Menschen

Hilfsaktion in Kalifornien

Das Möbellabel Kalon Studios aus L.A. spricht über seinen „Wildfire Relief Free Market“

Kalifornien steht in Flammen – und viele wollen die Betroffenen unterstützen. BauNetz id sprach mit Michaele Simmering und Johannes Pauwen vom Möbellabel Kalon Studios aus Los Angeles über ihre Hilfsaktion im eigenen Showroom, die lokale Gemeinschaft und die Auswirkungen der Katastrophe.

von Kathrin Spohr, 24.01.2025

Naturkatastrophen nehmen weltweit zu: Während der Osten Europas, etwa Bosnien mit seinen angesehenen Möbelproduktionsstätten, derzeit von schweren Schneestürmen und Stromausfällen betroffen ist, steht der Westen der USA vor einer anderen Krise. Extreme Trockenheit hat in Kalifornien eine beispiellose Brandkatastrophe ausgelöst. Entspannung ist kaum in Sicht: In Los Angeles entfachen immer wieder neue Feuer. Unterdessen hat das Möbellabel Kalon Studios seinen „Wildfire Relief Free Market“ eröffnet.

Wie geht es Euch und wie seid Ihr persönlich von dem Feuer betroffen?
Obwohl wir nicht in der unmittelbaren Brandzone leben, wurden wir evakuiert – wir wohnen in der Nähe des Eaton-Feuers. Die Brände machten die Luft so schlecht, dass man kaum atmen konnte. Die Sonne war tiefrot vom Rauch, der Himmel schwarz. Verbranntes Papier fiel zusammen mit Asche vom Himmel in unseren sehr trockenen Garten. So lange die Feuer toben, bleibt die Gefahr: Brennende Glut kann durch Rauchsäulen bis zu fünf Meilen weit transportiert werden und neue Brände auslösen.

Wie ist die Situation um Euch herum?
Es ist eine nationale Katastrophe! Alle, die wir in L.A. kennen, sind von den Bränden betroffen. Da sind die unmittelbaren Opfer: Menschen, die ihre Häuser verloren haben. Andere evakuierte Familien, deren Häuser in der Brandzone liegen, aber nicht abgebrannt sind, können auch nicht zurückkehren. Von der Wasser- und Stromversorgung bis hin zu den sanitären Einrichtungen – die gesamte Infrastruktur ist zerstört. Starke Rauchschäden und Feinstaubbelastungen machen die Häuser in einem Ödland größter Verwüstung unbewohnbar. Dann gibt es auch all diejenigen, die in den abgebrannten Gebieten erwerbstätig waren und nun keine Lebensgrundlage mehr haben: von Reinigungskräften über Gärtner, Angestellte im Einzelhandel und Automechaniker bis hin zu Bauarbeitern und so weiter. Ich bezweifle, dass sie irgendeine Hilfe von Versicherungen oder der Regierung erhalten werden.

Altadena, ein multikulturelles, dicht besiedeltes Kreativviertel, ist weitgehend niedergebrannt, das Eaton-Feuer noch nicht gelöscht. Was bedeutet das für die Menschen?
Viele befreundete Kreative, Künstler, die dort ihr Zuhause, ihre Arbeitsstätten hatten, mussten fluchtartig ihre Häuser verlassen. Bis auf die Sachen, die sie trugen, haben sie nichts mehr. Weder Basics wie Ausweisdokumente, Kleidung oder Brillen noch Erinnerungsstücke.

Ihr habt spontan den „Wildfire Relief Free Market“ ins Leben gerufen. Wie genau kam es dazu?
Ein Freund, Inhaber eines Modelabels, fragte uns, ob er Kleidung an unser Studio schicken könnte und ob wir herausfinden könnten, wie man diese am besten verteilt. Zeitgleich entwickelte sich hier vor Ort eine beeindruckende Gemeinschaft von kleinen, unabhängigen Labels bis hin zu großen Marken, die alle Hilfe anbieten wollten. Uns wurde schnell klar, dass auch wir anders gebraucht werden: Tausende von Menschen hier in L.A. benötigen gerade keine Möbel. Unsere Idee war, dass wir am besten helfen, indem wir unseren Showroom und unsere Zeit zur Verfügung stellen, um grundlegende Güter zu verteilen. Sogar deutsche Marken haben gespendet. Die Unterstützungsbereitschaft ist überwältigend!

