Respektvoll erneuert
Drei Ansätze für nachhaltiges Bauen im Bestand
Ein Anbau aus Naturmaterialien in London, farbig aufgepeppter Stuck in Spanien und eine moderne Intervention in einem rumänischen Mittelalterensemble zeigen, wie respektvolles Renovieren und Weiterbauen gelingen kann.
Umbauen, erweitern, renovieren: Um den Bestand und damit wertvolle Ressourcen zu erhalten, gibt es viele Möglichkeiten. Im Idealfall kommen dabei natürliche und nachhaltige Materialien zum Einsatz, die sich auch noch günstig auf das Raumklima auswirken. Inspirationen aus Großbritannien, Spanien und Rumänien geben Denkanstöße für eine umweltfreundliche Transformation.
Luftiger Anbau
Am Londoner Victoria Park liegt das Reihenhaus, das Cairn Architects zu einem Klimaschutzwunder umgebaut haben. Der CO2-Fußabdruck des viktorianischen Gebäudes konnte im Vergleich zu einem konventionellen Haus um 40 Prozent reduziert werden. Auf Stahl und Beton verzichteten die Architekt*innen bei dem Umbau weitgehend. Stattdessen verwendeten sie für das House Made by Many Hands Materialien mit niedrigen Emissionen. So ist ihr Projekt das erste Bauwerk in Großbritannien, bei dem Beton mit Zement aus Kalkstein und kalziniertem Ton verwendet wurde. In einer Gemeinschaftsaktion zogen die Planer*innen und Bauherr*innen zudem Wände aus Hanfbeton hoch, einem Verbundmaterial, das sich aus dem Leichtholz der Hanfpflanze und einem kalkhaltigen Bindemittel zusammensetzt. Auch Kork, Kalkputz, Holzfasern und -wolle sowie eine Holzrahmenkonstruktion, die sich am Ende ihrer Lebensdauer leicht zurückbauen lässt, kamen zum Einsatz. Möglichst viele Materialien wurden secondhand erworben. So stammt der Holzboden aus einem Londoner Gerichtsgebäude.
Herzstück des Umbaus ist aus gutem Grund die große Küche, schließlich arbeitet der Bauherr als Koch. Schräge Dachfenster lenken natürliches Licht in den Raum, während Trennwände im Erdgeschoss weitgehend entfernt wurden. Stattdessen strukturieren alte und neue Säulen die Fläche. Im ersten Obergeschoss geht das Arbeitszimmer fließend in die Dachterrasse über. Der Bauherr lobt den Umbau, der sein Haus „leichter, geräumiger und funktionaler“ gemacht habe.
Mut zur Farbe
Sein Name ist mit Bedacht gewählt, denn tatsächlich stimmt das Joyous House in der nordspanischen Küstenstadt Castro Urdiales fröhlich. Das liegt an der breiten Farbpalette, der sich Cristina Acha und Miguel Zaballa von Acha Zaballa Architects bedienten, um den Altbau am Hafen mit einfachen, günstigen Mitteln in ein modernes Zeitalter zu überführen. Stuckverzierte Kamine und Decken erhielten einen neuen Anstrich. Weinrote Türen, hellblaue Fensterrahmen, eine rosafarbene Decke und ein grüner Kamin sind nur einige der Interventionen mit Pinsel und Farbtopf. Sie wurden mit ebenso farbenfrohen Möbeln kombiniert.
Dennoch ist die Farbzusammenstellung alles andere als wahllos. Immer wieder ergeben sich Bezüge zwischen den Pop-Art-inspirierten Tönen. In einem Schlafzimmer zum Beispiel ist ein Element des restaurierten Holzpaneels eines Einbauschranks in leuchtendem Kobaltblau gestrichen, passend zum Küchenschrank. Das Himmelblau der Fensterläden im Arbeitszimmer findet sich auf der Schreibtischplatte wieder. Einen verspielten Materialmix zeigt die Küche: Unter einem Holzbogen sind Herd und Arbeitsplatte vereint. Eine Marmorverkleidung trifft auf gemusterte Fliesen.
Brücke zwischen Alt und Neu
Ein drittes beispielhaftes Projekt befindet sich in Rumänien, genauer gesagt in Kirtsch (rumänisch: Curciu) in Siebenbürgen. In dem kleinen Dorf liegt auf einer Anhöhe, umgeben von Weinbergen, eine mittelalterliche Kirchenburg. Um das Ensemble aus Basilika und Nebengebäuden noch besser für Tourist*innen zu erschließen, ergänzte das rumänische Büro Modul 28 im Auftrag der Stiftung Kirchenburgen den historischen Ort um einen Pavillon aus Holz und eine Außentreppe. Dabei nimmt der Umbau in Übereinstimmung mit den Auflagen zum Denkmalschutz Rücksicht auf die historischen Proportionen.
Auch im Inneren finden Alt und Neu stimmig zueinander. Die Wände des Bestands wurden nur teilweise verputzt, hier und da zeigen sich die darunterliegenden Steinwände. Bad und Arbeitszimmer im hölzernen Anbau hingegen sind in einem geradlinigen skandinavischen Stil gehalten. Einen farbigen Akzent setzt die gelbe Innenverkleidung der Dusche. Eine Brücke zwischen Alt- und Neubau schlägt das moderne Mobiliar. Das Team von Modul 28 befasst sich bei seinen Projekten oft intensiv mit dem historischen Bestand, um ihn vor dem Verfall zu retten und in eine neue Nutzung zu überführen. In Kirtsch ist dies gelungen.