Reif fürs Collectible Design
Studiobesuch bei Gisbert Pöppler in Berlin
Gisbert Pöppler ist einer der erfolgreichsten deutschen Interiordesigner, was nicht nur mit seinem formidablen Gespür für Farben, Formen und Materialien zu tun hat. Er ist auch deshalb so gefragt, weil er früh erkannte, dass handwerklich gefertigte Objekte einen Hauch von Einzigartigkeit ins Interior bringen. Wir haben den vielseitigen Gestalter in seinem Studio in Berlin-Friedrichshain getroffen, wo er uns erzählt hat, dass Architekt*innen kein Interiordesign können und Deutschland reif fürs Collectible Design ist.
Dieser Ort passt ziemlich gut zu Gisbert Pöppler und seiner Idee von Interiordesign. Die Rede ist von der ehemaligen Karl-Marx-Buchhandlung in der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain. Hier arbeitet der Designer mit seinem Team und stellt im denkmalgeschützten Interior aus den Fünfzigerjahren mit maßgefertigten Regalen und einem subtilen Farbkonzept auch seine eigenen Entwürfe aus: Sideboards aus glasiertem Lavagestein, gepolsterte Sofas, Plaids aus mongolischem Kaschmir und sein neuestes Design, ein farblich ungewöhnliches Dekor für die Berliner Porzellanmanufaktur KPM.
Porzellanliebhaber
Wenn Gisbert Pöppler Glück hat, wünschen sich Kund*innen Dinge von ihm, die sonst niemand hat. Das können beispielsweise speziell für ein Projekt entworfene Möbel und Leuchten sein, aber auch ein Porzellandekor. So kam es zu einer ersten Zusammenarbeit mit KPM, als sich eine Auftraggeberin für das Porzellangeschirr Urania eine exklusive Farbgebung wünschte. An dieses Farbkonzept erinnerte sich der Designer, als er im Auftrag von KPM ein neues Dekor für die Löberschale entwickelte – einen Klassiker der Berliner Manufaktur, den Wilhelm Löber 1929 entworfen hat. Nun stehen die Schalen im Studio von Pöppler und sind ein ziemlicher Hingucker, auch weil sie auf einem von ihm entworfenen Tisch aus Aluminium platziert sind, dem Cherry Table. Die Farbkombinationen der Schalen in kräftigem Jaune, Rouge, Bleu und Vert sind alles andere als gewöhnlich und waren technisch nur nach ausgiebiger Tüftelei in ein Produkt umsetzbar, erzählt der Designer. Das von ihm geliebte Orange ließ sich in der gewünschten Qualität zwar nicht vollflächig realisieren, betont als zarte Farblinie jetzt aber Rand und Fuß der Objekte.
„Es sind diese Entstehungsprozesse, die ich so liebe“, schwärmt Pöppler. „Und manchmal entsteht aus dem, was nicht geht, etwas Positives.“ Jede der vier Farbkombinationen der Édition Quartolet ist in limitierter Auflage von je 25 Stück erhältlich und kostet pro Stück 2.000 Euro. Das ist ein durchaus stolzer Preis, aber der 55-jährige Designer sagt: „Die Schalen machen total Spaß.“ Pöppler hat übrigens seit jeher ein Faible für Porzellan, was man auch in der Studioküche sieht, die er natürlich ebenfalls selbst entworfen hat. Hier hortet der Designer in einem alten Vitrinenschrank seine Familienschätze: opulente Teller, Schalen und Suppenterrinen aus Meissener Porzellan.
Architekturgestalter
Eigentlich hat Gisbert Pöppler an der TU Berlin Architektur studiert, merkte aber schnell, dass ihm die technische Seite dieser Disziplin nicht so sehr lag. Als er dann Ende der Neunzigerjahre als freiberuflicher Architekt arbeitete, entflammte sein Interesse für die Innenarchitektur. Er hatte Nana von Hugo kennengelernt, die Grande Dame des deutschen Interiordesigns. Damals sei er auch auf die Farbe gekommen und habe sich den ersten RAL-Farbfächer gekauft, erzählt Pöppler. Und ergänzt, dass viele Architekt*innen bis heute nicht verstünden, wie schwer die richtige Möblierung eines Raumes sei. Nachdem Pöppler jahrelang ausschließlich als Interiordesigner gearbeitet hat, kehrt er gerade an seine Wurzeln zurück und entwirft für ein Dreifamilienhaus am Starnberger See die Architektur sowie das Interiordesign – ein Traumprojekt, wie er es nicht alle Tage auf den Tisch bekommt.
