„Licht ist eine Sprache“
Interview mit Lonneke Gordijn vom Amsterdamer Studio Drift

Seit 2007 schafft das Amsterdamer Studio Drift Installationen, die Natur und Technologie verbinden – und dabei sinnliche Erlebnisse erzeugen, die Menschen auf besondere Weise miteinander in Beziehung setzen. Mitgründerin Lonneke Gordijn spricht im Interview über natürliche Rhythmen, Licht als Sprache und Bewegung als Ausdruck des Lebens.
Seit 2007 erforschen Lonneke Gordijn und Ralph Nauta mit ihrem Amsterdamer Studio Drift das Zusammenspiel von Natur, Technologie und menschlicher Wahrnehmung. Ihre international realisierten Installationen, die mithilfe modernster Technologien umgesetzt werden, greifen biologische Phänomene, Prinzipien und Prozesse auf. So entstehen dynamische Skulpturen, darunter auch Installationen aus illuminierten Drohnen, die durch ihre Leichtigkeit und Präzision atmosphärische, fast magische Momente erzeugen.
In Kürze wird das Drift Museum in Amsterdam eröffnen, das auf einer Fläche von 8.000 Quadratmetern ganz Euren Arbeiten gewidmet ist. In einem Interview hast Du einmal betont, dass es Euch auch darum geht, welche Gefühle Eure Installationen beim Publikum auslösen. Welche Emotionen möchtet Ihr den Besucher*innen des Drift Museums vermitteln?
Wir möchten, dass die Besucher das Museum mit einem Gefühl der Energie verlassen, anstatt erschöpft zu sein. Wir verwenden choreografierte Kunstinstallationen und bewegliche Skulpturen, um das Publikum auf seinen natürlichen, ruhigen Rhythmus einzustimmen und ihm zu erlauben, zu fühlen und präsent zu sein. Um mit der eigenen Intuition in Kontakt zu kommen. Jedes Kunstwerk ist physisch im Raum erlebbar – ohne Einsatz von Bildschirmen.
Welche Geschichte werdet Ihr dort erzählen?
Jeder Raum dort lässt die Besucher in eine neue Situation eintauchen. Die damit verbundenen Erfahrungen bilden zusammen eine neue Art, sich zu fühlen und mit der Außenwelt in Beziehung zu treten. Wir möchten, dass die Menschen verstehen und erleben, wie sich eine gesunde Beziehung zu ihrer Umgebung anfühlt und welche Aspekte man fördern muss, um die Verbindung zu verbessern.
In Euren Projekten zeigt Ihr auf beeindruckende Weise, wie Natur und Technologie zusammenarbeiten können, wie sich das Organische mit dem Digitalen verbinden lässt. Was ist Eure Mission?
Technologie ist direkt aus den Bewegungen der Natur abgeleitet. Sie ist ein weiterer Schritt in der Evolution des Menschen. Sie beschleunigt Prozesse, die sonst mehr Zeit benötigen würden. Manche Abläufe werden schneller, während andere – wie unser Gehirn, Herzschlag oder regenerative Prozesse – gleich bleiben. So bringt Technologie zwar Fortschritt in bestimmten Bereichen, führt jedoch in anderen zunehmend zu einem Ungleichgewicht. In unseren Arbeiten nutzen wir Technologie, um Bewegung in einem Tempo zu erzeugen, die für den Menschen gesund ist. Der Rhythmus orientiert sich an den natürlichen Abläufen unseres Körpers – etwa dem Herzschlag in Ruhe oder der Atmung in Momenten der Entspannung. Anstatt uns voneinander zu entfernen, führen wir durch diese Herangehensweise Menschen zusammen – in einen Moment, in dem sich alle Rhythmen angleichen und echte Verbindung möglich wird. Wir bringen Mensch, Raum und Natur also auf dieselbe Frequenz und ermöglichen dem Publikum Erlebnisse, die ein neues Verhältnis zu unserem Planeten entstehen lassen.
Oft bewegt und verändert sich etwas in Euren Kunstwerken – sei es Shylight, die orchestrierten Drohneninstallationen Electric Sky in Arles und Breaking Waves in Hamburg oder auch das Projekt Drift Us zur Milan Design Week 2025 mit Audi. Welche Bedeutung hat Bewegung für Dich?
