California Modernism in L.A.
Eine Architekturtour durch Los Angeles

Los Angeles mal anders. Jenseits des glamourösen Hollywood-Mainstreams und ein wenig versteckt finden sich Spuren der modernen Architektur Kaliforniens. Volumentrisch gesehen eher großzügig angelegte und in Privatbesitz befindliche Einfamilienhäuser, die durch ihre Einzigartigkeit und ihre authentische wie integere Architektur- und Design-Qualität herausragen und magisch inspirieren – vor der traumhaften Kulisse einer satten, subtropischen Vegetation, die das gesamte Stadtbild prägt.
Wir nehmen Sie mit auf unsere Reise und zeigen Ihnen beispielhaft wie eine spektakuläre zweitägige ‚California Modernism'-Architekturtour in Los Angeles aussehen kann. Hier unsere Top 3 der unbedingt sehenswerten sowie design- und architekturgeschichtlich schützenswerten Highlights: Stahl House von Pierre Koenig, Eames House von Charles und Ray Eames sowie Hollyhock House von Frank Lloyd Wright.
Um unserem Anspruch nachzukommen, Inhalte im zeitgemäßen Kontext zu präsentieren, ist die Tour um einen Stopover im Designshop Chariots on Fire, der unter Kennern längst Kultstatus genießt, und um einen Besuch der zeitgenössischen Designgalerie Casa Perfect in Elvis Presleys ehemaliger Mid-century modern Villa in Beverly Hills ergänzt. Dort wird wie in keinem anderen öffentlich zu besichtigenden Wohnhaus in Los Angeles spürbar, wie zeitgenössisches Design und moderne Architektur erst im Dialog eine punktgenaue Aktualität und hochmoderne Raffinesse erreichen.
Stahl House
Wir beginnen fulminant mit dem Inbegriff der kalifornischen Moderne oder „An L.A. Dream", wie die Los Angeles Times einmal titelte, dem Stahl House in den Hollywood Hills, auch bekannt als Case Study House Nr. 22. Das Haus wurde 1959 von Architekt Pierre Koenig gebaut und 1960 von Julius Shulman fotografisch dokumentiert und durch zahlreiche Veröffentlichungen weltweit berühmt gemacht. Das L-förmige, meterweit über einen Felsvorsprung ragende Gebäude ist auf einem Steilhang errichtet, der vorher als unbebaubar galt. Dieser Eindruck von schwebender Leichtigkeit wird aufgrund jeglich fehlender Einzäunung noch deutlich verstärkt. Bis heute befindet sich das Stahl House im Privatbesitz der Bauherrenfamilie Stahl und ist mehrfach als bedeutende Architektur ausgezeichnet und als Baudenkmal gelistet. Eine Stahl House-Tour kostet 50 US-Dollar und kann über die offizielle Website gebucht werden. Empfehlenswert ist die Evening Tour: Sie bietet einen zweifach atemberaubenden und unvergesslichen Panoramablick über Los Angeles – vor und nach Sonnenuntergang.
Casa Perfect
Gleich in der Nähe, in den Trousdale Estates, einer exklusiven Wohnsiedlung in Beverly Hills, befindet sich die Casa Perfect. In der 1958 von Rex Lotery und David Hyun erbauten Villa logiert seit vergangenem Jahr der kalifornische Showroom der Designgalerie The Future Perfect aus New York. Teil eines nomadisch angedachten Konzeptes, berühmte Immobilien als interieurhaft angelegte Ausstellungsräume für ihre sorgfältig kuratierte Sammlung zeitgenössischer Möbel, Leuchten und skulpturaler Objekte zu nutzen, zeigt die Casa Perfect Arbeiten von etablierten Designgrößen wie Piet Hein Eek, Lindsey Adelman und Ilse Crawford neben Shootingstars und Talenten wie Chris Wolston, Reinaldo Sanguino und Seungjin Yang. Zum Gesamterlebnis trägt der offene, lichte Wohnbereich der Villa bei. Mit seinen bodenlangen Glasfenstern leitet er fast nahtlos vom Interieur zum Exterieur über und lenkt den Blick hinaus in den Garten mit einem Pool im Hockney-Stil und einer Panoramasicht auf die große Weite von Los Angeles. Casa Perfect ist „by appointment only“. Eine Besichtigung kann via Website von The Future Perfect gebucht werden.
Eames House
