Menschen

Wohldosiertes Licht

Henrik Clausen von Fagerhult über die Zukunft der Beleuchtung

Fagerhult ist skandinavischer Marktführer im Bereich der innovativen und nachhaltigen Premium-Lichtlösungen. Wie das Unternehmen visuelle, emotionale und biologische Faktoren bei der Entwicklung seiner Produkte berücksichtigt, erzählt der Lichtexperte Henrik Clausen im Interview.

von Kathrin Spohr, 02.04.2025

Die Geschichte des schwedischen Herstellers Fagerhult beginnt 1945 mit einem Weihnachtsgeschenk des Firmengründers Bertil Svensson an seine Mutter: Er baute ihr eine Leuchte namens Lampen, um das Stricken in den dunklen Wintermonaten für sie angenehmer zu gestalten. Heute stehen bei Fagerhult noch immer Lichtlösungen im Fokus, die den Menschen zugutekommen sollen. Statt der oft kühlen oder grellen technischen Beleuchtung entwickelt das Unternehmen Leuchten, die nicht nur funktional sind, sondern auch unterstützend wirken. Ein Gespräch mit Henrik Clausen, Direktor der Fagerhult Lighting Academy, über illuminierte Pizzakartons, gesundheitsförderndes Licht und individuelle Beleuchtungsprofile.

Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Markteintritt von Fagerhult in den Office-Beleuchtungsbereich in Deutschland?
Wir haben aktuell einige sehr schöne Produkte in minimalistischem, einfachem Design – typisch skandinavisch – gepaart mit Spitzentechnologie. Und wir sind davon überzeugt, dass der deutsche Markt diese Kombination sowohl sucht als auch mag.

Haben Sie ein Beispiel?
Mit unserem Sortiment an Pendel-, Deckeneinbau-, Stromschienen- und Spotleuchten streben wir an, professionelle Lichtplanungen stets auf ein neues Niveau zu heben. Dazu gehört die Kollektion Notor 36. Eine minimale, linear und modular aufgebaute Leuchte, die unzählige Möglichkeiten bietet. Mit ihrer eleganten, quadratischen Form in der Größe 36 mal 36 Millimeter lässt sie Licht zum integralen Bestandteil des Interiors werden. Sie ist aus zertifiziertem, recyceltem Aluminium hergestellt, wobei wir in jeder Phase des Produktentwicklungsprozesses auf eine Minimierung des Materialverbrauchs hinarbeiten. Und trotzdem erfüllt sie alle Qualitätsparameter für hochwertige Bürobeleuchtung.

Ein weiteres spannendes Produkt ist die Leuchte Multilume Re:Think. Wie entstand die radikale Idee einer Einbauleuchte mit Gehäuse aus Vollpappe?
Unser Produktmanagement hatte die Idee eher spontan – die Leuchte ähnelt einem Pizzakarton. Doch trotz dieses unkonventionellen Designs erfüllt auch sie alle relevanten Qualitäts- und Beleuchtungsstandards. Durch den Einsatz erneuerbarer Materialien wie Pappe anstelle von Metall sinkt die Klimaauswirkung um 81 Prozent. Das Gewicht ist um 30 Prozent reduziert, was den Transport und die Installation erleichtert. Über 90 Prozent der Leuchte ist recycelbar, das Gehäuse sogar zu 100 Prozent. Damit setzt die Multilume Re:Think einen neuen Maßstab für nachhaltige Beleuchtung.

Was unterscheidet Fagerhult von deutschen Mitbewerbern?
Wir bieten intelligente Beleuchtungslösungen an. Unsere Produktentwicklungen basieren auf wissenschaftlich fundierter Lichtforschung an Universitäten. Wir integrieren neueste Erkenntnisse, auch aus der Medizin, in unsere Lichttechnologie, um optimale Lichtverhältnisse zu schaffen und das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern. Und natürlich soll Licht nur dann bereitgestellt werden, wenn es wirklich gebraucht wird. Seit zwölf Jahren leite ich den Forschungsbereich bei Fagerhult und stehe in engem Austausch mit international führenden Wissenschaftlern. Meine Aufgabe ist es, stets an vorderster Front der Forschung zu bleiben.

Sie sind nicht nur Lichtexperte bei Fagerhult, sondern auch Dozent für Lichtdesign an der Aalborg Universität Kopenhagen. Welche neuen Entwicklungen gibt es im Bereich Human Centric Lighting?
Heute beschäftigen wir uns beispielsweise mit dem Einfluss von Licht auf Demenz. Die gezielte Aufnahme von Licht zur richtigen Zeit kann den Schlaf-Wach-Rhythmus positiv beeinflussen – mit potenziellen Vorteilen wie einer Reduzierung von Schlafmedikamenten und geringerem Nachtpersonalbedarf in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Aktuelle Forschungen untersuchen zudem, inwiefern Licht als Therapieoption für ADHS oder bipolare Störungen dienen kann. Immer mehr deutet darauf hin, dass der gezielte Einsatz von Licht langfristig den Bedarf an Medikamenten oder anderen therapeutischen Maßnahmen verringern könnte.

