Menschen

Maximale Formbarkeit

Ein Gespräch über Architekturbeton mit Silvia und Bernhard Godelmann

Beton ist ein Werkstoff, der in seinem Facettenreichtum überrascht. Er ist weit mehr als grau und eben, ein bloßer Hintergrund oder gar ein als kalt empfundenes Steinmaterial. Das in seiner Wirkung oft unterschätzte Material zeigt seine Seele, wenn es durch kreative Verarbeitung Innen- und Außenräume mit einer Ästhetik abseits des Alltäglichen veredelt. Im Interview erläutern Silvia und Bernhard Godelmann die ungeahnten Möglichkeiten, die in Architekturbeton von GODELMANN stecken – und große gestalterische Freiheiten bieten.

von Kristina Raderschad, 11.11.2024

GODELMANN ist bekannt für seine Kompetenz im Bereich Flächenbeläge aus veredeltem Beton, aber auch für hochfeinen Architekturbeton. Wie kam es zu dieser Spezialisierung?
Beton ist unser Lieblingswerkstoff – seit über 75 Jahren. Und diese Leidenschaft wird von Generation zu Generation weitergegeben. Mein Mann und ich sind die dritte Generation und mittlerweile seit über 25 Jahren im Unternehmen aktiv. Die nächste Generation steht auch schon wieder in den Startlöchern. Wir arbeiten tagtäglich mit der Materialität, mit den Eigenheiten und den Besonderheiten von Beton. Als „Stein-Erfinder“ liegt es daher in unserer DNA, unseren Werkstoff stetig weiterzuentwickeln. Im Außenbereich haben wir uns als Hersteller von hochwertigen Pflasterbelägen etabliert. Wir versuchen seit jeher, das Maximale aus Beton herauszukitzeln und uns weiterzuentwickeln.

Wann haben Sie Ihr Portfolio um Architekturbeton erweitert? Und wie passt dieser Geschäftsbereich zu Ihrem eigentlichen Kerngeschäft?
Vor circa zwanzig Jahren haben wir mit unserer Betonmanufaktur gestartet. Erstmal nur, um passende Stufen zu unseren Flächenbelägen anzubieten. Dann kamen Sonderwünsche der Planer hinzu – wie etwa besonders lange Stufen, runde Podeste oder amorphe Sitzblöcke nach freier Form und mit Beleuchtung. Also haben wir uns immer mehr in die Handfertigung eingearbeitet, haben spezielle Betonrezepturen entwickelt, die unseren eigenen, aber auch den hohen Qualitätsansprüchen unserer Kunden genügen. Es reizt uns einfach, zu zeigen, was wir aus Beton machen können – und wie schön das Material ist. Mittlerweile beschäftigen wir in unserer Betonmanufaktur vierzig Mitarbeitende. Mit viel Liebe zum Detail fertigen sie feine Accessoires, Waschbecken, Tischplatten, Mobiliar und eben auch extravagante Wand- und Bodenfliesen aus unserem Architekturbeton.

Was zeichnet den Architekturbeton von GODELMANN aus?
Er zeichnet sich durch seine Materialität, Haptik und seine Wirkung auf den Betrachter aus. Dem Architekturbeton sind kaum Grenzen gesetzt. Er ist prädestiniert für maximale Formbarkeit und Gestaltbarkeit – und damit für schier grenzenlose Kreativität. Selbstverständlich entspricht unser Architekturbeton allen Anforderungen, die es bei Qualitätsnormen gibt. Er überzeugt mit besonders hoher Dichtigkeit und Festigkeit. Mit seiner einzigartigen Optik und Qualität setzt er neue Maßstäbe im Bereich Sichtbeton und liegt weit über der Sichtbetonklasse SB4, der höchsten Güteklasse. Mit einer Porengröße von maximal drei Millimetern mutet dieser Werkstoff absolut puristisch an. Charakteristisch ist seine besonders angenehme Haptik. Wir sind in der Lage, mit geringen Materialstärken arbeiten zu können, ohne dabei an Materialechtheit zu verlieren. Strukturen und Formen können dabei äußerst präzise abgebildet werden. Da es sich bei allen Werkstücken um handgefertigte Einzelstücke handelt, bietet die Manufaktur für Kunden maximale Freiheit in Bezug auf Optik und Formensprache.

