„Die Menschen brauchen mehr Geschichten“
Giovanni Molteni über den neuen Münchner Showroom

Molteni&C feierte kürzlich 90 Jahre Firmengeschichte – und blickt positiv nach vorn. Gerade hat das Unternehmen einen Flagship-Store in München eröffnet, in Kooperation mit den Neuen Werkstätten. Im Interview sprechen Giovanni Molteni und Nathalie Schwörer über die Verbindung von Tradition und Innovation, den „Molteni Lifestyle“ – und darüber, dass Räume heute Geschichten erzählen sollen, statt nur Möbel zu zeigen.
Der neue Showroom der italienischen Designmarke Molteni&C liegt im Herzen der Münchner Altstadt am Promenadenplatz, in unmittelbarer Nachbarschaft eines der bekanntesten deutschen Grand-Hotels. Nur zwei Häuser weiter befinden sich die Neuen Werkstätten, die hochwertige Lösungen im Interior Design anbieten. Durch die Kooperation mit Molteni&C erweitern sie ihr Portfolio. Der neue Store im „Parcus Haus“, 1887 von Friedrich von Thiersch entworfen, ehrt Designer wie Tobia Scarpa, Jean Nouvel und Gio Ponti. Er lädt dazu ein, die ganzheitliche Philosophie von Molteni&C zu erleben.
Molteni&C feierte im vergangenen Jahr sein 90-jähriges Bestehen. Wie schaffen Sie es, Tradition und Innovation zu verbinden?
Giovanni Molteni: Bei uns geht es immer um die Balance zwischen Tradition und Innovation. In neun Jahrzehnten haben wir viel handwerkliches Know-how aufgebaut und arbeiten seit jeher mit führenden italienischen Designern. Doch wir müssen uns ständig weiterentwickeln, um auf veränderte Geschmäcker, Produkte und Formen zu reagieren. Wir arbeiten projektorientiert. Unsere Showrooms sollen Kunden deshalb inspirieren, sich ihren gesamten Wohnraum vorzustellen. Dabei verbinden wir Tradition und Innovation, besonders bei Materialkombinationen und Veredelungen.
Sie sind mit dem Unternehmen aufgewachsen. Wie hat Sie die Familiengeschichte geprägt?
Giovanni Molteni: Ich bin in die Familie hineingeboren – die DNA ist also da (lacht). Gleichzeitig habe ich außerhalb des Unternehmens Erfahrungen gesammelt, etwa in den USA – das empfinde ich als sehr wertvoll. Diese Perspektiven ergänzen sich mit den Visionen, die mein Vater meinen Geschwistern und mir vermittelt hat.
Was macht den Geist von Molteni&C aus? Was unterscheidet Sie von anderen italienischen Designmarken?
Giovanni Molteni: Viele italienische Designmarken konzentrieren sich auf frei stehende Möbel. Wir denken weiter und betrachten das gesamte Projekt. Unsere Showrooms sind keine reinen Möbelgeschäfte, sondern Orte, die den „Molteni Lifestyle“ spürbar machen. Wir schaffen eine Atmosphäre, die unsere Kunden inspiriert.
Der neue Showroom ist eine Hommage an Designer und Architekten wie Vincent Van Duysen, Herzog & de Meuron und Jean Nouvel. Wie spiegelt die Gestaltung die Identität von Molteni&C wider?
Giovanni Molteni: Unsere Produkte und die Entwürfe renommierter Designer stehen im Mittelpunkt, sind aber Teil eines größeren Ganzen. Auch im neuen Showroom haben wir ein „Molteni-Apartment“ gestaltet – ein Konzept, das wir weltweit umsetzen, zuletzt in Bangkok. Heute verkauft man nicht nur Produkte, sondern erzählt Geschichten und weckt Emotionen.
Nathalie Schwörer: Der Showroom ist 360 Grad Molteni. Nicht nur die Möbel, auch Einbauten und Kunst wurden von uns ausgewählt. Es geht darum, den Geist von Molteni zu vermitteln, nicht nur Produkte zu zeigen. Dieser ganzheitliche Ansatz fasziniert mich.
Unterscheiden sich die Interior-Trends in Deutschland von anderen Ländern?
Giovanni Molteni: Eigentlich nicht. Es gibt feine Unterschiede bei Farben und Textilien, aber bei Projekten vertrauen uns Kunden weltweit.
Nathalie Schwörer: In Süddeutschland spüre ich beim Thema Luxus ein Understatement. Molteni trifft genau diesen Nerv.
Giovanni Molteni: Ich mag den Begriff Luxus nicht. Er steht nicht für unsere Marke und ist, finde ich, generell für den Designbereich nicht passend.
Warum haben Sie sich für diesen Standort in der Münchner Altstadt entschieden? Sind weitere Projekte geplant?
Giovanni Molteni: Wir suchen immer besondere Locations, die unsere Atmosphäre transportieren. In München haben wir die perfekten Räume gefunden, wie zuvor in Mailand. Der nächste Showroom eröffnet in Wien, und bis Jahresende werden wir 130 Standorte weltweit haben. Trotz neuer Kollektionen und Ideen bleibt unsere Philosophie überall gleich – ob in Riad, Sydney oder München.
Die Möbelbranche steht vor zahlreichen Herausforderungen. Welche sind für Sie besonders relevant?
Giovanni Molteni: Die Menschen brauchen mehr Geschichten. Unsere ganzheitliche Herangehensweise trifft diesen Wunsch. Die Konzepte klassischer Möbelgeschäfte funktionieren nicht mehr. Bei uns steht das Erzählen von Geschichten vor dem Produkt, wir stellen unsere Identität und Expertise in den Vordergrund. Eine weitere Herausforderung sehe ich in der Zusammenarbeit mit den richtigen Menschen – das ist entscheidend.
Molteni produziert viele Re-Editionen von Designern wie Tobia Scarpa, Ignazio Gardella und Gio Ponti. Welche Vision verfolgen Sie?
Giovanni Molteni: Die Kombination aus neuen Produkten und Re-Editionen bleibt zentral. Unsere Wurzeln liegen in den Entwürfen von Designern wie Gio Ponti. Wir haben die Rechte an fast allen seinen Möbeln erworben und viele seiner unbekannten Werke warten darauf, neu entdeckt zu werden. Auch Entwürfe von Tobia Scarpa und Aldo Rossi spielen eine wichtige Rolle in unserer Zukunft.
Gibt es ein Stück im neuen Showroom, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Giovanni Molteni: Viele (lacht). Zum Beispiel die Porta Volta Chairs, auf denen wir sitzen. Herzog & de Meuron hat sie ür die israelische Nationalbibliothek in Jerusalem entworfen, ein Projekt unserer Schwestermarke Unifor. Aber eigentlich mag ich alle unsere Produkte (lacht).
Nathalie Schwörer: Mir gefällt das neue Sofa Emil von Christophe Delcourt gerade sehr, das im Showroom zum ersten Mal präsentiert wird. Wirklich ein ganz besonderes Stück.
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