Menschen

Katalanische Kollaboration: Studio Maio

Wir trafen drei der vier zum Interview

von Stephan Burkoff, 12.02.2018

Studio Maio aus Barcelona versteht sich als Büro für Raumsysteme. Die Projekte des Quartetts changieren dabei zwischen Möbeln, Architektur, Ausstellungsdesign und Stadtplanung. Drei der vier Gründer haben wir getroffen und mit ihnen über die Chancen der Krise, ihr dynamisches Büro, die Vorzüge und Begrenzungen eines sehr langen Tisches gesprochen.

Flexibilität und Offenheit sind Begriffe, die mir bei eurer Architektur eigentlich immer in den Sinn kommen. Ist das so etwas wie eure Philosophie? Anna Puigjaner: Ja, auf jeden Fall! Wir haben unsere Art, Gestaltung zu verstehen. Design muss für uns offen sein. In einem permanenten Zustand des Unfertigen. Nur so hat es für uns eine Berechtigung. Für uns bedeutet das nicht, weniger Identität in die Dinge zu legen, ganz im Gegenteil. Uns gefällt die Idee, dass alles, was wir tun, immer in Bewegung bleibt. Wir sind Kinder der Krise, was bleibt uns anderes übrig?

Wie kam es zu dem Impuls, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein eigenes Büro in Barcelona zu gründen? Anna: Weil wir das Gefühl hatten, auf die Situation reagieren zu müssen. Mit dem bisherigen Bild der Architektur in Spanien waren wir nicht glücklich und dachten, das wäre vielleicht ein guter Zeitpunkt, um etwas zu verändern, sich zu öffnen und eine Alternative zu bieten zu dem, was die Architektur als gescheitertes Investment ist. Wir sind sehr achtsam in dem, was wir tun und wie wir es tun. Das Ergebnis soll immer Teil einer Kontinuität sein.

Wie ist die Situation für junge Architekten in Spanien derzeit? Anna: Wir haben uns ja nicht ohne Grund für Barcelona entschieden. Also nicht nur, weil uns die Stadt und das Leben hier gefallen. Sondern auch, weil man hier sehr gut Architektur schaffen kann. Und die Stadt ist gut angebunden. Wir haben entschieden: Die Orte, an denen man arbeitet, und die, an denen man lebt, müssen nicht unbedingt dieselben sein. Wir arbeiten überall, wo es interessante Projekte und Chancen für uns gibt. Wenn man das akzeptiert – diesen Paradigmenwechsel zum Denken von vor 20 Jahren –, dann ist es okay, als Architekt in Spanien zu arbeiten. Die Krise hat unsere Mentalität sehr verändert.

Alfredo Lérida: Es war harte Arbeit, außerhalb von Spanien Projekte zu generieren. Aber das ist heute unumgänglich. Auch in unserem Büro müssen wir sehr flexibel sein. Die Struktur unseres Studios ist darauf ausgerichtet. Alles ist sehr transversal, wir sind an Kooperationen gewöhnt und auch daran, Experten aus anderen Disziplinen zu integrieren. Die Art zu arbeiten hat dabei einen großen Einfluss aufs Ergebnis. Alles ist verbunden und sehr offen zugleich.

Was sind die aktuellen Projekte, mit denen ihr euch beschäftigt? Maria Charneco: Wir entwickeln Ausstellungen, städtebauliche Projekte, haben gerade ein Apartmentgebäude in Barcelona fertiggestellt und mit der Sanierung eines großen Bürogebäudes angefangen, wo sich ein industriell geprägtes Viertel in einen Ort für junge Leute, Künstler und andere Kreative wandelt, dazu die Architekturbiennale in Chicago und eine Szenografie für einen Choreografen. Kürzlich haben wir zudem unser erstes Messekonzept für Arper realisiert. Es geht uns weniger um den Maßstab oder die Bedeutung eines Projektes, sondern darum, wie unsere Herangehensweise passen kann.