Mit dem Werkstoff Architekturbeton ist quasi jede Gestaltungsidee realisierbar. Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit mit Innenarchitekt*innen und Planer*innen?
Idealerweise kontaktiert der Planer unsere technischen Ansprechpartner im Vertrieb. Im Vorfeld können dann schon Wünsche, Ideen und natürlich auch Machbarkeiten besprochen werden. Stehen dann die ersten Anforderungen fest, geht es an das Bemustern der Idee. Zu diesem Zeitpunkt kommen dann meistens unsere Experten aus dem Stein-Labor ins Spiel. Die Abstimmung läuft dabei immer im engen Dialog mit dem jeweiligen Designer oder Planer. Die Rezeptur wird so entwickelt, dass Farbe, Oberflächenveredelung und Dimension der Bauteile optimiert sind und den Vorstellungen der Bauherren entsprechen. Dabei ist nichts unmöglich: So ist etwa in Sachen Farbvielfalt quasi jeder RAL-Ton in Architekturbeton zu erzielen. Unser Materialarchiv umfasst mittlerweile tausende Rezepturen. Die Bandbreite an Einsatzbereichen ist riesig. Selbst eine Empfangstheke aus lichtdurchlässigem Beton und ein Klavierkörper aus Architekturbeton wurden schon realisiert.

Von Designfliesen bis zu maßgefertigtem Mobiliar und Wohnaccessoires – jedes Teil aus Architekturbeton wird in Ihrer hauseigenen Manufaktur gefertigt. Welche Spezialist*innen arbeiten dort zusammen?
Das ist ein bunter Mix an Spezialisten: Möbelschreiner sind im Formenbau dafür zuständig, hochpräzise, millimetergenaue Schalungen zu bauen. Die Spezialisten in der Eisenflechterei stellen besonders feine Armierungen für Architekturbeton-Bauteile her. Die Betonierer mischen mit einem Gespür für feinste Nuancen die Betonrezeptur an. Dann kommt der Beton in die Formen, um an der Luft auszuhärten. Auch hier muss höchste Sorgfalt walten, da das Material sehr empfindlich auf die Umgebungstemperatur reagiert. Nach gut 24 Stunden kommt das Bauteil aus der Form und wird vorsichtig entschalt. Erst dann sieht man, ob alles passt und unseren Anforderungen genügt. Zum Abschluss kommt noch die Veredelung der Oberfläche: Schleifer, Sandstrahler oder Imprägnierer veredeln jedes Teil von Hand. Jeder einzelne Mitarbeiter in unserer Manufaktur ist Spezialist in seinem Arbeitsbereich, begeistert sich für Qualität und Materialität und trägt Sorge dafür, dass am Ende eines komplexen Prozesses ein hochwertiges Designelement entsteht – egal, ob als Wandverkleidung, Bodenbelag oder Mobiliar für Innen- oder Außenbereiche.

Wie bei all Ihren Produkten wird auch beim Architekturbeton das Thema Nachhaltigkeit großgeschrieben, richtig?
Ja, Nachhaltigkeit spielt bereits seit über vierzig Jahren in unserem gesamten Unternehmen eine tragende Rolle. Von der Rohstoffgewinnung bis zur Auslieferung achten wir auf ressourcenschonende Prozesse und vermeiden Emissionen soweit möglich. Seit 2015 fertigen wir freiwillig CO2-neutral und kompensieren nicht vermeidbare Emissionen. Dieses Engagement wurde mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024 ausgezeichnet. Wir forcieren Kreislaufwirtschaft und all unsere Produkte sind nach dem Standard Cradle to Cradle Certified® Gold zertifiziert. Nachhaltigkeit ist für uns schon sehr lange ein elementarer Baustein in unserer Firmenphilosophie und wird, wie die Leidenschaft für Beton, von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Wir haben schon viel erreicht, werden uns aber auch in diesem Bereich stetig weiterentwickeln und wollen in der Branche als Pionier vorangehen.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

