada Debs in Dubai

Als Nada Debs nach Dubai zog, wusste sie, wo sie wohnen wollte: in einem Bungalow aus den Achtzigerjahren samt lauschigem Garten. Bei einem Hausbesuch sprachen wir mit der libanesischen Designerin über das Wohnen und ihre erstaunliche Karriere.

von Claudia Simone Hoff, 26.02.2025

Dubai ist gerade in der westlichen Wahrnehmung nicht unbedingt positiv besetzt, auch was die Architektur betrifft. Dass es fernab der glitzernden, aber oft seelenlos wirkenden Hochhausfassaden auch echte Architektur-Highlights gibt, kann man indes in Jumeirah entdecken. In diesem Stadtteil südlich von Downtown gibt es ganze Straßenzüge weißer Bungalows mit schattigen Gärten, die verblüffend an Palm Springs erinnern.

In einem dieser Bungalows wohnt Nada Nebs. Die Designerin hat ihren Hauptwohnsitz vor ein paar Jahren von Beirut nach Dubai verlegt – der politisch und wirtschaftlich volatilen Lage im Libanon wegen. Doch noch immer reist sie regelmäßig in ihr Studio nach Beirut, auch weil ihre kunstvollen Entwürfe allesamt von libanesischen Handwerker*innen gefertigt werden. „In den Emiraten haben sie keine Geduld für das Handwerk, hier zählt Geschwindigkeit“, sagt sie lachend.

Eingebettet in lauschiges Grün
Das einstöckige Haus liegt auf einem Eckgrundstück und ist von einer weißen Mauer umgeben, sodass es von außen nicht einsehbar ist. Schön bepflanzte Beete neben dem Bürgersteig weisen darauf hin, dass hier eine Gartenliebhaberin mit einem ausgesprochenen Sinn für Ästhetik wohnt. In ihrer Anfangszeit in Dubai hätte sie in einer möblierten Unterkunft gewohnt, erzählt Debs. Doch dann wollten immer mehr Kund*innen ihre Entwürfe auch in echt sehen und sie entschied sich, auf die Suche nach einem geeigneten Ort zu gehen. Einem Ort, an dem sie wohnen und der gleichzeitig auch als Showroom dienen konnte.

„Meine Kunden mögen es persönlich und lieben das Besondere“, erklärt sie ihre Wahl. Das weiß getünchte Gebäude wirkt für Dubaier Verhältnisse zwar fast bescheiden, doch bei näherem Hinsehen ist seine Einfachheit und Zurückhaltung der wirkliche Luxus. Nicht nur strahlt das von Nada Debs geschaffene Interior Ruhe aus. Es ist die Verbindung des Hauses zum Garten, der eine fast kontemplative Stimmung schafft. Große Fenster weisen in den Außenraum, der das Haus von allen Seiten umgibt und über verschiedene lauschige (Sitz-)Plätze verfügt.

Über den kulturellen Tellerrand
Wie keine andere gilt Nada Debs als Vorreiterin zeitgenössischen Designs im Nahen Osten. Nicht nur, weil sie seit rund 25 Jahren zeigt, dass es in einem patriarchalisch geprägten und konservativen Land wie dem Libanon möglich ist, als Gestalterin Erfolg zu haben. Sie war neben Karen Chekerdjian auch eine der ersten Designer*innen, die in den Neunziger- und Zweitausenderjahren das libanesische Handwerk wiederentdeckten, mit ihren Entwürfen verwob und einen zeitgemäßen Look verpasste.

„Als ich nach Beirut gezogen bin, hat sich dort niemand für das Handwerk interessiert“, erzählt Nada Debs. Sie hat schon immer über den kulturellen und gestalterischen Tellerrand hinausgeschaut, was auch mit ihrer Lebensgeschichte zu tun hat. Aufgewachsen ist sie in Japan als Tochter von Textilunternehmer*innen, danach studierte sie Innenarchitektur in den USA, wohnte in London und entschied sich mit fast 40 Jahren in den Libanon zu ziehen und in die Kultur ihrer Vorfahren einzutauchen. In ihrem Dubaier Haus sind viele ihrer Arbeiten zu sehen, darunter geknüpfte Teppiche, geflochtene Körbe oder Objekte mit Intarsien, mit denen sie berühmt geworden ist. Und auch einige japanische Stücke wie die Tatami-Matten im Schlafzimmer gibt es zu entdecken. „Wenn man in Japan aufgewachsen ist, dringt die japanische Ästhetik automatisch in das Unterbewusstsein ein“, sagt sie.

Wohnen mit Nada
Das große Wohnzimmer ist der Mittelpunkt des Hauses und wirkt hell und luftig. Da sind zum einen die teils bodentiefen Fenster sowie die geschickte Einrichtung, bei der die Form des Kreises eine wichtige Rolle spielt. Zwei Sofas mit abgerundeten Holzgestellen aus der Kollektion Zen umrahmen einen runden Knüpfteppich, den ebenfalls Nada Debs gestaltet hat. Dazu gesellen sich mehrere runde Beistelltische aus der Serie Zigzag mit den für die Designerin typischen Einlegearbeiten aus Perlmutt, die mit Naturstein und Holz kombiniert werden. Einige Konsolen ergänzen das elegante Ensemble, wovon eine aus der Serie Keeping it together stammt.

Kosmopolitin & Netzwerkerin
Dass Nada Debs eine Kosmopolitin, in der Kunst- und Designszene gut vernetzt und im Nahen Osten geradezu ein Star ist, sieht man der Einrichtung ihres Bungalows an. Er dient nicht nur der Präsentation der eigenen, meist maßgefertigten Entwürfe, sondern zeigt auch die erstaunliche Vielseitigkeit der Gestalterin. Nada Debs hat Möbel, Teppiche, Schmuck und Taschen entworfen und zählt Unternehmen wie Kohler, de Gournay, Kahhal Looms und Dior zu ihren Kunden.

Ort der Ruhe
Fast alle Räume des Hauses haben einen Zugang zum Garten, der von weißen Mauern umgeben wie ein klassischer Hofgarten wirkt und dadurch für Privatheit sorgt. Er vervielfacht die Wohnfläche des Bungalows, was an einem warmen Ort wie Dubai sehr praktisch ist. Weil Wasserknappheit in den Emiraten ein großes Thema sei, habe sie sich einen nachhaltigen Garten gewünscht, erzählt Nada Debs und hat ihn mithilfe eines Landschaftsarchitekten mit einheimischen Pflanzen und Gräsern angelegt. Um Wohnlichkeit zu schaffen, kombiniert sie Loungesofas mit einem auffälligen Sideboard von Mary-Lynn und Carlo Massoud, einer offenen Feuerstelle und einem kleinen Brunnen, der in den Kieselsteinboden eingelassen ist. „Das Leben in Dubai kostet viel Energie“, sagt die Designerin. „Deshalb wollte ich einen Ort schaffen, an dem ich zur Ruhe kommen kann.“

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Links

Nada Debs, Beirut/Dubai

www.nadadebs.com

Dossier Libanesisches Design

www.baunetz-id.de

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