Entdeckergeist
Gisbert Pöppler hat eine beinahe kindliche Begeisterung für das Spiel mit Farben, Formen und Materialien. Er holt ein paar Plastikkisten mit allerlei Textilproben hervor und erzählt, dass er ein regelrechtes „Trüffelschwein“ sei, wenn es darum ginge, ungewöhnliche Stoffe zu entdecken. Er denkt auch darüber nach, demnächst eine eigene Kollektion von Polster- und Vorhangstoffen zu entwickeln und selbst produzieren zu lassen. Die üblichen Verdächtigen der Textilbranche sind sein Ding jedenfalls nicht. Er sucht das Außergewöhnliche und arbeitet beispielsweise lieber mit einer New Yorker Koryphäe zusammen, die im Ein-Frau-Betrieb sämtliche Polsterstoffe selbst am Webstuhl herstellt, weshalb es nicht weiter verwunderlich ist, dass ein Meter davon schnell mit einigen Hundert Euro zu Buche schlägt. Und dann wären da noch die wunderbar weichen Double-Face-Plaids, die Pöppler ebenfalls selbst entworfen hat. Sie sind in blau-weißen Mustern erhältlich, die an die japanische Shibori-Technik erinnern, oder in ungewöhnlich zusammengestellten Farbquadraten. Warum solch ein Überwurf bis zu 12.000 Euro kosten kann, versteht man, wenn man erfährt, dass von dem mongolischen Kaschmir jedes Jahr nur wenige Tonnen verfügbar sind und dass wegen des Großformats eigens ein Webstuhl gebaut werden musste. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass die Kaschmirdecken just dort in Kathmandu gewebt werden, wo auch der französische Luxushersteller Hermès seine Plaids produziert. So viel jedenfalls steht fest: Alles, was Pöppler verkauft, ist beratungsintensiv.
Perfektionist
Das Handwerk hat eine große Bedeutung für den Designer, seit er einige Semester in Kalifornien studierte und die amerikanische Craft-Bewegung für sich entdeckte. Heute tobt er sich dort so richtig aus, insbesondere bei seinen eigenen Kollektionen. Als er begann, Möbel für spezifische Projekte selbst zu entwerfen, hatte er das Glück, dass ihm ein Freund verschiedene Manufakturen empfahl, mit denen er teils seit Jahren zusammenarbeitet. Gerade in Paris, erzählt er, gäbe es ein handwerkliches Know-how, das anderswo längst verloren gegangen sei. Auch sei es in Frankreich, England und den USA viel üblicher, für die Gestaltung privater Räume einen Innenarchitekt*in zu engagieren.
Doch gerade bewege sich etwas in Deutschland. Viele Interiordesignstudios eröffneten, längst sähe man das Möbel nicht mehr nur als Einzelstück, sondern als Teil eines großen Ganzen. Dazu passt, dass auch das Collectible Design im Aufwind ist, was hier bisher nicht so recht Fuß fassen konnte. Gemeint sind damit von Designer*innen entworfene Einzelstücke in hochwertigen Materialien, die allesamt handgefertigt sind und meist in Galerien oder von den Gestalter*innen selbst verkauft werden. Gisbert Pöppler findet es an der Zeit, dass das Einrichten mit Collectible-Design-Stücken nun auch in Deutschland Einzug hält und damit auch das Handwerk feiert. Er kann sich jedenfalls gut vorstellen, demnächst Einzelstücke mit in seine Kollektionen aufzunehmen. Ideen hat er jedenfalls genug, so scheint es.