Stories

Mythos Palm Springs

Modernism Week Preview in der Wüstenstadt

Palm Springs ist ein wahr gewordenes Klischee von Kalifornien. Sonne, Palmen, blauer Himmel. Und mittendrin Architekturikonen des Mid-Century von Lautner, Wexler und Neutra. Ein Besuch in der Wüstenstadt während der Modernism Week Preview – samt Schmetterlingsdächern, Swimmingpools in Nierenform und Elvis im Honeymoon.

von Claudia Simone Hoff, 01.11.2019

Es gab mal eine Zeit, da lag Palm Springs im Dornröschenschlaf und war höchstens bei Rentnern wegen des guten Wetters beliebt. Die sogenannten Snowbirds überwintern hier zwar immer noch gern, doch inzwischen ist die Stadt zum Hot Spot der Hollywoodelite avanciert und zieht auch eine bunte LGBT-Community an. Einige kommen nur am Wochenende zu Besuch, andere haben sich hier ein Haus gekauft, so wie Leonardo DiCaprio die Dinah Shore Residence von Donald Wexler oder der Moschino-Designer Jeremy Scott das ikonische Elrod House von John Lautner – für eine Summe im zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich, so munkelt man. Und auffällig viele New Yorker tummeln sich hier. Einige wie der Interiordesigner Dan Kiser erzählen uns, dass der Zusammenhalt in der 45.000-Einwohner-Stadt so viel größer als in den amerikanischen Metropolen sei, man sich gegenseitig unterstütze, es einen echten Community-Gedanken gäbe.

Arthur Elrod Residence von John Lautner in Palm Springs, 1968
Sixties Movie in Technicolor

Palm Springs als wahr gewordenes Paradies in Gestalt von Fünfziger- und Sechzigerjahre-Architektur? Es scheint so, wenn man sich die meist weißen, sehr geradlinigen Bungalows anschaut, die – mit Flach-, Schmetterlings- oder Faltdächern versehen und ausgestattet mit raumhohen Fenstern und luftigen Breeze Blocks – einen ziemlich hohen Coolness-Faktor haben. Noch dazu, wenn man weiß, dass einst Hollywoodgrößen wie Frank Sinatra, Elizabeth Taylor oder Kirk Douglas darin wohnten. Kommt man im Spätherbst nach Palm Springs, fühlt man sich wie in einem Sixties Movie in Technicolor und ist bemüht, es nicht Kitsch zu nennen. So blau ist der Himmel, so schlank und hoch wachsen die Palmen, so imposant reckt sich der Mount San Jacinto in seinen Braun- und Ockertönen hervor. Und selbst im Oktober ist es noch heiß (das Thermometer zeigt über 30°C an), was Palm Springs so angenehm zum Überwintern und zu einem echten Gute-Laune-Ort macht.

Ich bin dann mal weg!
Nur zwei Autostunden entfernt vom Moloch Los Angeles, taucht man ein in eine andere Welt. Und die ist gerade für Architektur- und Designinteressierte ein kaum zu überbietendes Erlebnis. Warum es gerade hier, mitten in der Wüste, eine so geballte Häufung von Mid-Century-Architektur gibt, ist schnell erzählt. Waren es die heißen Quellen, von denen sich Rheuma- und Tuberkolose-Kranke Heilung versprachen und die den Tourismus ankurbelten, entdeckten die Hollywood-Stars der Vierziger- und Fünfzigerjahre Palm Springs, weil die Stadt in unmittelbarer Entfernung von LA entfernt lag. Laut den strengen Verträgen mit den Filmstudios durften sie sich nur in diesem räumlichen Radius bewegen, um notfalls schnell wieder zum Dreh zurück zu sein.

