Designstar des Nahen Ostens
Hausbesuch bei der libanesischen Gestalterin Nada Debs in Dubai

Als Nada Debs nach Dubai zog, wusste sie, wo sie wohnen wollte: in einem Bungalow aus den Achtzigerjahren samt lauschigem Garten. Bei einem Hausbesuch sprachen wir mit der libanesischen Designerin über das Wohnen und ihre erstaunliche Karriere.
Dubai ist gerade in der westlichen Wahrnehmung nicht unbedingt positiv besetzt, auch was die Architektur betrifft. Dass es fernab der glitzernden, aber oft seelenlos wirkenden Hochhausfassaden auch echte Architektur-Highlights gibt, kann man indes in Jumeirah entdecken. In diesem Stadtteil südlich von Downtown gibt es ganze Straßenzüge weißer Bungalows mit schattigen Gärten, die verblüffend an Palm Springs erinnern.
In einem dieser Bungalows wohnt Nada Nebs. Die Designerin hat ihren Hauptwohnsitz vor ein paar Jahren von Beirut nach Dubai verlegt – der politisch und wirtschaftlich volatilen Lage im Libanon wegen. Doch noch immer reist sie regelmäßig in ihr Studio nach Beirut, auch weil ihre kunstvollen Entwürfe allesamt von libanesischen Handwerker*innen gefertigt werden. „In den Emiraten haben sie keine Geduld für das Handwerk, hier zählt Geschwindigkeit“, sagt sie lachend.
Außenansicht
Eingebettet in lauschiges Grün
Das einstöckige Haus liegt auf einem Eckgrundstück und ist von einer weißen Mauer umgeben, sodass es von außen nicht einsehbar ist. Schön bepflanzte Beete neben dem Bürgersteig weisen darauf hin, dass hier eine Gartenliebhaberin mit einem ausgesprochenen Sinn für Ästhetik wohnt. In ihrer Anfangszeit in Dubai hätte sie in einer möblierten Unterkunft gewohnt, erzählt Debs. Doch dann wollten immer mehr Kund*innen ihre Entwürfe auch in echt sehen und sie entschied sich, auf die Suche nach einem geeigneten Ort zu gehen. Einem Ort, an dem sie wohnen und der gleichzeitig auch als Showroom dienen konnte.
„Meine Kunden mögen es persönlich und lieben das Besondere“, erklärt sie ihre Wahl. Das weiß getünchte Gebäude wirkt für Dubaier Verhältnisse zwar fast bescheiden, doch bei näherem Hinsehen ist seine Einfachheit und Zurückhaltung der wirkliche Luxus. Nicht nur strahlt das von Nada Debs geschaffene Interior Ruhe aus. Es ist die Verbindung des Hauses zum Garten, der eine fast kontemplative Stimmung schafft. Große Fenster weisen in den Außenraum, der das Haus von allen Seiten umgibt und über verschiedene lauschige (Sitz-)Plätze verfügt.
Blick ins Schlafzimmer
Über den kulturellen Tellerrand
Wie keine andere gilt Nada Debs als Vorreiterin zeitgenössischen Designs im Nahen Osten. Nicht nur, weil sie seit rund 25 Jahren zeigt, dass es in einem patriarchalisch geprägten und konservativen Land wie dem Libanon möglich ist, als Gestalterin Erfolg zu haben. Sie war neben Karen Chekerdjian auch eine der ersten Designer*innen, die in den Neunziger- und Zweitausenderjahren das libanesische Handwerk wiederentdeckten, mit ihren Entwürfen verwob und einen zeitgemäßen Look verpasste.
„Als ich nach Beirut gezogen bin, hat sich dort niemand für das Handwerk interessiert“, erzählt Nada Debs. Sie hat schon immer über den kulturellen und gestalterischen Tellerrand hinausgeschaut, was auch mit ihrer Lebensgeschichte zu tun hat. Aufgewachsen ist sie in Japan als Tochter von Textilunternehmer*innen, danach studierte sie Innenarchitektur in den USA, wohnte in London und entschied sich mit fast 40 Jahren in den Libanon zu ziehen und in die Kultur ihrer Vorfahren einzutauchen. In ihrem Dubaier Haus sind viele ihrer Arbeiten zu sehen, darunter geknüpfte Teppiche, geflochtene Körbe oder Objekte mit Intarsien, mit denen sie berühmt geworden ist. Und auch einige japanische Stücke wie die Tatami-Matten im Schlafzimmer gibt es zu entdecken. „Wenn man in Japan aufgewachsen ist, dringt die japanische Ästhetik automatisch in das Unterbewusstsein ein“, sagt sie.
Sideboard von Mary-Lynn und Carlo Massoud
Wohnen mit Nada
Das große Wohnzimmer ist der Mittelpunkt des Hauses und wirkt hell und luftig. Da sind zum einen die teils bodentiefen Fenster sowie die geschickte Einrichtung, bei der die Form des Kreises eine wichtige Rolle spielt. Zwei Sofas mit abgerundeten Holzgestellen aus der Kollektion Zen umrahmen einen runden Knüpfteppich, den ebenfalls Nada Debs gestaltet hat. Dazu gesellen sich mehrere runde Beistelltische aus der Serie Zigzag mit den für die Designerin typischen Einlegearbeiten aus Perlmutt, die mit Naturstein und Holz kombiniert werden. Einige Konsolen ergänzen das elegante Ensemble, wovon eine aus der Serie Keeping it together stammt.
Kosmopolitin & Netzwerkerin
Dass Nada Debs eine Kosmopolitin, in der Kunst- und Designszene gut vernetzt und im Nahen Osten geradezu ein Star ist, sieht man der Einrichtung ihres Bungalows an. Er dient nicht nur der Präsentation der eigenen, meist maßgefertigten Entwürfe, sondern zeigt auch die erstaunliche Vielseitigkeit der Gestalterin. Nada Debs hat Möbel, Teppiche, Schmuck und Taschen entworfen und zählt Unternehmen wie Kohler, de Gournay, Kahhal Looms und Dior zu ihren Kunden.
Nada Debs besucht regelmäßig ihr Studio in Beirut.
Ort der Ruhe
Fast alle Räume des Hauses haben einen Zugang zum Garten, der von weißen Mauern umgeben wie ein klassischer Hofgarten wirkt und dadurch für Privatheit sorgt. Er vervielfacht die Wohnfläche des Bungalows, was an einem warmen Ort wie Dubai sehr praktisch ist. Weil Wasserknappheit in den Emiraten ein großes Thema sei, habe sie sich einen nachhaltigen Garten gewünscht, erzählt Nada Debs und hat ihn mithilfe eines Landschaftsarchitekten mit einheimischen Pflanzen und Gräsern angelegt. Um Wohnlichkeit zu schaffen, kombiniert sie Loungesofas mit einem auffälligen Sideboard von Mary-Lynn und Carlo Massoud, einer offenen Feuerstelle und einem kleinen Brunnen, der in den Kieselsteinboden eingelassen ist. „Das Leben in Dubai kostet viel Energie“, sagt die Designerin. „Deshalb wollte ich einen Ort schaffen, an dem ich zur Ruhe kommen kann.“
Nada Debs, Beirut/Dubai
www.nadadebs.comDossier Libanesisches Design
www.baunetz-id.deMehr Menschen
Berliner Avantgarde
Studiobesuch bei Vaust in Berlin-Schöneberg

