Textile Bodenbeläge
Zwischen Technologie, Gestaltung und Nachhaltigkeit

Holz, Naturstein, Teppich? Der Boden bestimmt, wie ein Raum wirkt. Diese Themen treiben derzeit die Welt der textilen Bodenbeläge an: expressive Dessins, Schwarz-Weiß-Kontraste, Recyclingmaterialien, Individualisierungsmöglichkeiten.
Jeder hat es schon einmal erlebt: Man betritt einen Raum und alles fühlt sich stimmig an. Das kann an der Person liegen, die dort wohnt, und an der Einrichtung – Möbel, Leuchten, persönliche Dinge. Es kann aber auch an der Wahl des Bodenbelags liegen, denn kühler Marmor wirkt anders als knarzende Holzdielen oder kurzflorige Teppichfliesen. Ob ein Raum als gut gestaltet wahrgenommen wird, hängt maßgeblich ab von der Bodengestaltung. Sie sollte zur Architektur passen und zugleich die Raumfunktionen hervorheben.
Architektonische Elemente
Gestalterisch gesehen galten textile Bodenbeläge lange als Stiefkinder des Designs, was ihr bis heute ziemlich schlechtes Image im Privatbereich erklärt. Zu Unrecht, denn inzwischen spiegeln sie allgemeine Interiortrends und sind wesentlicher Bestandteil von Innenräumen. Alles wird eins und gestalterisch aufeinander abgestimmt: Böden, Wände, Decken, Möbel, Leuchten. „Wir versuchen, Textilien als architektonisches Element zu betrachten. Als solches verschaffen sie uns den gestalterischen Freiraum, die verschiedenen Raumtypen frei zu gestalten: Eingang, Wohlfühlzonen, Leitsysteme. Und Orte, die das Ambiente zum Verweilen vermitteln“, sagt Fokke Moerel vom Architekturbüro MVRDV.
Auf den Punkt gebracht: Teppichkollektion von Cecilie Manz, cc-tapis/ Fritz Hansen. Copyright: Cecilie Manz Studio
Sinn & Sinnlichkeit
Textile Bodenbeläge, egal ob als Meterware oder Fliesen, bieten unzählige Möglichkeiten zur Gestaltung von Räumen – mit Farben, Mustern, Materialien und Formaten. Dabei sind sie „raumbildend, ohne Mauern zu ziehen“, erklärt Jürgen Dahlmanns vom Berliner Label Rug Star. Wenn Teppiche keine industrielle Massenware, sondern wie bei Dahlmanns handgefertigte Einzelstücke sind, bringen sie einen individuellen Touch ins Interior – als abgepasster Teppich – gewebt, getuftet oder geknüpft.
Doch egal ob industriell oder handgemacht: Textile Oberflächen bieten immer ein haptisches Erlebnis: Sie spielen mit kurz- und hochflorigen Fasern, mit matten und glänzenden Optiken, mit Materialien wie (Baum-)Wolle, Nylon und Seide. Dabei erzeugen Schlingen geometrische Strukturen, gebauschte und gedrehte Garne bringen Bewegung auf den Teppich. Die Teppichfliesenkollektion Fields von Carpet Concept beispielsweise erinnert mit ihren taktilen Oberflächen an Sand und Steine. Karolin Schmidbaur, Design & Managing Partner beim Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au, sagt, dass „der Boden immer wichtiger wird, weil heutzutage alles out of touch ist.“ Piero Lissoni geht noch einen Schritt weiter: Für den italienischen Architekten und Designer ist der Boden nämlich als „sechster Sinn“ die wichtigste Oberfläche eines Raumes überhaupt.
Ein Hauch von Orient: RugXStyle Marakesh, Object Carpet.
Persönlichkeit zeigen
Was in der Fashion-Industrie begann, ist nun auch in der Teppichbodenbranche angekommen: die zunehmende Individualisierung von Massenprodukten. Sie betrifft vor allem textile Bodenbeläge, die für öffentliche Räume wie Lobbys und Wartebereiche in Hotels und Unternehmen gedacht sind. Kathrin und Mark Patel haben für Object Carpet ein Tool speziell für Architekten und Planer entwickelt: Mit Forum können sie aus einer großen Bandbreite von Designs, Kolorits und Qualitäten individuelle Bodenbeläge zusammenstellen. „Einzeln gelegt sind die Teppiche ein Blickfang, kombiniert oder im Zusammenspiel mit anderen Object Carpet-Qualitäten lassen sich Räume geschickt gliedern – so entstehen Zonen, die insbesondere in Shops, Hotels und Großraumbüros ästhetische Blickfänge schaffen“, sagt Lars Engelke, Geschäftsführer von Object Carpet.
Grüner werden
Nachhaltige Produkte werden gerade verstärkt nachgefragt, auch in der Teppichbodenindustrie. Neben Produktionsprozessen, die „grüner“ werden, sind es vor allem die verwendeten Materialien, auf denen das Augenmerk liegt. Aquafil, ein italienischer Hersteller von synthetischen Fasern, produziert mit Econyl ein nachhaltiges Nylongarn, das aus recycelten Abfällen, darunter Geisternetze aus dem Meer, hergestellt wird. Unternehmen wie Tarkett, Interface, Carpet Concept und Object Carpet stellen daraus nachhaltige Bodenbeläge her. Ebenso wie der dänische Hersteller Ege Carpets, der mit ReForm Artworks Ecotrust Teppichfliesen aus Econyl im Programm hat, deren patentierte Ecotrust-Rückseite aus recycelten Wasserflaschen besteht. Die Teppichfliesen Desso AirMaster Gold von Tarkett sind Cradle to Cradle Gold zertifiziert, wobei sie besonders effektiv bei der Aufnahme und Bindung von Feinstaub sind. Eng verknüpft mit dem Thema Nachhaltigkeit ist der Megatrend Gesundheit, denn textile Bodenbeläge haben Eigenschaften, die das Wohlbefinden fördern und eine gesunde Raumatmosphäre schaffen: Wärmedämmung, Akustik und das Filtern von Staub und Pollen.
Aus dem recycelten Nylon-Garn Econyl gefertigt: ReForm Artworks Ecotrust Angle, Ege Carpets.
Textile Bodenbeläge sind ein komplexes Thema, das sich bewegt zwischen Technologie, Gestaltung und Nachhaltigkeit. Als Basiselement sind Teppiche entscheidend dafür, ob ein Innenraum harmonisch und gut gestaltet wirkt. Möbel und Leuchten lassen sich kurzerhand austauschen, ein Bodenbelag nicht.
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