Die Prominenten schätzen aber auch die (Beinahe-)Anonymität der Kleinstadt, die Abwesenheit der Klatschpresse – was noch heute so sein soll, glaubt man den Bewohnern. So ganz kann das allerdings nicht stimmen, denn Elvis konnte seine Priscilla hier nicht heiraten, weil eine Meute von Paparazzi dies herausgefunden hatte. Also wurde er kurzerhand nach Las Vegas ausgeflogen und kehrte für die Flitterwochen in die Villa des Bauunternehmerpaars Alexander nach Palm Springs zurück. Und Frank Sinatra? Der schwirrte nicht nur mit dem legendären Rat Pack umher, besaß hier eine Villa und eine eigene Bar, sondern sorgte auch für ein heimliches Stelldichein zwischen Marilyn Monroe und John F. Kennedy. „Die Häuser hier haben eine Menge Geschichten zu erzählen“, sagt Tourguide Kathryn und lacht, als sie uns die Stadt zeigt, in der sie seit 48 Jahren lebt. Mr. President was here
Amerikanische Präsidenten waren übrigens schon einige hier: Dwight D. Eisenhower betete in einer Community Church im Tennis Club Neighbourhood, Barack Obama ließ sich mit seiner Familie blicken, während Donald Trump durch Abwesenheit glänzt. Nicht ganz seine (architektonische) Kragenweite, möchte man meinen. Denn egal wie groß die Häuser hier flächenmäßig sind, von außen wirken sie geradezu bescheiden. Was vor allem daran liegt, dass die Architekten sie meisterhaft in die umgebende Natur eingebettet haben: Die meist einstöckigen Häuser bestehen mehrheitlich aus aneinandergereihten Kuben, die Höfe (hier Patios genannt) erzeugen, so dass man abgeschirmt ist von der Straße. Meist wurden die Häuser später durch (Community) Pools ergänzt. Und dann sind da noch die effektvollen Kontraste zwischen den weißen Fassaden und den Türen in knalligem Rot, Türkis oder Pink, die charakteristischen, weit oben angebrachten Clearstorey Windows, die sorgsam angelegten Kakteengärten und die schön gemusterten Breeze Blocks, die durch ihre Lüftungsfunktion für ein angenehmes Klima auch bei großer Hitze sorgen. Villa versus Siedlung
Ist man in Palm Springs unterwegs, folgt ein Architektur-Aha-Erlebnis auf das andere. Und es sind nicht immer die – zugegebenermaßen spektakulären – Villen von Frank Sinatra (Architekt: E. Stewart Williams), Edgar J. Kaufmann (Architekt: Richard Neutra) oder Maurice Smith (Architekt: Donals Wexler), die für einen bleibenden Eindruck sorgen. Ebenso schön und vor allem architekturhistorisch spannend sind die vielen Siedlungen, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in Palm Springs entstanden sind. Die gestalterische Klasse war sozusagen in der gesellschaftlichen Masse angekommen – neuen Konstruktionstechniken und Materialien sei Dank.

Allein die Alexander Construction Company baute über 2.000 Häuser in Palm Springs, darunter Siedlungen wie Twin Palm Estates, Las Palmas Estates, Racquet Club Estates und Ocotillo Lounge. Dass das Unternehmen so erfolgreich war, lag vor allem an der Zusammenarbeit mit renommierten Architekten wie Palmer & Krisel und Donald Wexler, die für einen hohen ästhetischen, aber auch funktionalen Anspruch bürgten. Und auch heute noch sind die sogenannten „Alexanders“ äußerst beliebt, wie man durch einen Blick auf die einschlägigen Immobilienseiten unschwer erkennen kann. Auch, weil hier wie bei den singulären Villen Indoor- und Outdoor Living nahezu übergangslos miteinander verschmelzen. Wie verwoben die Besitzer mit ihren Häusern sind, erlebten wir während der Modernism Week Preview im Oktober. Die Bewohner der Canyon View Estates # 4 (Architekten: Palmer & Krisel) hatten zum Cul-de-Sac Experience geladen. Bei strahlend blauem Himmel tanzten Go-Go-Girls in weißen Fransenkleidern zu Musik aus den Sechzigern, es wurde Eis verkauft, Oldtimer in Bonbonfarben parkten vor den Einfahrten. Die Türen standen offen, die im Look der Zeit gekleideten Bewohner erzählten von ihren (Wohn-)Erlebnissen und man konnte sich davon überzeugen, dass es sich hier noch genauso gut lebt wie zur Entstehungszeit der Häuser vor 60 Jahren. Oder wie Tom, unser Guide während einer Doppeldecker-Tour durch die Stadt, meinte: „Ich will hier nie wieder weg.“

Architektur-Hot-Spot Palm Springs: Modernism Week 2020
Jedes Jahr im Februar brummt die Stadt, denn Tausende von Architektur- und Designliebhabern aus aller Welt tummeln sich in Mid-Century-Häusern, besuchen Talks und Events, feiern Partys. Der
Modernism Week Preview im Oktober ist intimer, so dass mehr Zeit und Muße für Entdeckungen und Gespräche bleibt. Die nächste Modernism Week mit rund 300 Veranstaltungen findet vom 13. bis 23. Februar 2020 statt. Architektur-Highlights

The Willows Historic Inn
Das ehemalige Wohnhaus aus den Zwanzigerjahren beherbergt heute das charmante The Willows Historic Inn mit nur wenigen, sehr großen Zimmern. Das Frühstück wird auf der Terrasse mit einem künstlichen Wasserfall à la Carte serviert. Pool und wunderschöner Steingarten mit Aussichtsbank. Dort soll schon Albert Einstein gesessen haben, der oft im Hotel zu Gast war. Schöne Lage in Downtown Palm Springs gleich neben dem Art Museum.

Del Marcos Hotel
Architekturikone aus den späten Vierzigerjahren von William F. Cody. Die Zimmer sind typischerweise um einen Hof mit Swimmingpool angelegt. Die öffentlichen Räume sind klein, aber im Vintage-Stil gestaltet. Gute Lage im Tennis Club Neighbourhood, nicht weit entfernt vom Palm Springs Art Museum Architecture and Design Center.

Trio Palm Springs

Mitten in der beliebten Shopping Area am 664 N. Palm Canyon Drive liegt eines der beliebtesten Restaurants der Stadt. Kein Wunder, denn das Trio setzt auf frische, amerikanisch-mexikanische Küche. Best Steaks ever im Mid-Century-Ambiente!

Escena Golf Club
Unendliche, sehr grüne Rasenflächen, hohe Palmen vor braunen Bergen: Die Kulisse im Clubhaus des Escena Golf Club ist unschlagbar, ebenso wie das üppige Lunch, das man auf der Terrasse genießt.

Premier Double Decker Bus Tour
Einen guten Überblick über Stadtplanung und Architektur in Palm Springs erlebt man bei schönsten Sonnenschein bei der Premier Double Decker Bus Tour, die man auch während der Modernism Week buchen kann. In drei vollgepackten Stunden fährt man vorbei an ikonischen Gebäuden wie dem Kaufmann House, dem Elvis Honeymoon House und der ehemaligen Tankstelle von Albert Frey, die heute das Palm Springs Visitors Center birgt. Sehr erfahrene und unterhaltsame Guides!

Architecture 100
Architecture 100: Palm Springs, California and Desert Cities. Palm Springs Preservation Foundation, 2017. Praktischer Führer durch Palm Springs mit den wichtigsten Gebäuden, Eckdaten und Übersichtskarte.

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Links

Modernism Week

13. bis 23. Februar 2020

www.modernismweek.com

Visit Palm Springs

www.visitpalmsprings.com

Palm Springs Preservation Foundation

www.pspreservationfoundation.org

Palm Springs Art Museum

& Architecture and Design Center & Frey House II

www.psmuseum.org

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