Bewegung ist Leben! Bewegung ist auch die Grundlage jeder neuen Verbindung.Alles, was lebt, ist in Bewegung. Es existiert und vermehrt sich durch Bewegung.Ob zu Fuß, schwimmend oder fliegend – oder indem es vom Wind oder Wasser getragen wird.
Licht spielt in Eurer Arbeit eine zentrale Rolle. Was fasziniert Euch so sehr daran?
Licht ist für uns eine Sprache – eine, die nicht den Verstand, sondern direkt den Körper anspricht. Es hat die Fähigkeit, Räume zu formen, Wahrnehmung zu verändern und Emotionen zu wecken, ganz ohne Worte. Wir fühlen uns von seiner flüchtigen Qualität angezogen. Licht kann Präsenz oder Abwesenheit erzeugen. Es kann entspannen, leiten, aufwecken. In unserer Arbeit ist Licht nie bloß eine ästhetische Ebene – es ist ein integraler Bestandteil der gesamten Erfahrung.
Eure Lichtdrohnen-Installationen sind meist multisensorische Erlebnisse. Wie schafft Ihr es immer wieder, den Zauber von Naturphänomenen mit hochtechnischen Mitteln nicht nur rein funktional, sondern auf so elegante, poetische und faszinierende Weise einzufangen?
Der eigentliche Zauber liegt nicht in der Technologie, sondern in dem, was Technologie freisetzt und ermöglicht. Wir kommunizieren durch Licht und Bewegung und bauen so eine emotionale Verbindung mit dem Publikum auf.
Mit der Roboterinstallation Drift Us, einer Eurer jüngsten Arbeiten, macht Ihr das Naturphänomen Wind zum Thema. Mit Textilfasern überzogene, riesige „Glühbirnen“ schwingen sanft hin und her, als Reaktion auf die Bewegungen der Besucher*innen. Welche Bedeutung hat diese Arbeit für Euch?
Drift Us ist inspiriert vom Wind – einer Kraft, die man nicht sehen, aber immer fühlen kann. Die interaktive Installation versetzt die Betrachter in die Rolle des Windes. Sie gibt die Möglichkeit, sich in dem Raum zu bewegen und ihn zu verwandeln. Dabei fühlt man sich wie ein Kind im hohen Gras. Drift Us ist also eine Einladung, das Unsichtbare zu spüren. Indem wir die Bewegung der Luft durch Licht und Textil sichtbar machen, entsteht ein gemeinsames sensorisches Feld.
Über zwei Jahre habt Ihr an der Entwicklung gearbeitet…
Wir haben jedes Detail sorgfältig abgestimmt, von den reaktiven Algorithmen bis zum Materialverhalten. An der Oberfläche wirkt das Werk einfach, doch dahinter verbirgt sich ein fein austariertes Zusammenspiel aus Code, Craft und Care.
Eure Projekte sind hochkomplexe Designsysteme: Die Motoren, Sensoren und sogar die Software-Lösungen, die benötigt werden, entwickelt Ihr selbst. Seht Ihr Euch als Künstler*innen, Designer*innen oder Technologieforscher*innen?
Wir haben nicht das Bedürfnis, uns streng auf eine Rolle festzulegen. Wir sehen uns als Übersetzer von Systemen, Sinneseindrücken und Fragen. Manchmal bedeutet das, dass wir als Künstler agieren und Ideen erforschen. Ein anderes Mal werden wir zu Ingenieuren, Entwicklern oder Designern. Unser 65-köpfiges Studio basiert auf der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen, denn nur durch diese Integration können wir Werke schaffen, die emotional und technisch ansprechen.
Beleuchtung wird derzeit durch digitale Technologien revolutioniert. Es geht nicht mehr nur um Funktion, sondern zunehmend um emotionale und gesundheitliche Wirkungen. Wie siehst Du die zukünftige Entwicklung?
Wir wünschen uns eine Entwicklung weg von rein bildschirmbasierten Darstellungen – hin zu Licht, das wieder physisch erlebbar ist. Licht sollte nicht bloß projiziert werden, sondern mit der Materie in Beziehung treten, Teil des Raums werden und auf sinnliche Weise erfahrbar sein.
Deine Lieblingsleuchte?
Die Sonne – sie ist alles, was wir brauchen!
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