Wie sieht das Konzept konkret aus?
Wir bieten hochwertige, essenzielle Produkte an, in einer Umgebung, die den Besuchern ein möglichst normales, ein würdevolles Erlebnis bietet: von Baby-, Kinder-, Damen- und Herrenbekleidung über Sonnenschutz, Hautpflege, Bademäntel und Brillen bis hin zu Lunchboxen, Tragetaschen und Handtüchern. Und noch vieles mehr. Unser Ziel ist es, die Menschen mit Dingen auszustatten, mit denen sie sich umsorgt fühlen, mit denen sie sich selbst treu bleiben können, an denen sie vielleicht sogar jahrelang Freude haben werden. Inzwischen kommen ständig neue Waren – über einen Link erhält man Updates dazu. Uns ist bewusst, dass dies nur der Anfang eines langen Weges der Traumabewältigung ist.

Das Motto von Kalon Studios lautet: „Design für eine nachhaltige Kultur“. Was bedeutet diese Idee angesichts der durch den Klimawandel bedingten Katastrophe?
Das Motto gilt mehr denn je. Wir sehen unsere Arbeit als ein Ökosystem, das Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Gemeinschaften und auf die Umwelt hat, in der wir leben und arbeiten. Wir streben eine Netto-Positiv-Bilanz an. „Design für eine nachhaltige Kultur“ bedeutet, dass wir eine intelligentere Wirtschaft entwickeln müssen. Denn die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen, ist genauso Teil der Nachhaltigkeit wie das, was produziert wird. Wir müssen uns um die Menschen kümmern. Sie sind Teil des Prozesses, sei es in der Liefer- und Produktionskette oder als Verbraucher. Mit Kalon arbeiten wir also so, dass wir selbst die Veränderung sein können, die wir uns wünschen.

Extrem arme und extrem reiche Menschen sind durch die verheerenden Brände gleichermaßen entwurzelt. Wie wächst die Gesellschaft in dieser Situation zusammen?
Die Angelenos werden oft als oberflächlich wahrgenommen. Doch in diesem Moment gibt es eine tiefe Verbundenheit und gemeinschaftliches Handeln. So haben wir es noch nie zuvor erlebt. Ich wünschte, dieser Geist von Großzügigkeit und Mitgefühl wäre auch außerhalb von Krisenzeiten präsent. Sogar Menschen mit sehr begrenzten Mitteln tun ihr Bestes, um zu helfen.

L.A. wird die betroffenen Stadtgebiete neu aufbauen. Eine große Gestaltungsaufgabe. Wo seht Ihr Herausforderungen und Chancen?
Es gelten bereits viele Regeln für nachhaltigeres Bauen, zum Beispiel in puncto Energieeffizienz. Wir haben jetzt schon sehr strenge seismische Vorschriften und wahrscheinlich wird nun auch der Brandschutz im Bauwesen nochmals aktualisiert werden. Aber unsere Straßen sind ein Wirrwarr von Strommasten und -drähten. Die Transistoren sprühen Funken und explodieren regelmäßig bei starkem Wind. Es wird vermutet, dass das Eaton- und das Hurst-Feuer auf diese Weise ausgelöst wurden. Es gibt neue Gebäude, die die Brände aufgrund einfacher konstruktiver Überlegungen überlebt haben, wie etwa Metalldächer, Dachvorsprünge aus feuerresistenten Materialien, eine mediterrane Bepflanzung und pflanzenfreie Zonen um ein Gebäude herum. Unser Büro liegt in einem neu errichteten Stadthaus und  verfügt über Sprinkleranlagen in allen Räumen. Die Stadt hat bereits angekündigt, dass die Genehmigungsverfahren zum Aufbau beschleunigt werden. Aber ohne die nötige, umfassende Vision besteht die Gefahr, dass Bauträger vor allem auf schnellen Profit setzen.

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Links

Kalon Studios

kalonstudios.com

Wildfire Relief Free Market

instagram.com/lawildfire_freemarket/

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