New Kids on the Block
Junge Interior- und Designstudios – Teil 3

Mit frischen Ansätzen und alternativen Konzepten bereichern junge Gründer*innen die Architektur- und Designszene – und hoffen, sie nachhaltig zu prägen. In diesem Newcomer-Special beleuchten wir vier Studios, die auf Internationalität, Feingefühl und Historie setzen.
Affin: Subtile Atmosphäre und kulturelles Crossover
Das Studio Affin wurde 2022 von Win Amnueypornsakul, Stephanie Meine und Bettina Böhm gegründet und wird seit Anfang 2025 von Amnueypornsakul und Böhm weitergeführt. Der Innenarchitekt und die Designerin haben beide in London gelebt und studiert – er an der Architectural Association, sie am Royal College of Art. Nach mehreren Jahren in der britischen Architektur- und Designszene, unter anderem beim renommierten Studio Ilse, machten sie sich in Berlin selbständig.
Affin gestaltet Altbauwohnungen, Restaurants und Clubs in Berlin, Bayern und Bangkok. Der Fokus liegt auf einer ruhigen, zeitlosen Innenarchitektur, die auf natürliche Materialien setzt. Ergänzt werden die Projekte durch ausdrucksstarke Möbel und experimentelle Elemente, etwa Bioplastik-Paneele in einem Nachtclub in Thailand. Im Mittelpunkt steht dabei stets die Gestaltung stimmungsvoller Orte, die auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen eingehen. Ziel ist es, „Räume mit einer subtilen Atmosphäre zu schaffen, die sich gut anfühlen und in der Realität gut funktionieren“.
atelier gagai: Altbewährt und neu gedacht
Das interdisziplinäre Kollektiv atelier gagai mit Sitz in Hamburg und Luzern vereint Innenarchitektur, Vintage-Sourcing und Forschung. Seit 2019 arbeiten Katharina Kleczka und Clara Zachariassen als Team, 2024 kam Henrike Weißer dazu – verbunden durch die Überzeugung, dass nachhaltige Innenarchitektur von dem Vorhandenen profitiert. Das Leitmotiv des Trios ist es, Bewährtes zu erhalten und Neues behutsam einzufügen.
Mit einem klaren Fokus auf Zirkularität und das Bauen im Bestand gestaltet atelier gagai Räume für Arztpraxen oder die Gastronomie und Wohnprojekte. Das Studio versteht sich zugleich als Reallabor: So entstehen eigene Projekte wie akustisch wirksame Wandbilder aus mexikanischen Vintage-Textilien. Statt auf Abriss zu setzen, sucht das Trio nach kreativen Lösungen – immer mit dem Ziel, das Potenzial des Bestehenden sichtbar zu machen.
ÆNSEMBLE: Räume mit Erinnerung
Aus der gemeinsamen Zeit bei Thomas Kröger Architekten entwickelte sich 2018 eine enge Zusammenarbeit zwischen Sarah Heidborn und Judith Käding. Seit 2024 firmiert das Studio unter dem Namen ÆNSEMBLE mit Sitz in Berlin und es wird erweitert durch Micha Jönke. Das Trio verbindet eine Haltung: Räume sollen nicht nur gestaltet, sondern erzählt werden – mit Gespür für den Bestand und die Persönlichkeit der Bauherr*innen.
Sarah Heidborn absolvierte eine Tischlerausbildung und wurde maßgeblich durch ihre Zeit bei Peter Zumthor geprägt. Judith Käding sammelte internationale Erfahrung, unter anderem bei SANAA Architekten in Japan und bei Adamo Faiden in Argentinien. Micha Jönke vereint eine Ausbildung in Holztechnik mit einem breit angelegten Studium in Architektur, Innenarchitektur, Baukunst und freier Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf sowie der Peter Behrens School of Arts.
Ein Schwerpunkt des Studios liegt auf dem Umbau von Bestandsgebäuden, bei dem Geschichte, Atmosphären und handwerkliche Präzision zusammenwirken. „Jedes Projekt bewahrt das Bestehende, fügt aber zugleich moderne Elemente mit einer klaren Handschrift hinzu“, beschreibt das Trio seinen Ansatz. Vom Möbelstück bis zur Fassade versteht ÆNSEMBLE Architektur als ganzheitlichen, dialogischen Prozess. Dieser ist geprägt von persönlichen Erinnerungen der Bauherr*innen und lässt neue Räume entstehen, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verweben.
TADAN: Alles nur Deko?
Gegründet im Herbst 2022, versteht sich TADAN als Kollektiv mit erzählerischem Anspruch. Dahinter stehen der Kurator Sebastian Hoffmann, die Special-Effects-Maskenbildnerin und Stylistin Stella von Senger sowie der Schauspieler Cecil von Renner. Ihre gemeinsame Mission: die Rückkehr der Romantik ins Interior – nicht als dekoratives Stilmittel, sondern als Haltung, durchzogen von Emotion, Atmosphäre und Feingefühl.
Ob als Interior Decorators, Art Consultants oder Kolumnisten für Weltkunst – TADAN arbeitet bewusst anekdotisch. Die Räume des Trios sind Kompositionen, gespeist aus kulturellen Referenzen und der Zusammenarbeit mit jungen Kreativen. Mit gestalterischer Leichtigkeit und einem ausgeprägten Blick für das Detail entstehen Interieurs, die über die Ästhetik hinausgehen: Sie transportieren konzeptuellen Tiefgang, eröffnen Assoziationsräume und erzählen Geschichten. Der Leitsatz von TADAN bringt die Haltung auf den Punkt: Zeit ist wichtig, alles geht sofort, aber sofort ist nicht alles.
Lesen Sie auch den ersten und zweiten Teil unseres Newcomer-Specials:
NEW KIDS ON THE BLOCK: Interior- und Designstudios aus Berlin
NEW KIDS ON THE BLOCK: Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2
Affin Design
www.affin.designAtelier Gagai
www.ateliergagai.comÆNSEMBLE
aensemble.comTadan
www.tadan.onlineMehr Menschen
Konzeptionelle Narrative
Studiobesuch bei Lineatur in Berlin

Design-Statements auf der Wand
Ein Interview mit Julian Waning von Gira

„Qualität und Nachhaltigkeit gehören zusammen“
Ein Gespräch mit Johanna Ljunggren von Kinnarps

Form follows availability
Sven Urselmann über kreislauffähige Einrichtungskonzepte

Hochprozentig nachhaltig
Mathias Seiler über die Kollektion Incycle von Girsberger

Das Gute trifft das Schöne
Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Zwischen Euphorie und Askese
Studiobesuch bei Karhard in Berlin

New Kids on the Block
Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

New Kids on the Block
Interior- und Designstudios aus Berlin

Puzzle für die Wand
Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

In Räumen denken
Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

„Ich betrete gerne Neuland“
Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Die Küche ist ein emotionaler Ort“
Ein Gespräch mit der Kochbuchautorin Meike Peters

„Bugholz ist eine Diva“
Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Der Geschichtenerzähler
Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Vier gewinnt
Ein Studiobesuch bei Fyra in Helsinki

„Alles entspringt aus dem Ort“
Studio Wok aus Mailand im Interview

Ukrainische Perspektiven #3
Interview mit Interiordesigner Oleksandr Maruzhenko von Men Bureau

Der Fliesenmacher
Wie Edgard Chaya in Beirut eine Zementfliesenfabrik aufbaute

Aus Liebe zum Holz
Benno Thaler von Zitturi über Massivholz in der Architektur

Zukunftsweisende Ergonomie
Interview mit Kim Colin von Industrial Facility

Menschliche Räume
Der Mailänder Innenarchitekt Hannes Peer im Gespräch

Ukrainische Perspektiven #2
Der Architekt Slava Balbek von balbek bureau im Gespräch

Beyond the Wilderness
Das finnische Designerpaar Mia Wallenius und Klaus Haapaniemi

Die Couch-Versteher
Dario Schröder über die Erfolgsstory von Noah Living

Startpaket für nachhaltige Innenarchitektur
Ein Gespräch mit BDIA-Präsidentin Pia A. Döll

Nordische Poesie
Das Büro Space Copenhagen im Gespräch

Neues Leben für alte Möbel
Über die gelebte Kreislaufwirtschaft bei Girsberger

Sinnhaftigkeit durch Nachhaltigkeit
Steffen Kehrle über seine neue Kollektion für Brunner

Material als Leitfaden
Nachruf auf die Designerin Pauline Deltour (1983-2021)
