Stories

Mischen Possible

Win-win ist, wenn für alle Beteiligten etwas Gutes dabei herauskommt. Die Kooperationen der Möbelbranche daran.

von Jörg Zimmermann, 18.04.2016

Die einen sprechen von einem Rummelplatz, die anderen reden von Schlachtfeld. Für die Marketing-Abteilungen der Möbel- und Interior-Industrie ist die Präsentation von Marke und Produktneuheiten zum Salone del Mobile einfach eine gewaltige Mission. Alljährlich im April wird von den Protagonisten der Branche in Mailand alles gegeben, um die Aufmerksamkeit des internationalen Publikums auf das eigene Geschäft zu lenken. Da kommen Allianzen gerade recht.

Wenn viele versuchen, alles zu machen, könnte eigentlich die Stunde der Spezialisten schlagen. Doch die wollen kaum noch alleine stehen und suchen mit wechselndem Geschick nach temporären Weggefährten oder langfristigen Partnerschaften. Denn Kooperationen beflügeln die Phantasie der Medien und bewegen die Käufermassen. Die Mission ist geglückt, wenn die Begeisterung der Kunden für die kooperierenden Marken wächst und im Anschluss bei den Beteiligten kräftig die Kasse klingelt. Soweit das Gedankenspiel.

Crossover mit Tradition
In der Praxis sind projektweise Kooperationen von Unternehmen und Marken nicht neu, aber in der ausgeübten Bandbreite durchaus einen genaueren Blick wert. Beispiel Kartell. Die italienische Traditionsmarke für Kunststoffmöbel spielt seit Jahren souverän einen Mix aus flotten Crossover-Stücken und gemächlicheren Melodien. Regelmäßige Salone-Besucher erinnern sich an den Auftritt von Rockmusiker Lenny Kravitz, der 2012 nicht nur den Stuhlentwurf Mademoiselle von Philippe Starck „re-interpretierte", sondern auch vor dem Kartell-Showroom in der Mailänder Innenstadt für einen ausgewachsenen Menschenauflauf sorgte. Musikfans und Designliebhaber tummelten sich gemeinsam in der Warteschlange, das Mischen der Welten war geglückt.

Mittlerweile werden die einlassbegehrenden Kartell-Fans vor dem Flagship-Store an der Via Turati durch Drängelgitter und Security-Kräfte in Bahnen gelenkt, auch wenn in diesem Jahr die Kooperation mit Lapo Elkann und Garage Italia Customs nicht ganz so massenbewegend war. Kartell-Präsident Claudio Luti: „Kartell ist heute eine internationale Lifestyle-Marke, die es sich leisten kann, Partnerschaften und besondere Projekte voranzutreiben, und dabei auch einmal einen freieren und lässigeren Ansatz für ihre Produkte zu wählen." It’s a wrap ist das aktuelle Projekt überschrieben, das bekannte Kartell-Produkte mittels einer Folientechnik verändert und in einer limitierten Auflage als Capsule Collection in den Verkauf geht.

Laute Farben vs. leise Harmonie
Mit 100 exklusiven Exemplaren des Kühlschranks Fab 28 ist auch die Kooperation von Smeg und Dolce & Gabbana klar limitiert. In aufwendiger Handarbeit aufgebrachte Bildwelten mit Rittern und mittelalterlichen Schlachtszenen, Zitronen und floralen Motiven „transformieren sie zu einem Kunstwerk“, zumindest jedoch zu einem begehrten Fotoobjekt auf der Eurocucina. Als Klammer der wiederholten Partnerschaft verweisen Dolce & Gabbana und Smeg auf den beiderseitig „tiefen Respekt vor Traditionen“ und beschwören die „Exzellenz von Made in Italy“. Leicht im Sinn wird hier skizziert, was dank der lauten Farbigkeit schnell aus der Mode sein und zum alten Eisen gehören dürfte, auch wenn man der Kühlschranktechnik durchaus einige Jahre Betriebsdauer zu trauen würde.