Lassen sich diese Erkenntnisse auch auf die Bürobeleuchtung anwenden?
Genau. Ein Beispiel: Eine Bürobeleuchtung, die uns an einem dunklen Wintermorgen mit einer intensiven Lichtdusche versorgt, hilft dabei, unseren Tagesrhythmus zu kalibrieren und gibt uns einen Energieschub – ähnlich wie ein natürlicher Sonnenaufgang. Dazu ist es wichtig, das Licht in der richtigen Menge und Qualität zu dosieren: Weiße Farbtemperaturen am Morgen helfen den Menschen, in der Nacht besser zu schlafen!

Mit Recipe of Light präsentieren Sie ein neues digitales Tool zur Visualisierung von Lichtlösungen. Was sind die konkreten Vorteile für Ihre Kunden?
Beleuchtungsplanung wird oft von Ingenieuren oder Installateuren durchgeführt, mit dem Hauptziel, gesetzliche Vorgaben kosteneffizient zu erfüllen. Welche Atmosphäre ein Raum ausstrahlen kann und wie sich Menschen mit einer bestimmten Lichtstimmung fühlen könnten, bleibt meistens außen vor. Deshalb haben wir mit Recipe of Light ein Tool entwickelt, das nicht nur technische Anforderungen – ob im Büro, in Schulen oder anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen – demonstriert, sondern auch die gestalterischen und emotionalen Optionen der Beleuchtung aufzeigt. Recipe of Light ermöglicht eine anschauliche Visualisierung sämtlicher Beleuchtungskonsequenzen – auf wirtschaftlicher, energetischer und emotionaler Ebene. Denn die Gestaltungsmöglichkeiten für optimale Beleuchtung sind vielfältig.

Verschiebt sich damit der Prozess für Innenarchitekt*innen, weil die Planung der Lichtsituation bereits früh in die Entwürfe einbezogen werden kann?
Genau. Das Tool ist wie ein Menü, das man dem Kunden sehr früh präsentieren kann: Möchten Sie in einem Büro sitzen, das so oder eher so aussieht? Welche Stimmung möchten Sie erreichen? Man kann Entwürfe schnell und präzise eingrenzen oder justieren, sodass nicht zu viel Zeit mit einer großen, ehrgeizigen Idee vergeudet wird, die den Kunden am Ende nicht gefällt.

Wie könnte das Fagerhult-Motto „Das richtige Licht am richtigen Ort“ in künftigen Arbeitswelten aussehen?
Je mehr wir über Licht wissen, desto besser können wir es an persönliche Bedürfnisse anpassen. Früher war Licht für alle gleich, heute passen wir es gezielt an den Lebensrhythmus an: Ältere Menschen brauchen mehr Licht als Jüngere, daher unterscheiden sich etwa auch die Anforderungen in Altenheimen und Schulen und so weiter. Eine App könnte zum Beispiel erfassen, welche Lichtqualität Sie morgens beim Joggen hatten und darauf basierend Ihr Bürolicht optimieren, um Ihre Energie zu halten – und gleichzeitig Stromenergie zu sparen. Im Winter, wenn es morgens dunkel ist, könnte ein Lichtimpuls im Büro beim Start in den Tag helfen. Jeder könnte ein persönliches Beleuchtungsprofil haben – ähnlich wie Ernährungs- oder Trainingspläne. Mit einer App könnte man sein Licht individuell einstellen und sogar in neue Umgebungen mitnehmen, etwa per Bluetooth-Verbindung am Arbeitsplatz.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Fagerhult

Fagerhult bietet Premium-Beleuchtung für flexible Büros. Nachhaltigkeit und smarte Beleuchtung sind unser Antrieb. Aus dunklen schwedischen Wäldern stammend, verfeinern wir die Kunst des Lichts, und wandeln Tageslichtknappheit in Effizienz und Präzision um. Dabei haben wir stets das Wohlbefinden im Fokus. Light for better living.

Zum Showroom

Mehr Menschen

Entwürfe für die Neue Wirklichkeit

Ein Interview mit dem Museumsgründer Rafael Horzon

Ein Interview mit dem Museumsgründer Rafael Horzon

Das Büro als Bühne

Wilkhahn launcht Magazin über agiles Arbeiten

Wilkhahn launcht Magazin über agiles Arbeiten

„Wir wollen einen Kokon schaffen“

studioutte aus Mailand im Interview

studioutte aus Mailand im Interview

„Eine Küche ist der Raum, In dem es warm und menschlich ist“

Marc O. Eckert von bulthaup im Interview

Marc O. Eckert von bulthaup im Interview

Im Bad mit Barbie

Ein Gespräch über Barrierefreiheit, Empowerment und rosa Sanitärdesign

Ein Gespräch über Barrierefreiheit, Empowerment und rosa Sanitärdesign

Wohnzimmer im Freien

Julia Pültz von Vestre im Interview

Julia Pültz von Vestre im Interview

Berliner Avantgarde

Studiobesuch bei Vaust in Berlin-Schöneberg

Studiobesuch bei Vaust in Berlin-Schöneberg

Designstar des Nahen Ostens

Hausbesuch bei der libanesischen Gestalterin Nada Debs in Dubai

Hausbesuch bei der libanesischen Gestalterin Nada Debs in Dubai

Treffpunkt Workcafé

Ernst Holzapfel von Sedus im Gespräch

Ernst Holzapfel von Sedus im Gespräch

Worauf es im Bad ankommt

Fachplaner Armin Geisel über die Bedeutung durchdachter Armaturen

Fachplaner Armin Geisel über die Bedeutung durchdachter Armaturen

Cologne Connections

Junge Designer*innen sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 2

Junge Designer*innen sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 2

Design als Klebstoff

Junge Gestaltende sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 1

Junge Gestaltende sorgen für frischen Wind in Köln – Teil 1

Hilfsaktion in Kalifornien

Das Möbellabel Kalon Studios aus L.A. spricht über seinen „Wildfire Relief Free Market“

Das Möbellabel Kalon Studios aus L.A. spricht über seinen „Wildfire Relief Free Market“

Der Büroplatz zum Wohlfühlen

Dirk Hindenberg von Klöber im Interview

Dirk Hindenberg von Klöber im Interview

„Alles muss wandelbar sein“

Stephanie Thatenhorst über Interiortrends 2025

Stephanie Thatenhorst über Interiortrends 2025

Feuer gefangen

Ein Studiobesuch bei Milena Kling in Berlin-Prenzlauer Berg

Ein Studiobesuch bei Milena Kling in Berlin-Prenzlauer Berg

Weniger ist mehr

Ein Gespräch mit dem Berliner Architekten Christopher Sitzler

Ein Gespräch mit dem Berliner Architekten Christopher Sitzler

Ode an die Emotion

Interview mit dem französischen Designer Benjamin Graindorge

Interview mit dem französischen Designer Benjamin Graindorge

Zirkuläre Lichtplanung

Sabine De Schutter im Gespräch

Sabine De Schutter im Gespräch

Maximale Formbarkeit

Ein Gespräch über Architekturbeton mit Silvia und Bernhard Godelmann

Ein Gespräch über Architekturbeton mit Silvia und Bernhard Godelmann

„Wir müssen Möglichkeitsräume schaffen“

Der Architekt Klaus de Winder im Gespräch

Der Architekt Klaus de Winder im Gespräch

Blick aufs Ganze

Dominik Tesseraux über den Designansatz bei Bette

Dominik Tesseraux über den Designansatz bei Bette

Townhouse in Mitte

Zu Besuch beim Berliner Architekten Patrick Batek

Zu Besuch beim Berliner Architekten Patrick Batek

Design-Statements auf der Wand

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Ein Interview mit Julian Waning von Gira

Alles ist verbunden

Ausblick auf die Orgatec 2024 mit Dr. Jens Gebhardt von Kinnarps

Ausblick auf die Orgatec 2024 mit Dr. Jens Gebhardt von Kinnarps

Das Essenzielle herauskitzeln

Christoph Gerdesmeyer über seine Leidenschaft für Küchen

Christoph Gerdesmeyer über seine Leidenschaft für Küchen

Räume in die Realität befördern

Interiordesignerin Annika Erath aka ©frida_wohnt über digitale Planungsprozesse

Interiordesignerin Annika Erath aka ©frida_wohnt über digitale Planungsprozesse

Mehr Seele fürs Holz

Formafantasma und Artek im Gespräch

Formafantasma und Artek im Gespräch

Dialog durch die Zeit

Der Schweizer Galerist und Restaurator Reha Okay im Gespräch

Der Schweizer Galerist und Restaurator Reha Okay im Gespräch

Der finnische Designmaterialist

Studiobesuch bei Antrei Hartikainen in Fiskars

Studiobesuch bei Antrei Hartikainen in Fiskars