GODELMANN

Als Stein-Erfinder steht GODELMANN für Know-how, Leidenschaft und Innovation. Mit Perfektion und einem großen Bewusstsein für Umwelt und Natur fertigt das Familienunternehmen Betonsteine für anspruchsvolle Lebensräume – im Außen- und im Innenraum, für Wände, Böden und als Mobiliar. Dazu gehören auch handgefertigte Fliesen und Design-Objekte aus Architekturbeton – etwa Waschbecken, Küchenelemente oder Pflanzgefäße.

Zum Showroom

Mehr Menschen

Ode an die Emotion

Interview mit dem französischen Designer Benjamin Graindorge

Interview mit dem französischen Designer Benjamin Graindorge

Townhouse in Mitte

Zu Besuch beim Berliner Architekten Patrick Batek

Zu Besuch beim Berliner Architekten Patrick Batek

Design-Statements auf der Wand

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Mehr Seele fürs Holz

Formafantasma und Artek im Gespräch

Formafantasma und Artek im Gespräch

Dialog durch die Zeit

Der Schweizer Galerist und Restaurator Reha Okay im Gespräch

Der Schweizer Galerist und Restaurator Reha Okay im Gespräch

Der finnische Designmaterialist

Studiobesuch bei Antrei Hartikainen in Fiskars

Studiobesuch bei Antrei Hartikainen in Fiskars

Reif fürs Collectible Design

Studiobesuch bei Gisbert Pöppler in Berlin

Studiobesuch bei Gisbert Pöppler in Berlin

Erhöhte Erdung

Sebastian Herkner über sein neues Sofaprogramm für Ligne Roset

Sebastian Herkner über sein neues Sofaprogramm für Ligne Roset

„Qualität und Nachhaltigkeit gehören zusammen“

Ein Gespräch mit Johanna Ljunggren von Kinnarps

Ein Gespräch mit Johanna Ljunggren von Kinnarps

Form follows availability

Sven Urselmann über kreislauffähige Einrichtungskonzepte

Sven Urselmann über kreislauffähige Einrichtungskonzepte

Möbel, die das Leben bereichern

René Martens über den holistischen Designanspruch von Noah Living

René Martens über den holistischen Designanspruch von Noah Living

Magie und Logik

Die italienische Designerin Monica Armani im Gespräch

Die italienische Designerin Monica Armani im Gespräch

„Wir haben eigentlich die Tapete neu erfunden“

Laminam-CEO Pierre Heck über die derzeit dünnste Keramikplatte der Welt

Laminam-CEO Pierre Heck über die derzeit dünnste Keramikplatte der Welt

Polychromes Naturerlebnis

Aurel Aebi von atelier oï über die Arbeit mit Holz

Aurel Aebi von atelier oï über die Arbeit mit Holz

Die Raummacherin

Interiordesignerin Maj van der Linden aus Berlin im Porträt

Interiordesignerin Maj van der Linden aus Berlin im Porträt

Sanfte Radikalität

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Das Gute trifft das Schöne

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Ein Designer in olympischer Höchstform

Mathieu Lehanneur im Gespräch

Mathieu Lehanneur im Gespräch

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

„Wir müssen uns nicht verstellen“

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

Für die Schönheit des Planeten

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Puzzle für die Wand

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

„Wenn man sich vertraut, kann man Kritik annehmen“

Muller Van Severen im Gespräch

Muller Van Severen im Gespräch

Conceptual Substance

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz im Interview