Am zweiten Tag fahren wir nach Pacific Palisades im Westen von Los Angeles, unweit der Pazifik-Küste, und besuchen das denkmalgeschützte Eames House, das auch als Case Study House Nr. 8 bekannt ist. Das Ensemble wurde 1949 vom Designer-Ehepaar Charles und Ray Eames als ihr privates Wohnhaus und Studio gebaut und ist Teil des Case Study House Program, welches 1945 von John Entenza, dem Herausgeber der Zeitschrift Arts & Architecture, ins Leben gerufen wurde. Als visionärer Verfechter des Modernismus konnte er namhafte Architekten wie Richard Neutra, Pierre Koenig, Rudolf Schindler, Albert Frey, John Lautner sowie Charles und Ray Eames für sein Projekt gewinnen. Ziel des Musterhausprogramms war es, neue Wege des Bauens für die Mittelschicht zu erkunden. Von den 25 realisierten Case Study Houses wird das Eames House als erfolgreichstes angesehen, sowohl als architektonisches Statement als auch als komfortabler, funktionaler Wohnraum. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, dass das Haus seit Einzug 1949 bis zu ihrem Tod (Charles 1978, Ray 1988) zentraler Lebens- und Arbeitsmittelpunkt des Paares war. Bis heute ist das Eames House im Privatbesitz der Familie. Eine Tour kann über die Webseite der Eames Foundation gebucht werden. Die „Exterior Tour" ist mit 10 US-Dollar preiswert und gibt einen soliden Überblick. Wir haben die geführte und an Designdetails reiche „Interior & Exterior Tour" für 137,50 US-Dollar pro Person gewählt – und es nicht bereut.
Chariots on Fire
Auf dem Rückweg von Pacific Palisades machen wir einen Stopover in Venice, eine für ihren Künstlerflair bekannte Küstenstadt mit gehobenen Wohn- und Geschäftsvierteln. Unser Fahrziel ist der Designshop Chariots on Fire auf dem Abbot Kinney Boulevard, der noch vor drei Jahren als coolste Straße der USA galt. Ritsuko Yagi, die mit ihrer 2006 gegründeten und seit 2013 in Venice ansässigen Ladengalerie Chariots on Fire visionäre Vorreiter-Arbeit geleistet hat, trotzt dem zunehmenden Mainstream. Sie bevorzugt den Mix aus Laufkundschaft und Stammkunden, der Connoisseure jeglicher Couleur in ihren Laden zieht. Mit Augenmerk auf noch unentdeckte Talente, präsentiert sie eine kuratierte Auswahl zeitgenössischen Designs, eher kleinere Arbeiten, die jedoch durch ihre perfekt unperfekte Handwerklichkeit und Einzigartigkeit bestechen. Ein Geheimtipp sind die Keramikarbeiten des japanischen Künstlers Makoto Kagoshima, den sie weltweit exklusiv vertritt. Der einflussreiche Galerist David Alhadeff und sein Partner Jason Duzansky von The Future Perfect zählen bereits zu seinen Sammlern. Kagoshimas neueste Arbeiten sind ab dem 3. August in der Galerie zu sehen, neben seltenen Möbelstücken moderner Meister wie Charlotte Perriand und Jean Prouvé.
Hollyhock House
Unsere zweitägige Tour endet so fulminant wie sie begonnen hat mit der Besichtigung des Hollyhock House, Frank Lloyd Wrights erstem Bauauftrag in Los Angeles. Das Gebäude am Hügel des Barnsdall Park in East Hollywood wurde 1919 von Wright als Wohnhaus für die unkonventionelle Ölerbin Aline Barnsdall geplant und 1921 erbaut. Die stilisierte Stockrose (auf englisch Hollyhock), Barnsdalls Lieblingsblume, bildet das zentrale Gestaltungmotiv des Hauses und ist an vielen Stellen als Dachschmuck sowie an Möbelstücken, Buntglasfenstern und der ornamentalen Gussbetonfassade der Außenstruktur zu finden. Einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt Wrights holistischer Designansatz. Das Haus des Pioniers der Moderne ist ein Gesamtkunstwerk, innen wie außen, jedes noch so kleine Detail ist individuell, jedoch immer mit Blick aufs Ganze, formvollendet gestaltet. Durch die Schenkung von Aline Barnsdall befindet sich das denkmalgeschützte Gebäude seit 1927 im Besitz der Stadt Los Angeles. Seit Anfang Juli 2019 gehören nun acht Gebäude Frank Lloyd Wrights zum Unesco Welterbe, darunter auch das Hollyhock House. Führungen durch das Gebäude können über die Website der Frank Lloyd Wright Foundation für 7 US-Dollar gebucht werden.
Stahl House
www.stahlhouse.comCasa Perfect
www.thefutureperfect.comEames House
www.eamesfoundation.orgChariots on Fire
www.chariotsonfire.comHollyhock House
www.franklloydwright.orgMehr Stories
Function follows vision
Ausstellung in Krefeld zu Arbeiten von Friedrich Kiesler und Walter Pichler

