Menschen

„Einfach machen, nicht nachdenken“

Der Designer Frederik Fialin im Gespräch

Spaghettiregale und Fahnenstangen-Leuchten: Frederik Fialin liebt es skurril und eigenwillig. Ein Gespräch mit dem 35-jährigen Designer über die Qualitäten von Aluminium, über Collectible Design und Naivität.

von Jasmin Jouhar, 06.05.2025

Berlin-Tempelhof, ein alter Industriekomplex zwischen Stadtautobahn und Teltowkanal: Hier hat Frederik Fialin sein Studio. Der Däne lebt seit 2018 in Berlin, doch er plant, im Juni nach Mailand umzuziehen. Als Fialin nach der Schule nicht recht wusste, wie es weitergehen sollte, absolvierte er eine Lehre als Möbelschreiner. Danach ging er für ein Jahr nach Shanghai, um für einen Möbelhersteller zu arbeiten. In Berlin war er für mehrere Jahre bei einem Künstler beschäftigt, zu seinen Aufgaben gehörte es, dessen Rauminstallationen umzusetzen. Heute führt Fialin sein eigenes Studio, er entwirft Möbelstücke und Leuchten. Sie bestehen häufig aus Metall, entstehen in Kleinserien und sind online erhältlich.

Welche Funktionen hat ein Möbelstück oder eine Leuchte – neben den offensichtlichen, wie eine Sitzgelegenheit zu bieten oder einen Raum zu erhellen?
Es geht um Schönheit. Wir umgeben uns mit guten und schönen Dingen, weil sie unser Leben bereichern. So sehe ich das jedenfalls. Für mich liegt Schönheit im Einfachen und Ehrlichen. Ich bemühe mich immer, so viel wie möglich wegzulassen, meine Entwürfe zu vereinfachen und zu straffen. Wenn etwas funktional ist, ohne Überflüssiges, dann bereitet mir das Freude. Es ist wie ein aufgeräumter Schreibtisch, daran arbeitet man ja auch besser, ich zumindest.

Sollten Designobjekte auch Gefühle hervorrufen?
Das denke ich auf jeden Fall. Egal ob positiv oder negativ, Objekte sollten etwas ausdrücken. Es ist allerdings ein schmaler Grat: Ich denke nicht, dass Objekte eine Botschaft haben sollten – im Sinne etwa einer politischen Aussage. Mir ist es ein Anliegen, dass meine Entwürfe etwas Skurriles oder Eigenwilliges an sich haben, etwas, das einen zum Lachen oder zum Staunen bringt.

Warum verwendest Du häufig Aluminium und Edelstahl?
Das hat mit meiner Ausbildung zu tun, denn ich habe in Dänemark Möbelschreiner gelernt. Das spielt für mich heute keine große Rolle mehr, und ich möchte auch nicht als Schreiner wahrgenommen werden. Aber ich habe immer noch Spaß daran, mit Holz zu arbeiten. Als ich dann hier in Berlin für einen Künstler arbeitete, lernte ich Metall als Material kennen. Ich war sofort begeistert. Es ist fantastisch, was man mit Metall alles machen kann. Es ist so anders als Holz und doch ganz ähnlich.

Inwiefern ähnlich?
Holz lässt sich ja relativ einfach bearbeiten.Das geht auch mit Aluminium. Deswegen ist es für mich so ein großartiges Material. Es lässt sich mit der Säge schneiden, man kann einfach Gewinde hineinbohren, man kann es abschleifen. Ich würde sagen, Aluminium ist das Metall, das Holz am nächsten kommt. Es ist in sich stabil, aber man kann es auf viele verschiedene Weisen bearbeiten.

Könntest Du bitte ein Beispiel nennen?
Ich kann damit relativ schnell etwas umsetzen. Zum Beispiel der Tisch, an dem ich gerade arbeite. Ich hatte einen massiven Aluminiumblock im Studio und dachte mir, daraus könnte man doch einen Beistelltisch machen. Also habe ich ein Gewinde reingeschnitten und ein Edelstahlrohr mit einer Platte darauf montiert – und plötzlich steht da ein Tisch. Fantastisch!

Du arbeitest häufig mit den gleichen Halbzeugen, also vorgefertigten Werkstücken.
Ja, ich neige dazu, die gleichen Teile in vielen verschiedenen Projekten zu verwenden. Das Edelstahlrohr des Tischs zum Beispiel: Es hat 16 Millimeter Durchmesser und ist auch die Basis für mein Spaghetti-Regal. Für die Flagpole- und Calypso-Leuchten habe ich es ebenfalls benutzt. Es hat sich als sehr brauchbar erwiesen.

