Menschen

Hochzeit zweier starker Charaktere

Das Designduo Doshi Levien über seine Zusammenarbeit mit Arper

Mit dem modularen Sofa Shaal hat das Londoner Designduo Doshi Levien das Herzstück einer Kollektion für Arper geschaffen, die in diesem Jahr um ein Daybed, einen Pouf und einen Sessel erweitert wurde. Die Beistelltische Roopa ergänzen die Sitzmöbel und folgen einem ähnlichen Konzept. Im Rahmen eines Gesprächs während der Milan Design Week verrieten uns Nipa Doshi und Jonathan Levien mehr über das Konzept hinter den Entwürfen und ihre Grundsätze von Farbe, Textur und Schönheit.

von Annette Schimanski, 02.05.2023

In diesem Jahr stehen die Erweiterung Eures modularen Sofas Shaal sowie die Beistelltische Roopa im Mittelpunkt. Aber wie kam es überhaupt zur initialen Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Arper?
Nipa Doshi: Im Jahr 2020 haben wir Arper kennengelernt, als wir Ehrengäste auf der Stockholmer Möbelmesse waren. Dort hatten wir eine Installation all unserer Werke und unseres Arbeitsprozesses geschaffen. So kam der erste Kontakt zustande – und das obwohl wir in London quasi Nachbarn sind. Wir selbst sind im Barbican zu Hause und oft am Arper-Showroom vorbeigelaufen. Wir mochten schon immer die Klarheit, Leichtigkeit und den Einsatz von Farbe in den Entwürfen. Es fühlte sich wie eine sehr natürliche Kooperation an, da das Unternehmen für Präzision und Schönheit steht.

Wie lautete Euer erster Auftrag im Rahmen dieser Zusammenarbeit?
Jonathan Levien: Wir haben tatsächlich einen sehr spezifischen Auftrag erhalten. Es ging darum, wie sich Lebensumfelder derzeit wandeln und wie sich auch die Erwartungen der Menschen dadurch verändern. Arper war aus unserer Sicht stets ein Hersteller, der Büromöbel entwickelt. Doch in jüngster Zeit erhalten Arbeitsräume mehr und mehr eine wohnliche Atmosphäre. Das könnte eine Folge der Pandemie sein, aber eventuell war es auch eine unvermeidbare Entwicklung. Menschen wollen eine entspanntere, komfortable Umgebung, die Schönheit und Sinnlichkeit widerspiegelt. Diese Tendenzen haben wir in unsere Entwürfe für Arper einfließen lassen. Es ging von Anfang an darum, eine vollständige Umgebung zu gestalten. Wir wollten nicht einzelne Produkte entwerfen, sondern stellten uns die Frage: Wie können wir durch eine Reihe von Objekten eine vollwertige Atmosphäre schaffen?

Die Pandemie hat die Vorstellungen davon, wie Menschen leben und arbeiten wollen, verändert. Wie zeigt sich das im Design?
Jonathan Levien: Menschen verbringen mehr Zeit zu Hause und haben daher auch mehr investiert, um sich eine entsprechende Umgebung zu schaffen. Sie möchten dort nicht nur leben, sondern auch ihre Arbeit machen können. Dieses Bedürfnis nach Komfort nehmen die Leute nun mit ins Büro. Daher wird Wohnlichkeit auch in Arbeitsräumen erwartet.

Nipa Doshi: Ich glaube, dass die Pandemie die Vorstellung von Effizienz im Büro enorm verändert hat. Du kannst zu Hause in gemütlicher Kleidung auf einem schönen Sofa sitzen und sehr gute Ergebnisse abliefern. Das hat sogar eine Auswirkung auf die Mode. Menschen gehen jetzt auch mal in Alltagskleidung ins Büro.

Die Kollektion besteht aus einer von Euch eigens kuratierten Farbpalette und speziellen Materialkombinationen. Was steckt dahinter?
Nipa Doshi: Sowohl beim Sofa als auch beim Tisch ist das übergreifende Thema das Zusammenspiel von Materialität und Texturen. Die Farbsynergie zieht sich als roter Faden durch beide Entwürfe.

Jonathan Levien: Wir hatten die Idee, eine Verbindung von Gegensätzen in einem einzelnen Objekt zu schaffen. Der Gedanke hinter der Farbauswahl war es, flexible Möglichkeiten anzubieten, aber dabei eine gewisse Simplizität zu bewahren. Darin steckt eigentlich auch eine Art Widerspruch oder Kontrast. Die Farbkombinationen haben wir bereits vorausgewählt, was wir in der Regel nicht machen. So nehmen wir den Kund*innen die Entscheidung ab, aus einem endlosen Meer an Möglichkeiten aussuchen zu müssen.

Nipa Doshi: Shaal besteht aus einer harten Schale, die beispielsweise mit Leder bezogen wird. Die weiche Polsterung hat denselben Ton, nur als Stoffvariante. Das gleiche Konzept haben wir auf die Tische Roopa übertragen. Sie haben eine spiegelnde Hochglanz-Oberfläche und ein Gestell im selben Ton, nur in matter Ausführung. Indem man die Textur ändert, ändert man auch die Farbe des Materials – oder zumindest die Wahrnehmung. Der Einsatz von Farbe ist für viele gleichbedeutend mit dem Begriff „farbenfroh“. Aber man kann Farbe durchaus behutsam und gezielt einsetzen.

Die Materialien stehen also klar im Mittelpunkt. Welche Rolle spielte dabei das Thema Nachhaltigkeit?
Jonathan Levien: Nachhaltigkeit war von Anfang an einer der wichtigsten Entwurfsaspekte. Das bringt natürlich Einschränkungen mit sich, aber auch Möglichkeiten.

