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„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Zur Light + Building 2024 in Frankfurt, Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik, präsentierte Gira gleich vier Neuheiten. Wir sprachen mit Jörg Müller, Head of Product and Design bei Gira, über die aktuellen Entwicklungen, eine neue Weichheit in den Formen, Detailarbeit, nachhaltige Schalter und das Comeback der Fernbedienung.

von Kathrin Spohr, 11.03.2024

Das Designlinie Gira E2 zeichnet sich durch eine kantige Formgebung aus und ist der Liebling der Architekt*innen. Die Designlinie Gira E3 steht für Eleganz und Harmonie: außen abgerundet, innen eckig. Wie lässt sich die neue Designlinie Gira E1 beschreiben?
Reduziert und selbstverständlich! Gira E1 ist unsere neue Designlinie aus dem Gira System 55. Sie präsentiert sich mit unaufdringlicher Selbstverständlichkeit. Das Design ist reduziert, aber durch seine weichen Konturen dennoch ausdrucksvoll. Die Radien sind etwas kleiner als bei der Designlinie Gira E3. E1 ist schlicht, sachlich und prägnant im Detail und eignet sich daher für nahezu jedes Ambiente.

Welche Funktionen und Oberflächen umfasst E1?
Programmatik, Systematik und Farbstellungen sind identisch mit denen der Designlinie E2. Während E3 eine weite Farbpalette der Deckrahmen bietet und zusammen mit den Einsätzen auch schöne, zweifarbige Kombinationen ermöglicht, setzen wir bei E2 und E1 auf ein monochromes Konzept. E2 und E1 stehen damit komplett nebeneinander, auch was den Preis angeht.

Wird E1 eine der anderen Designlinien ersetzen?
E1 ist eine Ergänzung. Wir möchten den Kund*innen mehr Gestaltungsoptionen geben. Mit E1, E2 und E3 bieten wir nun eine schöne Auswahl unterschiedlicher Designsprachen: Es gibt Kund*innen, die das Scharfkantige, Eckige von E2 nicht so anspricht. Anderen ist E3 wiederum zu dekorativ. E1 ist die neue, schlichte Alternative, die etwas weichere Form, die mit den Radien spielt. Wir verstehen dies nicht als Richtungswechsel, sondern als Designpluralität.

Warum gibt es Bedarf für eine neue Schalterlinie?
In der Architektur wird einerseits sehr „straight“ gearbeitet, andererseits sehr organisch. Diese beiden Welten stehen heute nebeneinander. Mit der neuen Designlinie Gira E1 können wir beide gleichzeitig bedienen.

Erstmals hat Gira auf der Light + Building die Designlinie Gira E2 in einer neuen Variante „Lichtgrau“ aus Rezyklat vorgestellt. Können Sie diese Entwicklung erläutern?
Rezyklat-Schalter bieten wir bereits seit Jahren an. Viele Architekt*innen fragen nach Schaltern aus alternativen Materialien. Es ist bei uns jedoch keine Katalogware, weil wir die Menge nicht sicherstellen können. Denn es handelt sich um Überbleibsel-Werkstoff aus unserer Produktion. Man kann nie sicher wissen, wie viel Kunststoffreste anfallen. Alles, was bei uns an Kunststoff abfällt, wird wieder neu gemahlen. Es kommen Aufheller, UV-Stabilisatoren dazu. Die Farbe weicht dann auch von herkömmlich hergestellten Schaltern etwas ab. Man sieht einen Unterschied. Kleinere Auflagen können wir immer bedienen. Wenn aber ein großes Hotel mit Rezyklat-Schaltern ausgestattet werden soll, könnte das manchmal schwierig werden. Wir haben das Thema nun erstmals auf der Messe kommuniziert, weil wir sehen wollten, wie hoch die Nachfrage tatsächlich ist. Wir könnten gegebenenfalls Restkunststoffe von anderen Unternehmen dazukaufen. Es muss nur exakt das gleiche Material sein.

Sie haben auch einen neuen Gira Flächenschalter präsentiert. Worin liegt die Stärke des Entwurfs?
Der neue Schalter ist cleaner als sein Vorgänger. Er überzeugt durch einen flacheren Schaltwinkel, hat ein kleineres Spaltmaß und damit eine größere Fläche für erleichterte Bedienung.

Wie wurde diese Entwicklung möglich?
Bei 230 Volt gibt es in den Kammern der Schalter eine sehr starke Hitzeentwicklung. Früher brauchte man Abstände zwischen den Materialien, um die Hitzeentwicklung zu minimieren. Dieses kann man heute über dünnere Materialien, über Legierungen lösen. Damit werden die Kammern extrem klein und die Spaltmaße lassen sich reduzieren. Man hat weniger bewegte Teile, kann präziser arbeiten. Das ist jetzt Designarbeit in Zehnteln! Wir entwickeln unsere Produkte für den Handwerker, denn wenn eine Schalterdose nicht hundertprozentig perfekt gesetzt wird, muss trotzdem noch alles zusammenpassen. Die Designentwicklung eines Schalters ist vergleichbar mit der Arbeit am Uhrwerk: Man muss etwas Spielraum lassen und gleichzeitig in höchster Präzision gestalten.

Die Bedienfläche des neuen Schalters ist größer…
Es sind 70 Millimeter im Quadrat. Man hat für die Funktionen mehr Fläche. Das ist sehr komfortabel. Der Schalter wirkt sehr puristisch und insgesamt größer, obwohl er inklusive Rahmenabdeckung exakt die gleichen Außenmaße wie ein Gira E2-Schalter hat.

Immer mehr Verbraucher*innen nutzen Smartphone-Apps zur Steuerung von Beleuchtung. Wo kommt der Flächenschalter dann noch zum Einsatz?
Das sehen wir anders: Der Hype, alles mit dem Handy zu steuern, ist schon wieder vorbei. Man nutzt das Smartphone nur, um das Zuhause von unterwegs zu bedienen. Der Trend geht eher dahin, dass die Leute das Handy im Haus nicht nutzen wollen. Digital Detox. Die neue Eleganz ist es stattdessen, zu Hause wieder Fernsteuerungen für TV und Hi-Fi-Anlage parat liegen zu haben.

Das Gira System 106 ist eine modular aufgebaute Türkommunikation. Bisher erhältlich in Ausführungen wie Edelstahl, Aluminium, Bronze (PVD), Verkehrsweiß – eher glänzende Oberflächen. Jetzt präsentiert Gira die neue Farbe Matt Schwarz. Was gab den Impuls dazu?
Matt Schwarz ist der Farbtrend der letzten Jahre, unser Verkaufsschlager bei anderen Produkten. Es ist das neue Weiß, passt zu allem. Man kombiniert heute Naturmaterialien mit Matt Schwarz. Das wäre vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen.

Wie haben sich die Ansprüche an Interiors und Ausstattung in den letzten Jahren verändert?
Das Leben wird teurer, auch das Ausgehen. Damit wird das Thema „Wohlfühlen im Zuhause“ wichtiger. Es geht hin zum Naturalismus. Farben werden in unserem Bereich kaum nachgefragt – alles ist sehr gedeckt und uniform. Bei den Möbeln ist das anders, wo man gerne mal auf Akzentfarben setzt: das rote Sofa, der grüne Stuhl und so weiter. Die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit spielen für Materialien und Oberflächen eine sehr große Rolle. Dadurch kommt meiner Meinung nach auch diese gewisse Weichheit in die Formen.

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