Spielt die dänische Designgeschichte eine Rolle in Deiner Arbeit?
Ich denke schon, auch wenn es vielleicht nicht so offensichtlich ist. Bei uns zu Hause sah es jedenfalls aus wie bei vielen anderen dänischen Familien.

Was meinst Du damit?
Na ja, sehr klassisch dänisch eben. Ein Superellipse-Tisch von Piet Hein, darüber hing eine PH-Leuchte von Poul Henningsen und darum herum standen Stühle von Wegner. Und ein oder zwei Stühle von Poul Kjærholm gab es auch. Vieles davon kann ich eigentlich nicht mehr ertragen, aber nur, weil ich es zu oft gesehen habe. Ich versuche nicht, ihre Designsprache nachzuahmen. Aber was mich wirklich beeindruckt: Es gibt keine unnötigen Details, das war teilweise wirklich anspruchsvoll. Die Art und Weise, wie die Verbindungen der Möbel konstruiert sind, mit so wenig Aufwand wie möglich. Es sollte mühelos aussehen. Das versuche ich auch zu erreichen. Oder nehmen wir Carlo Scarpa, den ich sehr bewundere, auch wenn meine Objekte vielleicht nicht so viel mit seinem Werk zu tun haben. Wie er all die Details herausstellt, anstatt sie zu verstecken! Die Scharniere zum Beispiel – sie sind bei ihm viel zu groß. Weil er sie ohnehin nicht verbergen konnte, zeigte er sie lieber. Das finde ich schön.

Als Designer arbeitest Du unabhängig, Du entwirfst Deine Objekte nicht nur, Du lässt sie auch selbst produzieren. Warum?
Ich finde es gut, dass ich die Kontrolle über den ganzen Prozess habe, selbst Prototypen bauen kann und so weiter. Aber mittlerweile kann ich mir vorstellen, auch etwas für ein Unternehmen zu entwerfen. Da kümmere ich mich aktiv darum. Das ist auch einer der Gründe für meinen Umzug nach Mailand, der im Juni passieren soll. Mailand ist mit Blick auf die Möbelindustrie einfach sehr interessant: die Tradition und die hohe Qualität der Herstellung. Aber die Stadt kann auch ziemlich einschüchternd sein, es gibt viel Konkurrenz. Die Produktion meiner Möbel bleibt in Berlin.

Wo verkaufst Du Deine Möbel und Leuchten?
Das meiste geht in die USA, meine Objekte sind auf verschiedenen Onlineplattformen erhältlich – wie Claude Home und The Oblist. Mein Arbeit ist irgendwo zwischen Serienprodukt und Collectible Design angesiedelt. Wobei ich den Begriff Collectible eigentlich nicht mag.

Collectible Design ist ja gerade ein großer Trend – warum magst Du den Begriff nicht?
Für mich ist es ein seltsamer Begriff – etwas sammlungswürdig zu nennen. Es ist zu einem globalen Phänomen geworden, aber ich befürchte, durch so einen Begriff in einer Schublade zu landen, eingeschränkt zu werden. Außerdem geht mir das alles gerade ein bisschen zu schnell.

Hast Du das Gefühl, Du musst ständig neue Entwürfe produzieren?
Ja, und das finde ich falsch. Deswegen habe ich Ende des vergangenen Jahres beschlossen, etwas Abstand zu gewinnen. Und erst mal Bilanz gezogen, welche Objekte es eigentlich schon gibt und in welche Richtung es jetzt weitergehen soll. Eine Antwort habe ich noch nicht gefunden, aber das ist okay.

Du beschreibst Deinen Designansatz manchmal als naiv. Was meinst Du damit?
Ich habe mit meiner Arbeit einen Punkt erreicht, an dem das Ego ein bisschen zu sehr ins Spiel kommt. Ich mache mir zu viele Gedanken.

Worüber?
Darüber, was ich mache und wie es wahrgenommen wird. Die interessantesten Sachen passieren, wenn ich nicht groß nachdenke, wenn ich eben naiv rangehe. Ohne vorgefasste Ideen, wo es hingehen soll. Was vielleicht nicht realistisch ist, aber ich versuche zumindest, mir eine Art kindliche Herangehensweise zu erhalten. Indem ich einfach mache und nicht denke. Spielerisch sein, das ist für mich naiv.

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Frederik Fialin

frederikfialin.com

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