Nachhaltig Platz nehmen
Vestre produziert die Sitzbank Tellus aus fossilfreiem Stahl

Ikone der Moderne
Film über Eileen Grays Villa E.1027 an der Côte d’Azur

Baden in Bildern
Das Buch The Nature of Swimming widmet sich dem Element Wasser

Ein Spaziergang durch Paris
Kreative Vielfalt in der Olympia-Stadt

Stoff Ahoi!
Textilien mit MED-Zertifizierung von Delius

Aus finnischen Wäldern
Unterwegs auf der Fiskars Village Art & Design Biennale 2024

Unter dem Radar
Unterwegs auf der Romanian Design Week 2024 in Bukarest

Perfect Days
Wim Wenders würdigt das Tokyo Toilet Project im Kino

Wrestling & Fabelwesen
Neues von der Design Miami und Alcova Miami

Alles auf einmal
Die Bundeskunsthalle in Bonn feiert die Postmoderne

Ruf der Falte
Paravent-Ausstellung in der Fondazione Prada Mailand

Moderne Zeiten
100 Jahre Villa Noailles in Hyères

Natur-Seele
Posthumes Geburtstagsgeschenk für Alvar Aalto

Made in Lebanon
Die Beiruter Kreativszene zwei Jahre nach der großen Explosion

Blick nach vorn
Neues von der Sammlermesse Design Miami 2022

Born in Beirut
Fünf Designpositionen aus dem Libanon

Alles im Fluß
Keramikfieber auf dem London Design Festival 2022

L'art de vivre en Provence
Architektur, Kunst & Lifestyle in Marseille und Umgebung

Orient! Express!
Reisen auf der Schiene wird mit Klasse neu belebt

Unknown Unknowns
Die XXIII. Internationale Ausstellung der Mailänder Triennale ist eröffnet

Best-of Pools
Vom Mini-Tauchbecken bis zum grenzenlosen Schwimmerlebnis

Schöne Tage in Antwerpen
Streifzüge durch die flämische Metropole

Motion. Autos, Art, Architecture
Norman Foster kuratiert Ausstellung im Guggenheim Bilbao

Planet Plastik
Neue Ausstellung im Vitra Design Museum

Skulpturen für den Alltag
Museum Ludwig widmet Isamu Noguchi eine Retrospektive

Alpine Sinnlichkeit
Entdeckungen auf der Sammlermesse Nomad St. Moritz

Wohnen als Gesamtkunstwerk
Ettore Sottsass’ Casa Lana in der Mailänder Triennale

Keramik, Pop und NFT
Neues von der Sammlermesse Design Miami 2021

Hyper, Hyper
Der Concorso d’Eleganza rehabilitiert die Autos der Neunzigerjahre