Cologne Connections
Junge Designer*innen sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 2

Design als Klebstoff
Junge Gestaltende sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 1

Hilfsaktion in Kalifornien
Das Möbellabel Kalon Studios aus L.A. spricht über seinen „Wildfire Relief Free Market“

„Alles muss wandelbar sein“
Stephanie Thatenhorst über Interiortrends 2025

Feuer gefangen
Ein Studiobesuch bei Milena Kling in Berlin-Prenzlauer Berg

Weniger ist mehr
Ein Gespräch mit dem Berliner Architekten Christopher Sitzler

Ode an die Emotion
Interview mit dem französischen Designer Benjamin Graindorge

Maximale Formbarkeit
Ein Gespräch über Architekturbeton mit Silvia und Bernhard Godelmann

Townhouse in Mitte
Zu Besuch beim Berliner Architekten Patrick Batek

Design-Statements auf der Wand
Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Mehr Seele fürs Holz
Formafantasma und Artek im Gespräch

Dialog durch die Zeit
Der Schweizer Galerist und Restaurator Reha Okay im Gespräch

Der finnische Designmaterialist
Studiobesuch bei Antrei Hartikainen in Fiskars

Reif fürs Collectible Design
Studiobesuch bei Gisbert Pöppler in Berlin

Erhöhte Erdung
Sebastian Herkner über sein neues Sofaprogramm für Ligne Roset

„Qualität und Nachhaltigkeit gehören zusammen“
Ein Gespräch mit Johanna Ljunggren von Kinnarps

Form follows availability
Sven Urselmann über kreislauffähige Einrichtungskonzepte

Möbel, die das Leben bereichern
René Martens über den holistischen Designanspruch von Noah Living

Magie und Logik
Die italienische Designerin Monica Armani im Gespräch

„Wir haben eigentlich die Tapete neu erfunden“
Laminam-CEO Pierre Heck über die derzeit dünnste Keramikplatte der Welt

Polychromes Naturerlebnis
Aurel Aebi von atelier oï über die Arbeit mit Holz

Die Raummacherin
Interiordesignerin Maj van der Linden aus Berlin im Porträt

Sanfte Radikalität
Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Das Gute trifft das Schöne
Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Ein Designer in olympischer Höchstform
Mathieu Lehanneur im Gespräch

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“
Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“
Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese
Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm
Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm
