Townhouse in Mitte
Zu Besuch beim Berliner Architekten Patrick Batek

Patrick Batek wusste sofort, dass er sich hier ein Haus bauen wollte. Mitten in Berlin, in einem Hinterhof, der umgeben ist von Gebäuden aus der Jahrhundertwende. Wir wollten wissen, wie der Architekt eingerichtet ist, und verabredeten uns mit ihm zum Lunch in seiner Wohnküche. Die Hausbesichtigung offenbarte gute Gestaltung auf vier Etagen sowie Bateks Sammelleidenschaft für Bücher, Kunst und allerlei Designtrouvaillen.
Es ist Markttag am Arkonaplatz, wo auch Patrick Batek gern einkauft. Hier reiht sich Gründerzeitfassade an Gründerzeitfassade. Dahinter verbergen sich die für Berlin so typischen Hinterhöfe, die oft idyllisch, still und wunderbar begrünt sind. Genau solch einen Hinterhof entdeckte der Architekt vor einigen Jahren ganz in der Nähe und überredete den Besitzer, ihm das rund 200 Quadratmeter große Baugrundstück zu verkaufen.
Hinterhofidylle
Patrick Batek hat das viergeschossige Townhouse RHE42 ganz nach seinen Vorstellungen entworfen und bewohnt es seither selbst. Es befindet sich in einer ruhigen Seitenstraße unweit des ehemaligen Mauerstreifens. Sobald man die Tür des Hausflurs zum Hinterhof geöffnet hat, taucht der Neubau auf. Die gestalterische Idee ist so einfach wie effektvoll: Das Wohnhaus besteht aus vier sich nach oben verjüngenden Kuben, die übereinandergestapelt sind. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich eine kompakte, 60 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Einliegerwohnung mit Zugang zum kleinen Garten, während der Bauherr die oberen drei Geschosse samt Dachterrasse bewohnt. Die Grünflächen wurden vom Berliner atelier le balto gestaltet und schaffen ein lauschiges Ambiente, das an heißen Sommertagen für angenehmen Schatten und auch Privatheit sorgt.
Lichtfänger
Das Townhouse lehnt sich an eine Brandwand und ist an drei Seiten von Altbauten umgeben. Dass das Haus dennoch lichtdurchflutet ist, hat mit der Staffelbauweise, den bodentiefen Fenstern und dem ausgeklügelten Lichtkonzept zu tun. Seit über zehn Jahren arbeitet Patrick Batek mit seinem Büro Batek Architekten mit der Leuchtenmanufaktur PSLab zusammen. „Weil Lichtplanung eine eigene Disziplin ist, die man als Architekt nicht einfach mal so nebenbei machen kann“, sagt er. Bereits im schön begrünten Garten trifft man auf einige metallene Outdoor-Leuchten des libanesischen Herstellers, die mit ihrer schmalen, hohen Form kaum von den Baumstämmen zu unterscheiden sind.
Einmal eingetreten in das Haus des Architekten, geht es vom kompakten Entree mit Einbaugarderobe über eine schlichte Eichenholztreppe hinauf in den ersten Stock. Dort sind ein Gäste- und Badezimmer untergebracht sowie der Master Bedroom samt En-Suite-Bad. Es ist Bateks Lieblingsraum, denn er schaut gern vom Bett in den begrünten Innenhof, erzählt er. Auch das Badezimmer wirkt mit frei stehender Wanne, Kunstwerken und Dekorationsobjekten sehr wohnlich. Über dem Waschbecken sind seitlich des großen Spiegels Wandleuchten angebracht, während in der Ecke platzierte Einbauspots die Dusche in ein schummriges Licht tauchen. Batek faszinieren Leuchten, die besondere Lichtatmosphären herstellen, „eine eigene Welt erschaffen und fast geheimnisvoll wirken“, wie er sagt. Dabei nehmen sich die Leuchten gestalterisch zurück – so auch im dritten Stock, in dem Küche, Essplatz und Wohnzimmer als Floating Space angelegt sind.
Open Space
Der großzügige Wohnbereich mit seiner teils doppelten Raumhöhe steht im Zentrum des Hauses und wird von kleinen Strahlern beleuchtet, die farblich eins werden mit der Decke. Dazu gesellen sich auffällige Designleuchten wie das gläserne Exemplar von Angelo Mangiarotti aus den Siebzigerjahren. Der 50-jährige Hausherr hat eine Vorliebe für Vintage-Stücke und im Wohnzimmer Möbel aus den Sechzigern, die ihm einst seine Eltern schenkten, mit brasilianischen Designklassikern und Kunstwerken arrangiert. Und auch ein Faible fürs Lesen und Stöbern hat Batek, wie man am übergroßen Couchtisch sieht, auf dem sich Kunst- und Fotobände stapeln. Alles in diesem Raum mutet persönlich an – nichts ist zu spüren von der Kühle und Kargheit vieler Architektenwohnungen. Batek mag das „Mix and Match“ von Farben, Formen, Stilrichtungen, günstigen und exklusiven Dingen. Und es gibt in seinem Zuhause Details, die man durchaus verspielt nennen könnte: kunstvoll und bunt bestickte Kissen beispielsweise oder opulente orientalische Gefäße als Reisemitbringsel, die auf einem Midcentury-Sideboard stehen. Dass hier dennoch alles wie aus einem Guss erscheint, hat damit zu tun, dass sich alles vor einem neutralen Hintergrund abspielt. Wände und Decken in Weißtönen treffen auf Eichenholzdielen, während riesige Fensterfronten das Grün der Hinterhof-Bäume ins Innere bringen.
Kindheitsträume
Am besten versteht man die Architektur und räumliche Disposition des Townhouse im Galeriegeschoss. Vom maßgefertigten Regal und Schreibtisch aus Nussbaumholz kann man über den sechs Meter hohen Luftraum nach unten ins lichtdurchflutete, eklektisch eingerichtete Wohnzimmer schauen. Hier oben befindet sich auch der Zugang zur Dachterrasse, die übereck angelegt und mit den verzinkten Outdoormöbeln der Brüder Bouroullec sowie schönen Pflanztöpfen ausgestattet ist. Doch bevor wir ein wenig draußen sonnenbaden, zeigt uns der Architekt noch einige Fundstücke aus seinem Elternhaus, die er gerade mit nach Hause genommen hat und nun ordnen will. Das Bauen und die Architektur haben ihn augenscheinlich schon immer fasziniert, denn auf seinen Kinderzeichnungen sind fast ausschließlich Häuser in allen Farben und Formen zu sehen.
Auch wenn Patrick Batek sein Townhouse heiß und innig liebt, kann er sich durchaus vorstellen, in nächster Zeit noch einmal umzuziehen. In eine Altbauwohnung aus der Jahrhundertwende mit riesigen Räumen, knarzenden Holzdielen, opulenten Stuckdecken und Flügeltüren. Wir haben uns jedenfalls schon mal zu einem Hausbesuch in Charlottenburg oder Schöneberg angemeldet.
FOTOGRAFIE Claudia Simone Hoff
Claudia Simone Hoff
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