Wie war das Feedback auf euer Messekonzept für Arper? Anna: Sehr gut! Wir sind wirklich glücklich. Für uns war das ein großer Moment. Wir haben seit zwei Jahren mit Arper zusammengearbeitet, um diese neue Identität zu definieren – für uns war es also die erste öffentliche Präsentation der Ergebnisse. Und das Feedback ist wirklich gut. Sowohl von den Besuchern als auch von Arper selbst. Man muss bedenken, dass ein Messestand nicht nur ein atmosphärischer Präsentations-, sondern auch ein Arbeitsraum für die Mitarbeiter ist – insbesondere sie müssen sich hier wohlfühlen.

Was zeichnet einen guten Ausstellungsraum aus? Anna: Ich denke, die Menschen müssen sich wohlfühlen. Also etwas fühlen, nicht nur sehen. Das Objekt sollte nicht bloß wie ein Objekt wirken, sondern als Teil des Lebens. Eine Inszenierung im Raum braucht eine gewisse Tiefe – sie muss nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber vorhanden sein. Es sind gewissermaßen verschiedene Ebenen, über die sich ein Raum erschließen lässt.

Alfredo: Flexibilität ist auch hier wichtig. Im besten Fall funktioniert ein Ausstellungsraum für lange Zeit und in verschiedenen Situationen.

Anna: Im Fall von Arper bedeutet das, dass wir ein Set aus Elementen entworfen haben. Simple Rahmen, die auf verschiedene Art arrangiert werden können und so unterschiedliche Architekturen und Räume bilden. Auf dem Salone del Mobile in Mailand war es ein großer Stand mit einem Platz in der Mitte, umgeben von kleineren abgetrennten Elementen. Wie eine Stadt in der Stadt. Es gab also eine große Struktur und kleinere Strukturen, die zeigen, wie das Konzept auf verschiedene Weisen umgesetzt werden kann. Viele Formen sind möglich. Wichtig war zu schauen, welche Architekturen zur Marke und den Produkten passen.

Alfredo: Die weißen Räume ermöglichen es auch, den Fokus aufs Produkt zu legen und mit Farben zu experimentieren. Unser Ziel war es, verschiedene Nutzungen in einem Rahmen zu ermöglichen. Im Sinne der Konstruktion ist dafür alles sehr einfach gehalten. Es gibt dreidimensionale Verbindungen zwischen den Rahmen, die alle denkbaren Konfigurationen erlauben.

Anna: Neben dem Bild der Stadt wollten wir mit dem Gedanken an Innenräume arbeiten. Jeder Raum hat einen bestimmten Charakter und eignet sich somit für ein bestimmtes Set an Möbeln und eine bestimmte Atmosphäre. Der weiße Raum bietet dabei die Bühne, auf der sich die Möbel zusammen inszenieren.

Wie viele Leute arbeiten eigentlich aktuell bei Studio Maio? Und was zeichnet ein gutes Büro aus? Alfredo: Zurzeit sind wir vier Partner und Architekten und drei Mitarbeiter. Bei umgangreichen Projekten werden wir auch größer.

Maria: Wir arbeiten im Studio oft mit anderen Disziplinen zusammen, aber nicht wie ein Coworking, sondern wie eine kleine große Firma: Bauingenieure, Landschaftsarchitekten, Interior Designer, Industriedesigner, die bei uns im Studio dabei sind, und zwar immer dann, wenn eine Zusammenarbeit mit uns sinnvoll ist. Insgesamt sind wir also etwa 14 Personen im Studio.

Anna: Damit das alles funktioniert, haben wir auch unser Studio gemeinsam entworfen. Unter anderem gibt es einen zwölfeinhalb Meter langen Tisch, an dem wir alle arbeiten. Wenn man zu uns kommt, ist es schwierig zu unterscheiden, wer ist der Grafikdesigner, wer ist der Ingenieur und wer ist der Architekt im Büro. Es ist ein Raum ohne Geheimnisse. Alles ist offen. Keine Hierarchien. Für jedes Projekt arrangieren wir uns neu: Wer ist dabei, wer nicht, wer leitet das Projekt, wo finden wir uns zusammen. Es ist ein ständiger Anpassungsprozess.

Maria: Wir sind sensibel, was die Größe des Unternehmens angeht. Niemand von uns möchte eine Firma mit 200 Mitarbeitern haben.

Anna: Es ist wie in unseren Projekten. Alles, was nicht an unseren Tisch passt, passt nicht zu unserem Büro.

Alfredo: Vielleicht kaufen wir aber auch mal einen zweiten.

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