Nipa Doshi: Produkte müssen nicht nachhaltig aussehen, sie müssen es sein. Dem Sofa sieht man gar nicht an, dass es in einzelne Komponenten zerlegt werden kann. Alles wird nahezu nahtlos miteinander verbunden – ohne den Gebrauch von Klebstoff. Doch der wichtigste Aspekt ist die Qualität. Es gilt, Produkte zu erschaffen, die zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre lang genutzt werden können. Da spielen die Produktion und Handwerkskunst eine Rolle und die Tatsache, dass Arper unsere Entwürfe vor Ort in Italien herstellt. All das macht Nachhaltigkeit aus, nicht nur die Materialien.

Nipa Doshi, Du hast die Zusammenarbeit zwischen Arper und Euch als „Hochzeit zweier starker Identitäten“ bezeichnet. Worin liegt die Herausforderung, wenn zwei charakterstarke Entitäten miteinander verschmelzen?
Nipa Doshi: Ich würde es nicht als Herausforderung, sondern als große Chance bezeichnen. Unser Studio hat einen Designansatz, der auf Form, Sinnlichkeit und konzeptuellem Denken basiert. Unsere Arbeit wird von unserer Herangehensweise und nicht von einem bestimmten Stil geprägt. Arper war in der Hinsicht sehr offen. Dennoch waren wir uns der Identität des Unternehmens, der Klarheit und Genauigkeit der Produkte, bewusst. All das haben wir natürlich einfließen lassen. Ich finde, man kann ganz gut erkennen, dass sich unsere Entwürfe selten ähneln, da wir für jeden Hersteller versuchen etwas zu entwickeln, das gut zu ihm passt – aber dabei gleichzeitig auch unsere Identität trägt.

Alle Beiträge von der Milan Design Week 2023

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail

Mehr Menschen

Sanfte Radikalität

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Fabian Freytag über sein neues Buch, das Regelbrechen und die Magie Mailands

Das Gute trifft das Schöne

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Interview über die Kooperation von Arper und PaperShell

Der Design-Rebell

Nachruf auf den Gestalter Gaetano Pesce

Nachruf auf den Gestalter Gaetano Pesce

Ein Designer in olympischer Höchstform

Mathieu Lehanneur im Gespräch

Mathieu Lehanneur im Gespräch

„Ein Schalter ist wie ein Uhrwerk“

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

Ein Gespräch über die Gira-Produktneuheiten mit Jörg Müller

„Alle am Bau Beteiligten haben Verantwortung“

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen mit Lamia Messari-Becker

Zwischen Euphorie und Askese

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Studiobesuch bei Karhard in Berlin

Die Storyteller von Södermalm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

Studiobesuch bei Färg & Blanche in Stockholm

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

Interior- und Designstudios aus Berlin – Teil 2

„Man muss vor der KI nicht zu viel Respekt haben“

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

Technologie-Insider Timm Wilks im Interview

„Wir müssen uns nicht verstellen“

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

Atelierbesuch bei Studio Mara in Berlin-Charlottenburg

New Kids on the Block

Interior- und Designstudios aus Berlin

Interior- und Designstudios aus Berlin

Neue Talente

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

Die wichtigsten Newcomer*innen des deutschen Designs

„Naturverbundenheit spielt eine große Rolle“

Kreativdirektorin Camilla D. Fischbacher im Gespräch

Kreativdirektorin Camilla D. Fischbacher im Gespräch

Für die Schönheit des Planeten

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

Ein Gespräch über nachhaltige Möbel mit Andrea Mulloni von Arper

„Nachhaltige Opulenz ist möglich“

Innenarchitektin Sophie Green im Gespräch

Innenarchitektin Sophie Green im Gespräch

Puzzle für die Wand

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

Interview mit Paolo Zilli, Associate Director bei Zaha Hadid Architects

In Räumen denken

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

Vorschau auf die Boden- und Teppichmesse Domotex 2024

„Wenn man sich vertraut, kann man Kritik annehmen“

Muller Van Severen im Gespräch

Muller Van Severen im Gespräch

KI als Mitbewerberin

Interview mit Rafael Lalive von der Universität Lausanne

Interview mit Rafael Lalive von der Universität Lausanne

Echos aus der KI-Welt

Architekt Wolfram Putz von Graft über Künstliche Intelligenz

Architekt Wolfram Putz von Graft über Künstliche Intelligenz

„Wir empfinden unsere Krankenhäuser als Körperverletzung“

Tanja C. Vollmer und Gemma Koppen im Gespräch

Tanja C. Vollmer und Gemma Koppen im Gespräch

Conceptual Substance

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

Zu Besuch bei fünf crossdisziplinär arbeitenden Studios in Berlin

„Ich betrete gerne Neuland“

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

Ein Gespräch über Akustik mit der Architektin Marie Aigner

„Mich interessiert, wie die Dinge im Raum wirken“

Peter Fehrentz im Interview

Peter Fehrentz im Interview

Universell einsetzbar

Badplaner Marwin Bong über die Vorzüge zeitloser Armaturen

Badplaner Marwin Bong über die Vorzüge zeitloser Armaturen

Sinn für Leichtigkeit

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Wirkungsvolles Licht

Sven Bär über neue Trends bei SG Leuchten

Sven Bär über neue Trends bei SG Leuchten

Formen aus dem Feuer

Simone Lüling über die Anfänge ihres Leuchten-Labels ELOA

Simone Lüling über die Anfänge ihres Leuchten-Labels ELOA

Experimentierfreudiges Duo

Im Designlabor von Niruk

Im Designlabor von Niruk