Neben der lauten Farbigkeit von Dolce & Gabbana nimmt sich die Farbwelt von Issey Miyake im aktuellen Projekt mit Iittala wunderbar entspannend zurück. Iittala und Issey Miyake sehen „eine Zusammenarbeit zwischen zwei Meistern des zeitlosen Designs“, eine Selbsteinschätzung der Kooperationspartner, der man sich durchaus anschließen mag. Das tiefgehende Verständnis für hochwertige Handwerkskunst und das Bekenntnis der Beteiligten zu einer klaren Formensprache verleihen dem Projekt fast eine unwiderstehliche Selbstverständlichkeit.

Erweitertes Selbstbewusstsein
Bereits zum dritten Mal kollaborieren La Rinascente und die Serpentine Galleries. Die Kaufhaus-Legende direkt gegenüber dem Mailänder Dom räumte die Hauptschaufenster für eine achtteilige Installation unter dem Titel
A Search Behind Appearances frei. Hella Jongerius und Louise Schouwenberg stellen mit ihren anspruchsvollen Inszenierungen die Frage nach der Komplexität von Design und schließen damit thematisch an ihr Manifest „Beyond the New“ aus dem Vorjahr an. „A Search Behind Appearances ist für uns eine einmalige Gelegenheit, das Kaufhaus temporär in eine Extension der Galerie zu verwandeln“, begründen Julia Peyton-Jones und Hans Ulrich Obrist, Direktorin und Koordinator der Serpentine Galleries ihr Engagement. Für La Rinascente-CEO Alberto Baldan ist die fortgesetzte Zusammenarbeit „eine Gelegenheit zur Selbstreflektion und Inspiration“, sowohl für das eigene Haus als auch für „alle, die unsere Schaufenster bewundern“, soviel Selbstbewusstsein darf bei dem ganzen Aufwand schon sein.

Berührungen mit der Praxis
Auch der Blick auf die Kooperationen zwischen Firmen und Hochschulen lohnt. Als Sparringspartner und Impulsgeber wird die schweizerische Ecal hoch geschätzt. Im Jubiläumsjahr des Hockers Backenzahn hat die Möbelmarke e15 die Studierenden im Masterstudiengang der Hochschule aus Lausanne mit einer interessanten Aufgabenstellung konfrontiert. Ausgestattet mit den gleichen Materialen wie e15-Gründer Philipp Mainzer bei dem Entwurf des nun 20-jährigen Hockers sollten die Studierenden noch Produktalternativen suchen. 14 Entwürfe sind unter Leitung des Designers Camille Blin entstanden, einige davon durchaus mit Potential, den Weg in die Kollektion zu schaffen, wie Philipp Mainzer andeutet.

Bleibt noch die Frage nach der Rolle der Medien. Schließlich ist „Medienkooperation“ ein Schlagwort, das ohne klare und verbindliche Definition schon lange die Runde macht. Besonders bei Eventformaten ist der Zusammenarbeit mit Medien, ganz gleich ob Print oder digital, beliebt. Dass Kooperationen mit Medien deutlich über einen Logotausch und Ankündigungsreigen hinausgehen können, beweist Jahr für Jahr das Magazin Wallpaper. Die Zeitschriftenmacher aus London bringen Unternehmen mit Designern und Architekten zusammen und präsentieren die Ergebnisse der Kollaborationen in Mailand in einer aufwendigen Ausstellung, die exklusive Berichterstattung für und über das eigene Medium generiert. Die Kooperationen zwischen Kreativen und Unternehmen wird so gewissermaßen über Bande weitergespielt. Vielleicht die eleganteste Version einer mehrfach befruchtenden Zusammenarbeit.

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Mehr aus unserem Special zum Salone del Mobile 2016 finden Sie hier...

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Links

Special: Salone del Mobile 2016

www.designlines.de

Kartell

www.kartell.com

Iittala

www.iittala.com

Serpentine Galleries

www.serpentinegalleries.org

La Rinascente

www.rinascente.it

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